Verleumdender Journalismus

Verleumdender Journalismus

Wer ein Beispiel für verleumdenden Journalismus sucht, findet heute eines in der „Huffington Post“ (https://www.huffingtonpost.de/entry/verglich-er-merkel-und-goebbels-politologe-patzelt-erklart-seine-chemnitz-theorie_de_5b94fc33e4b0511db3e34064?utm_hp_ref=de-homepage), nachgedruckt auch in Focus Online (https://www.focus.de/panorama/welt/panorama-verglich-er-merkel-und-goebbels-politologe-patzelt-erklaert-seine-chemnitz-theorie_id_9559300.html). Das Niederträchtige ist, dass die Verleumdung genau in der Überschrift sowie in den ersten, oft ohne den Rest eines Textes gelesenen Sätzen vollzogen wird.

Nachtrag vom 10. September: Inzwischen hat die Huffington Post die Überschriften und manche Textpassagen verändert, so dass die nachstehende Kritik mitunter nicht mehr anhand der verlinkten Texte, sondern anhand der nachstehend gebrachten Zitate verständlich ist.

 

I. Worin die Verleumdung besteht

Autor dieses Textes ist ein gewisser Lennart Pfahler, dem ich in den letzten Jahren die eine oder andere Frage zu innenpolitischen Themen schriftlich beantwortete. Die Verleumdung wird, wie das ein häufiger rhetorischer Kunstgriff ist, in Gestalt einer Frage vollzogen. Die stellt nun ihrerseits die Überschrift dar und lautet: „Verglich er Merkel und Goebbels?“ – wobei mit „er“ niemand anderes gemeint ist als ich. Für den Leser ist nach Zurkenntnisnahme der Überschrift also klar: Dieser Patzelt hat anscheinend eines der schlimmsten deutschen Tabus verletzt, nämlich eine heutige Person mit einem Nazi-Verbrecher gleichgesetzt!

Im Untertitel bzw. in den Anfangssätzen wird diese Verleumdung dann wie folgt ausgeschrieben:

  • Huffington Post: „Der Wissenschaftler steht in der Kritik, AfD-Positionen zu vertreten. Vor allem ein mutmaßlicher NS-Vergleich sorgt für Wirbel“.

Niederträchtig sind diese zwei Sätze, weil sie auf nichts weiter als auf bösartige Insinuationen hinauslaufen. Der letzte Satz begnügt sich mit Mutmaßungen zu keinem anderen Zweck, als anschließend etwas objektiv Nicht-Existentes wie als eine Tatsache ausgeben zu können. Obendrein erfindet dieser Satz eine Art „beglaubigenden Wirbel“ um etwas Nichts-Existentes. Jener „Wirbel“ ist in Wirklichkeit aber nicht mehr als eine Mikro-Hysterie in manchen Echokammern des Internet (dazu siehe eine Reihe von leicht auffindbaren Tweets des – unten auch noch zu erwähnenden – Bento-Autors Jan Petter).

Denn weder habe ich einen „Vergleich“ (gemeint ist eigentlich: eine „Gleichsetzung“) zwischen der Bundeskanzlerin Merkel und dem NS-Propagandaminister Goebbels vollzogen, noch konnte meine Ablehnung jeder derartigen Bezugnahme dem Autor entgangen sein, weil ich ihm – von Pfahler schriftlich danach gefragt – eben diese Ablehnung und in aller Klarheit ausdrücklich schriftlich mitgeteilt hatte.

Der erste Satz bildet den Auftakt dieser verleumderischen Sprachhandlung. Mittels des erneut angewandten Verfahren des verleumderischen Raunens wird, verkleidet als Mitteilung („X steht in Kritik“), nämlich nahegelegt, jene – wirklich geäußerte – Kritik treffe tatsächlich zu, wonach dieser Patzelt ein AfD-Propagandist wäre. Das ist aber völlig falsch, wie ein jeder Blick in meine vielen, bequem über https://wjpatzelt.de erreichbaren Texte zur AfD leicht zeigt. (Hinweis: Wäre es nicht erklärungsbedürftig, warum sich ein CDU-Mitglied wie ich als Propagandist des gefährlichsten Gegners der eigenen Partei hergeben sollte?)

