Eines Journalisten Sieg über die Studienstiftung

Eines Journalisten Sieg über die Studienstiftung

Von einem großen Sieg ist zu berichten, nämlich gegen Viktor Orbáns Propagandisten, die unschuldige Studienstiftlergehirne rechtskonservativ verseuchen wollten. Errungen hat diesen Sieg der wackere Journalist Matthias Meisner, und seinen Triumph hat er verkündet im Qualitätsorgan „Volksverpetzer“ (siehe https://www.volksverpetzer.de/aktuelles/kontroverse-patzelt-studienstiftung-rueckzieher/).

Meisner schaffte es nämlich, die stolze Eliteninstitution „Studienstiftung des deutschen Volkes“ zu einem „Rückzieher“ zu veranlassen, nämlich zur „Ausladung“ eines „Lohnschreibers“ von Viktor Orbán, und zwar nach einer (neuerlichen) „Kontroverse um Patzelt“. Die beschränkte sich freilich auf einen Zeitungsartikel von Meisner in der „Frankfurter Rundschau“ (https://www.fr.de/politik/sommerakademie-orbans-mathias-corvinus-collegium-patzelt-cdu-afd-studienstiftung-des-deutschen-volkes-92828303.html), auf den ich gleich mit ironischer Nachsicht geantwortet hatte (https://www.fr.de/politik/sommerakademie-orbans-mathias-corvinus-collegium-patzelt-cdu-afd-studienstiftung-des-deutschen-volkes-92828303.html).

Meisner simuliert allerdings einen langwierigen, heldenhaften Kampf, indem er nämlich seinen neuerlichen Beitrag mit den folgenden Worten beginnt: „Am Ende zog die Studienstiftung des deutschen Volkes dann doch die Notbremse“. Was war geschehen? 

Er hatte sich bei der Studienstiftung telefonisch gemeldet und als aufziehenden Skandal angekündigt: Dieser Patzelt – ehemaliger Stipendiat der Studienstiftung, jahrelang Mitprüfer bei Auswahlverfahren und schon zweimal Seminarleiter auf Sommerakademien der Studienstiftung – wird doch wohl im kommenden August bei einer Bildungsveranstaltung der Studienstiftung nicht wirklich ein Seminar zur Geschichte und Entwicklung des Konservatismus abhalten dürfen! Denn dieser Kerl ist jetzt, nach seiner ordnungsgemäßen Emeritierung im März 2019, Forschungsdirektor am MCC in Brüssel und somit – so Meisner wörtlich – ein „Handlanger Orbáns“. Weshalb jedem recht und billig Denkenden klar sein muss, dass unter solchen Umständen Patzelts Seminar geradewegs auf die Tatbestände der Orbán-Propaganda, Putinversteherei und Verharmlosung des Rechtsradikalismus hinausliefe. 

Derlei erschreckte die Studienstiftung so sehr, dass sie sich, auf anscheinend durchaus höherer Ebene, mit dem von Meisner angedrohten Skandal befasste. Anschließend zog sie ihre höchsteigene Einladung an Patzelt zurück. Mittelbar bestand der Sieg also darin, dass dieser üble Kerl nun doch nicht – erneut in Meisners Formulierung – in einer „sogenannten ‚Arbeitsgruppe‘ über ‚Konservatismus’ dozieren“ darf.

Unmittelbar aber bestand jener Sieg darin, dass die Studienstiftung nicht nur auf bloßen Zuruf hin einknickte, sondern sich auch noch bußfertig und reuewillig gab. Denn triumphierend berichtet Meisner im „Volksverpetzer“, es sei die Studienstiftung laut eigenem Bekunden „zum Schluss gekommen sei, dass die Einladung auf einer Fehleinschätzung fußt und nicht hätte erfolgen dürfen“. 

Und worin bestand die Fehleinschätzung? Auch auf eine Nachfrage hin äußerte sich die Studienstiftung dazu noch nicht inhaltlich. Nach Meisners Deutung bestand die Fehleinschätzung darin, dass dieser Patzelt den akademischen Diskurs- und politischen Pluralitätsanforderungen der Studienstiftung einfach nicht gerecht werden kann. Gemäß denen müssten „die Arbeitsgruppenleitungen Inhalte aus unterschiedlichen Perspektiven ausgewogen und unabhängig von eigenen politischen Überzeugungen oder Zielen vermitteln und dabei unterschiedliche Perspektiven und Dimensionen einbeziehen“, was – so wiederum Meisner – „ganz offensichtlich … die Studienstiftung … vor allem bei Patzelt als nicht gegeben“ ansah.

