Qual ohne Wahl

Qual ohne Wahl

Meinungsforscher lassen uns wissen, noch nie wären so kurz vor einer wichtigen Wahl so viele Leute so unsicher gewesen, wem sie ihre Stimme geben sollten. Man versteht auch, warum es zu dieser Lage kam. Im Lande gibt es nämlich eine Wechselstimmung, und zwar weg von jener Politik, für die erst Angela Merkel und dann die Ampelregierung stand. Doch es steht nun einmal keine Bundestagsmehrheit in Aussicht, die einen Politikwechsel auch ermöglichte.

Einst waren Bundestagswahlen Richtungswahlen. Da stand Adenauer gegen Schumacher oder Kohl gegen so viele andere. Doch diesmal? Zwar ist die Union programmatisch nicht mehr Merkels Kanzlerwahlverein. Doch keine realistischerweise mögliche Regierungsmehrheit wird das neue Unionsprogramm zur Migrations-, Wirtschafts- oder Energiepolitik umsetzen können. Es läuft nämlich alles hinaus auf eine Koalition der Union mit entweder der SPD oder den Grünen, allenfalls nach Eintreten eines Wählerwunders auch unter Einschluss der FDP.

Und dann? Es wird der Schwanz mit dem Hund wedeln – wie bis vor kurzem in Sachsen! Zwar war dort die Landtagsfraktion der CDU weit mehr als doppelt so groß wie ihre Koalitionspartner von SPD und Grünen zusammen. Trotzdem prägten vor allem die Grünen so sehr die Politik und das Klima im Lande, dass es nach der letzten Landtagswahl für Union und SPD zusammen nur noch zu einer Minderheitsregierung reichte – ins Amt gelangt dank linker Unterstützung.

Derlei politische Aussichten begeistern jene für die Union, FDP oder die AfD stimmende absolute Mehrheit im Lande gerade nicht, die eben keine linksgrüne Politik will, doch keine andere Politik bekommen kann. Die Union hat nämlich mehrfach geschworen, niemals der mehrheitlich durchaus nicht linksgrün wählenden Bürgerschaft eine andere Regierung gegenüberzustellen als eine Mitte-links-Regierung. Seither schrumpfte die CDU von einer Partei mit 40+x Prozent der Stimmen zu einer, die trotz des Abwirtschaftens der Ampelparteien nicht über 30 Prozent plus einem kleinen x hinauskommt. Von einer „Halbierung“ der AfD-Stimmenanteile ist ohnehin nichts mehr zu hören. Stattdessen steht der fremdverursachte (!) Aufstieg der AfD zu einer bundesweiten 20-Prozent-Partei vor aller Augen.

Weil unter diesen Umständen die Union nun einmal keinen anderen Koalitionspartner bekommen kann als die SPD oder die Grünen, steigt bei den Gesprächen zur Regierungsbildung das Verhandlungsgewicht dieser aus der Zeit fallenden grünlinken Gralshüter ins Unermessliche. Gibt ihnen die Union politisch nach, wozu keine Alternative mehr besteht, verliert sie auch noch die letzten Reste ihrer Glaubwürdigkeit. Dann wächst die AfD zu einer Partei mit um die 30 Prozent der Stimmen nicht nur im Osten, sondern auch bundesweit. Und freilich lässt sich nicht wirklich mit einer AfD zusammenwirken, die auf eine Regierungsrolle nicht besser vorbereitet ist als einst Robert Habeck aufs Wirtschaftsministerium.

Jetzt wird die Union von den Folgen ihrer falschen Weichenstellungen seit 2014, spätestens 2015 eingeholt. Traurig ist, dass die so üblen Folgen all dessen unser ganzes Land samt seiner Bevölkerung schädigen. Und schade ist, dass auch demokratische Wahlen solange  keinerlei Ausweg aus diesem Zustand eröffnen können, wie eine beruflich inzüchtige Politikerschaft verweigert, was die Bevölkerungsmehrheit wünscht: nämlich wirksame Reformen. Die wird aber wohl nur eine Mitte-rechts-Regierung hinbekommen, nicht aber das inzwischen rein gewohnheitsmäßig in Kauf genommene Bündnis von Christ- und Sozialdemokraten. Jedenfalls haben diese Merkel-Koalitionen unser heutiges Schlammassel verursacht.

Noch gäbe es zwar Chancen, die österreichische Demütigung der Christdemokratie hin zur Ministrantenrolle in einer rechtsgeführten Regierung zu vermeiden – oder gar das italienische Versinken der Christdemokratie im Sumpf praktizierter Profillosigkeit. Dazu bräuchte es aber Spitzenpolitiker vom Schlag der zwei bundesdeutschen Helmuts. Doch im Angebot ist derzeit leider nur die Preisklasse der Annalenas, Roberts und Olafs.

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