  • Focus Online: „Politologe Patzelt erklärt seine Chemnitz-Theorie. … Doch nun könnte er es damit übertrieben haben“.

Mit „es“ ist gemeint, dass dieser Patzelt „in Talkshows … immer wieder seine Thesen zum Versagen der Union und dem Erstarken rechter Kräfte in Deutschland vertreten“ durfte. Diese Formulierung klingt so, als sei irgendetwas falsch daran, vom „Versagen der Union“ oder gar vom „Erstarken rechter Kräfte in Deutschland“ zu sprechen. Doch ganz eindeutig sind die rechten Kräfte in Deutschland in übler Weise erstarkt – und liegt die Schuld dafür ganz ohne Zweifel bei der Union. Doch offenbar geht es dem Autor, seinerseits kein Freund rechter Kräfte, nicht um irgendwelche Logik, sondern mit gewisser Vorfreude darum, durch seine Insinuationen jemanden um seinen Zugang zu Talkshows zu bringen, den er dort nicht gerne sehen will. Wohl deshalb formulierte er mit denunziatorischen Anführungsstrichen: „Patzelt ist als Mit-Initiator einer Petition aufgefallen, die Kanzlerin Angela Merkel dazu auffordert ihre “Behauptungen”, es habe eine “Hetzjagd” in Chemnitz gegeben, zu belegen“.

Verleumderisch ist ferner die Rede von Patzelts „Chemnitz-Theorie“. Wieder tut Pfahler so, als gäbe irgendetwas wie das Insinuierte. Und ganz tatsachenwidrig legt er im Folgenden nahe, diese „Theorie“ bestehe in der Behauptung, dass es in Chemnitz keinerlei rechtsradikale Übergriffe gegeben habe. Doch ganz im Gegenteil habe ich doch selbst alle bekannten Videos, die solche Übergriffe dokumentieren, in einem meiner Blogbeiträge zusammengestellt (https://wjpatzelt.de/2018/09/02/was-von-den-chemnitzer-hetzjagden-bleibt-samt-einigen-lehren/; siehe dort den Absatz „Freilich folgt daraus keineswegs …“). Obendrein habe ich dieser Zusammenstellung rechtsradikalen Nacheilens ausdrücklich angefügt: „Diese Fälle, selbst wenn wenige, verdienen keine Entschuldigung, sondern Kritik an den Verursachern“. Pfahler aber legt den Lesern nahe, meine Position sei genau das Gegenteil derer, die ich nachweislich vertrete.

Doch vernagelt oder böswillig nutzt Pfahler diese dreiste Verleumdung auch noch als Sprungbrett einer weiteren Verdrehung der Tatsachen. Denn er stellt meine Aufforderung an die Kanzlerin und ihren Regierungssprecher, die Widersprüche zwischen ihrer Darstellung der Chemnitzer Vorgänge und jener der dortigen Polizei und Staatsanwaltschaft aufzuklären, wie folgt dar: „Patzelt ist als Mit-Initiator einer Petition aufgefallen, die Kanzlerin Angela Merkel dazu auffordert ihre “Behauptungen”, es habe eine “Hetzjagd” in Chemnitz gegeben, zu belegen.“

In Wirklichkeit aber habe ich aber in meinem in so falscher Weise wiedergegebenen Aufruf geschrieben:

„Am 27. August 2018 hat Regierungssprecher Steffen Seibert die Ereignisse in Chemnitz mit den folgenden Worten kommentiert: „Solche Zusammenrottungen, Hetzjagden auf Menschen anderen Aussehens, anderer Herkunft, oder der Versuch, Hass auf den Straßen zu verbreiten, das nehmen wir nicht hin“. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat am Folgetag in einem Interview überdies erklärt: „Wir haben Videoaufnahmen darüber, dass es Hetzjagden gab, dass es Zusammenrottungen gab, dass es Hass auf der Straße gab, und das hat mit unserem Rechtsstaat nichts zu tun“. Bekanntlich waren diese Aussagen politisch folgenreich.

 Inzwischen aber erklären der Chefredakteur der „Freien Presse“ in Chemnitz, dessen Journalisten vor Ort waren, die sächsische Generalstaatsanwaltschaft sowie die sächsische Polizei, dass derlei Hetzjagden gar nicht stattgefunden haben.