Hier ist im Übrigen, wie ich jenes Seminar aufgebaut hätte, so beschrieben vorgestern bei einem Interview:

„Mein Seminar sollte, so der Wunsch der mich einladenden Mitarbeiterin der Studienstiftung, die Entwicklungsgeschichte des Konservatismus behandeln. Ich hätte also vom konfuzianischen Konservatismus bei den alten Chinesen gehandelt und vom praktizierten ‚mos maiorum‘ bei den alten Römern, hätte dann das Einsetzen des neuzeitlichen Konservatismus als Reaktion auf die Französische Revolution bearbeitet und anschließend, mit Blick auf die parallelen Geschichten des in die Gegenwart führenden Liberalismus und Sozialismus, die Ideen- und Politikgeschichte des seitherigen Konservatismus behandelt. Dessen diktatorischen Ausprägungen im Faschismus wären ebenso Thema gewesen wie die Verbindung von Liberalismus, sozialdemokratischen Vorstellungen und später auch ökologischen Ideen mit dem Konservatismus, vor allem in etlichen christdemokratischen Parteien nach dem Zweiten Weltkrieg“.

Meisner hat sich, wenn überhaupt etwas, anscheinend etwas sehr anderes als Seminarinhalt vorgestellt. Doch natürlich täuschte nicht er sich in mir und im „volksverpetzten“ Seminar, sondern es täuschte sich die Studienstiftung – und die wurde von Meisner deshalb dankenswerterweise und erfolgreich auf ihren Fehler aufmerksam gemacht. 

Doch worüber täuschte sich die Studienstiftung eigentlich, anders als der gute Enthüllungsjournalist Meisner? Anscheinend darin, dass Patzelt seit Jahren politisch anständigen Leuten wie Meisner ohnehin übel auffällt, dass er jetzt gar für einen „rechtsreaktionären Thinktank“ arbeitet, nun obendrein ein „führender MCC-Kader“ ist und ein solches Buch über Ungarn geschrieben hat, das in einer – wie aber mir scheint: voreingenommenen und die berichteten Sachverhalte verzerrenden – FAZ-Rezension als „regierungsfreundliche PR“ ausgegeben wurde (https://www.faz.net/aktuell/politik/politische-buecher/ein-buch-mit-regierungsfreundlicher-pr-19514628.html). 

Ziemlich sicher kennt Meisner dieses Buch von innen ebenso wenig wie meine Bücher „Neue Deutsche in einem alten Land“, „Deutsche und ihr demokratisches Land“ oder „CDU, AfD und die politische Torheit“, alle aus den Jahren 2018 und 2019. Würde er sie inhaltlich kennen, dann könnte er ohne Lust aufs Lügen schwerlich seine üblichen Insinuationen über mich und meine politische Haltung verbreiten. Gottlob fand er in einer Twitter-Äußerung des Berliner Historikers Ilko-Sascha Kowalczuk noch ein weiteres, ihm nützliches Deutungsmuster. Bezugnehmend auf die – wie jeder Blick in mein Ungarn-Buch zeigt – höchst vernagelte Rezension des FAZ-Redakteurs Niklas Zimmermann sprach Kowalczuk nämlich von einer „Propagandaschrift“ und kam zum von Meisner zustimmend zitierten Schluss: „Manche Wissenschaftler sind käuflich.“ Und natürlich darf die Studienstiftung keinen bestechlichen Propagandisten auf Studienstiftler loslassen. Ob die aber wirklich unfähig zum eigenen, kritischen Denken sind?

Dass es dem wackeren Meisner tatsächlich vor allem ums Verdrehen von Tatsachen geht, belegt auch seine Schlussbemerkung: „Patzelt zeigte sich ob des Rückziehers der Studienstiftung beleidigt“. Tatsächlich aber schrieb ich in meinem oben verlinkten Blogbeitrag hinsichtlich der telefonischen Absage jenes Seminars: „…ich verstünde das mitzuteilende Anliegen und wisse mit meiner sommerlichen Freizeit durchaus Fruchtbareres anzufangen, als Studierende mit von ihnen unerwünschten Wissensbeständen zu behelligen. Wir schieden freundlich, und eine nicht minder freundliche E-Mail seitens der Studienstiftung beendete die Episode“. 

Und wo Meisner gar insinuiert, ich hatte der Studienstiftung (!) einen „kruden Versuch, (…) die Integrität des deutschen Bildungssystems zu sichern“ zugeschrieben, dort zitiert er – klar entstellend – aus meiner ironischen Eingangsbemerkung. Die war kenntlich auf niemand anderes als Meisner selbst gemünzt: „Es gilt wieder einmal über einen kruden Versuch zu berichten, die Integrität des deutschen Bildungssystems zu sichern, wenn schon nicht gleich die Unversehrtheit deutscher Demokratie“.

Wie ist so ein Journalistenverhalten einschätzen? – Als schlicht verachtenswert. Und was ist an den berichteten Tatsachen unbezweifelbar? – Genau zweierlei: Meisner verabscheut das MCC und mich aus politischen Gründen – und er hat es im deutschen Medien-, Meinungs- und Akademikerklima geschafft, ohne sonderlichen Aufwand die Studienstiftung zur Kapitulation zu veranlassen. Als Machiavelli-Schüler ziehe ich da sogar den Hut …

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