 Also wäre es hilfreich zu wissen, wessen Aussagen denn stimmen. Am überzeugendsten wäre das geklärt, wenn die Bundeskanzlerin und der Regierungssprecher jene Videoaufnahmen über Chemnitzer Hetzjagden veröffentlichten, die ihnen nach eigener Aussage vorgelegen haben. Falls hingegen eine Veröffentlichung jener Videoaufnahmen unterbleibt, liegt die Vermutung nahe, dass die Bundeskanzlerin und der Regierungssprecher tatsachenwidrig von Hetzjagden gesprochen haben.“

 Weil man an einer solchen Bitte um Aufklärung eines Widerspruchs nur dann etwas aussetzen könnte, wenn man sie im Verhältnis zwischen einem Staatsbürger und seiner Regierung als ungehörig fände, wird die Skandalisierung denn auch über ein mich gar nicht betreffendes Nebenthema gesucht: „Was derweil für Diskussionen sorgt: Über der Petition ist ein Schaubild zu sehen, in dessen Hintergrund NS-Propagandaminister Joseph Goebbels zu sehen ist. Dazu eine Erklärung der “Lügenspirale”.

Korrekt ist: In der von ScienceFiles zu verantwortenden Präsentation meines Aufrufs wird als Hintergrundbild einer graphischen Darstellung der von ScienceFiles – nicht von mir – erstellten „Theorie der Lügenspirale“ ein Bild des Nazi-Propagandisten Goebbels verwendet. Dass Goebbels ein lügnerischer Verbrecher war, wird kein vernünftiger Mensch bestreiten. Und dass Goebbels mit der Berichterstattung über Chemnitz etwas zu tun hat, wird kein vernünftiger Mensch behaupten – und ich tue das schon gleich gar nicht. Vielmehr sage ich: Goebbels hat mit meinem Anliegen, Widersprüche zwischen regierungsamtlicher und polizeilich-staatsanwaltschaftlicher Darstellung der Chemnitzer Ereignisse aufzuklären, nicht das Mindeste zu tun! Und wäre mir dieses Hintergrundbild aufgefallen, bevor man mich empört darauf aufmerksam machte, hätte ich von vornherein auf seiner Entfernung bestanden. Wenn also überhaupt jemand Goebbels gleichsetzen sollte mit denen, welche für die Berichterstattung über die Chemnitzer Ereignisse verantwortlich wären, dann bin das ganz gewiss nicht ich, war ich das nie und werde ich das auch nie sein.

Gleichwohl insinuiert Lennart Pfahler genau das. Ob das wohl keine üble Nachrede ist?

 

Nachtrag vom 10. September: Inzwischen wurde Goebbels vom „Aufruf“ entfernt, weil es nämlich wirklich niemandem auf irgendeine Art von „Vergleich“ ankam und, wie mir versichert wurde, nur Gedanken- und Arglosigkeit zum skandalisierbaren Griff nach dem Bild eines Großpropagandisten führte. Fazit: Anscheinend verhält es sich mit entsprechender Kritik wie mit einer „milden Paranoia“, die überall Gespenster sieht, weil es sich nun einmal so gut anfühlt, gegen diese in den Kampf zu ziehen. Don Quijote lässt grüßen! 

 

 

II. Was wirklich der Fall war – nur für jene, die es wirklich genau wissen wollen

 Heute morgen – sonntags, 9. September – schrieb mir Lennart Pfahler eine Email mit einer Anfrage zum Hintergrund meiner Aufforderung an Kanzlerin und Regierungssprecher, die o.a. Widersprüche in den Feststellungen zu den Chemnitzer Ereignissen zu klären. Ich antwortete umgehend, was leicht möglich war, weil ich schon am Vortag eine entsprechende Anfrage des Bento-Journalisten Jan Petter mit einer Zusammenstellung der Fakten versehen hatte. Nachstehend folgt der Text für Pfahler:

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Sehr geehrter Herr Pfahler,

Vielen Dank für Ihre Anfrage. Hier der knappe Abriss der Ereignisse:

  • Am Donnerstag, 30. August, veröffentlichte ich auf meinem Blog wjpatzelt.de die Bitte, mir alle jeweils bekannten Videos über die Chemnitzer Ereignisse zu verlinken oder zuzumailen (https://wjpatzelt.de/2018/08/30/ein-deja-vu-buergerprotest-und-radikalengewalt/. Wie immer kündigte ich diesen Beitrag auch auf meiner – von gut 8500 Leuten abonnierten – Facebook-Seite an (https://www.facebook.com/WJPatzelt/), nämlich am gleichen Tag um 9:26. Nach reger Reaktionstätigkeit ergänzte ich dort um 11:17 jene Bitte noch einmal um den ausdrücklichen Aufruf, mir wirklich alle verfügbaren Hetzjagd-Videos mitzuteilen, ergänzt um den Hinweis, ich würde das mir alsbald verfügbare Videomaterial mit dem Tenor der Berichterstattung abgleichen und anschließend meine Schlussfolgerungen publik machen.
  •  Am Sonntag, 2. September, publizierte ich abends meine Befunde (https://wjpatzelt.de/2018/09/02/was-von-den-chemnitzer-hetzjagden-bleibt-samt-einigen-lehren/) und machte über meine FB-Seite um 23:07 darauf auch aufmerksam.
  •  Am nächsten Tag – Montag, 3. September – schickte mir Michael Klein von sciencefiles.org, der mit mir seit etlichen Jahren in losem Kontakt steht, eine Email mit der Frage, ob wir nicht hinsichtlich der dokumentierten Unterschiede zwischen dem Videomaterial zu „Chemnitz“ und den Aussagen von Regierungssprecher und Kanzlerin gemeinsam einen Aufruf machen sollten mit der Bitte, jene Unterschiede dadurch zu klären, dass Regierungssprecher und Kanzlerin jenes – womöglich zusätzliche – Videomaterial öffentlich zugänglich machten, auf das sie sich vielleicht bezogen hätten.
  •  Ich stimmte dem nach kurzer Bedenkzeit aufgrund der Überlegung zu, dass eine Aufklärung dieser Widersprüche – die ja bereits Gegenstand der öffentlichen Debatte waren – durchaus im öffentlichen Interesse wäre. Von Michael Klein erhielt ich daraufhin, wie von mir vorgeschlagen, einen ersten – und wie mir schien: allzu scharf formulierten – Textentwurf des Aufrufs. Den vor Augen, verfasste ich dann den kurze Zeit später publizierten, fast bis ins Detail endgültigen Text des Aufrufs. Der wurde dann umgehend von sciencefiles.org veröffentlicht (https://sciencefiles.org/2018/09/03/frau-bundeskanzler-bitte-belegen-sie-ihre-behauptungen-aufruf-von-sciencefiles-und-werner-j-patzelt/).
  •  Das Echo war bereits am Abend mit rund 1000 Unterschriften so groß, dass Michael Klein den Aufruf von der ursprünglichen Webseite verlagerte auf die jetzige, nämlich auf https://www.change.org/p/bundesregierung-frau-bundeskanzler-bitte-belegen-sie-ihre-behauptungen.
  •  Dort stand der Zähler am 8. September, 18:47, bei deutlich über 33.200 Unterschriften.
  •  Die Reaktionen des Regierungssprechers sowie der Kanzlerin auf die parallele, von den beiden offenbar zur Kenntnis genommene persönliche Anfrage des Focus-Journalisten Alexander Wendt habe ich am Mittwoch, 5. September, in zwei – ebenfalls auf Facebook angekündigten – Blogtexten kommentiert: https://wjpatzelt.de/2018/09/05/zur-regierungsamtlichen-deutung-von-hetzjagden/, https://wjpatzelt.de/2018/09/05/merkels-schlusswort-zu-chemnitz/
  •  Als bis dahin einziges Medium meldete sich am gleichen Tag – Mittwoch, 5. September – die „Junge Freiheit“ bei mir, bat um Aufklärung des Zusammenhangs und schickte zum Gegenlesen einen Meldungstext, der – nach leichten Veränderungen meinerseits – am gleichen Tag auf der der Online-Seite der JF publiziert wurde (https://jungefreiheit.de/politik/deutschland/2018/politikwissenschafler-patzelt-fordert-beweise-fuer-hetzjagd-vorwurf1/). Er lag einer späteren Anfrage von „bento“ zugrunde.

Tatsächlich hat sich bis heute außer Herrn Jan Petter von „bento“ sowie der „Jungen Freiheit“ kein Journalist in dieser Sache an mich gewendet, und es wurde – von „Nicht-Mainstream“-Medien sowie vom Neuen Deutschland abgesehen (siehe: https://www.journalistenwatch.com/2018/09/04/aufruf-sciencefiles-werner/; http://www.pi-news.net/2018/09/frau-bundeskanzler-bitte-belegen-sie-ihre-behauptungen/;  https://www.neues-deutschland.de/artikel/1099421.chemnitz-morphologie-der-jagdszene.html) – meines Wissens auch nirgendwo über diesen resonanzreichen Aufruf berichtet. Das ist etwas erstaunlich und vielleicht den Versuch einer Erklärung wert, weil doch eine sehr intensive öffentliche Debatte um die Tatsachennähe oder begriffliche Angemessenheit der Aussagen von Regierungssprecher und Kanzlerin zu „Chemnitz“ entbrannt ist.

Und weil ich beobachte, dass derzeit eine auf einige skandalisierende Hitze ausgehende Debatte darüber eröffnet wird, dass als Eingangsbild des o.a. Aufrufs auf  https://www.change.org/p/bundesregierung-frau-bundeskanzler-bitte-belegen-sie-ihre-behauptungen der obere Teil einer grafischen Darstellung der – am Beispiel der Chemnitz-Debatte konkretisierten – „Theorie der Lügenspirale“ verwendet wird, in deren Hintergrund der furchtbare Nazi-Reichspropagandaminister Goebbels abgebildet ist, nutze ich diese Gelegenheit auch noch zu den folgenden Klarstellungen:

  • Die „Theorie der Lügenspirale“ wurde von ScienceFiles entwickelt und grafisch ausgestaltet. An der Theorie und deren Umsetzung in durch Pfeile verbundene Kästchen können intellektuelle Debatten ansetzen. Zu skandalisieren gibt es aber an jener Theorie und dem sie darlegenden Kästchen/Pfeile-Diagramms nichts.
  •  Bei Anwendung dieser Theorie auf Propaganda im Nazi-Reich ist es sehr sinnvoll, diese Theorie mit einem Bild des Lügenministers Goebbels zu unterlegen. Bei anderen Anwendungsfällen ist das nicht sinnvoll. Dann nämlich kommen angesichts eines Goebbels-Bildes die meisten in erster Linie zur Vermutung, es sollten – aus gleich welchen Gründen zustande kommende – heutige Dynamiken irreleitender Öffentlichkeitsdynamik gleichgesetzt werden mit den üblen Propagandamaßnahmen von Goebbels.
  •  Im vorliegenden Fall wäre es deshalb gut, wenn die Verfasser der Grafik zur „Lügenspirale“ das Hintergrundbild von Goebbels entfernten, zumal es nur von der Diskussion um die jetzt zu erörternde Sache wegführt.
  •  Meinerseits muss ich zugeben, dass ich das Hintergrundbild von Goebbels erst dann entdeckt habe, als jemand mich vor kurzem – wohl per Email oder SMS – darauf aufmerksam machte. Grund ist, dass die ganze technische Abwicklung dieser Petition von ScienceFiles vollzogen wurde, während ich vom letzten Samstagabend bis zum vorgestrigen Freitag Lehrverpflichtungen auf einer Sommerschule in Anacapri hatte und mich nebenbei zwar mit dem Streit um die Faktizität von „Menschenjagden und Ausschreitungen“ in Chemnitz befasste, nicht aber mit der Ausgestaltung der Webseite für die  ganz nebenbei zustande gekommene „Petition“. Diesbezüglich interessierte mich allein die Zahl der jeweils erreichten Unterschriften.

 Und nun warte ich mit einiger Neugier ab, ob die Debatte sich in erster Linie am Goebbels-Bild oder am Auskunftsverhalten von Regierungssprecher und Kanzlerin entzünden wird.

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Etliche Zeit später erhielt ich von Herrn Pfahler eine Email, in welcher er zusammenfasste, was er von meinen o.a. Ausführungen verstanden zu haben glaubte. Ferner bat er mich um eine Auskunft darüber, ob ich das auf einem verlinkten Video Dargestellte als „Zusammenrottung“ bezeichnen würde. Auch regte er ein späteres Telefongespräch an. Weil mir aus seiner Zusammenfassung hervorzugehen schien, dass Herr Pfahler trotz meiner ausführlichen Dokumentation des Geschehenen zu einer meine Position verfehlenden Sichtweise gelangt war, antwortete ich ziemlich umgehend in der folgenden ausführlichen Email:

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Sehr geehrter Herr Pfahler, um präzis zu sein, mache ich nachstehend noch einige Anmerkungen als Inserts zu Ihrem Text [der findet sich nachstehend stets in Anführungsstrichen hinter den Ordnungsziffern 1 bis f]:

(1) „Im Kern beanstanden Sie die ersten Äußerungen von Merkel, bzw. Regierungssprecher Seibert, der von „Zusammenrottungen“ und einer „Hetzjagd“ sprach.“

** Ich beanstande diese Äußerungen nicht, sondern ich möchte einfach zwei Dinge wissen:

  • Erstens: Auf genau welche Videos bezogen sich Regierungssprecher und Kanzlerin; nur dann kann man nämlich wissen, ob die getätigten Aussagen mit den per Video dokumentierten Tatsachen übereinstimmen.
  • Und zweitens: Welche Vorgänge fallen für den Regierungssprecher und die Kanzlerin unter die Begriffe „Hetzjagd“ und „Zusammenrottung“; nur dann kann man nämlich nachvollziehen, ab welchem Grad an Provokations- bzw. Nacheileverhalten Regierungssprecher und Kanzlerin diese Begriffe zu verwenden empfehlen, also: Wie dramatische Ereignisse man sich vorzustellen hat, wenn von Chemnitzer Hetzjagden und Zusammenrottungen die Rede ist.

 (2) „Sie konnten beides auf Basis der Videos, die Sie gesehen haben, nicht erkennen.“ 

** Ich habe, ganz anders als von Ihrer Formulierung nahegelegt, sogar ausdrücklich sämtliche Videos, auf denen pöbelartiges Auftreten sowie Nacheileverhalten anderen gegenüber dokumentiert ist, in einem von mir zitierten Blog-Beitrag zusammengestellt sowie hinzugefügt, dass wohl mehr in Chemnitz geschehen ist, als per Video festgehalten wurde.

Der Punkt ist nur der, dass ich mir unter „Zusammenrottungen“ bislang keine Protestdemonstration mit aggressivem, durchaus auch unflätigem Verhalten vorgestellt habe, sondern eine Menschenmenge, die sich zum Zweck der Begehung von Straftaten zusammenfindet; und dass ich mir unter „Hetzjagd“ bislang Szenen vorgestellt habe, wo Leute Dutzende von Metern weit in einer als lebensbedrohlich zu empfindenden Weise vor den Verfolgern hergetrieben werden.

Ich bin gerne bereit, mein Sprachempfinden und meinen Sprachgebrauch zu verändern, falls ich gute Gründe dafür vorgelegt bekomme – und falls ich eine plausible Antwort auf die Frage erhalte, mit welchem Begriffen Regierungssprecher und Kanzlerin dann Menschenmengen zu bezeichnen vorschlagen, die sich zum Zweck der Begehung von Straftaten zusammenfinden, sowie Vorgänge, bei denen Leute über Dutzende von Metern in einer als lebensbedrohlich zu empfindenden Weise vor den Verfolgern hergetrieben werden.

 (3) „Der korrigierten Aussage der Bundesregierung, die Sie als „Merkels Schlusswort“ bezeichneten, stimmen Sie aber zu: „Mit dem, was sie da ausführte, hat die Kanzlerin völlig recht: Wir sahen Bilder von Hass und Verfolgung; davon muss man sich distanzieren; und tatsächlich ist mit einer solchen Distanzierung alles Nötige gesagt.““

** Ja, das hat die Kanzlerin ganz richtig gesagt. Doch sie hat zunächst über das Nötige hinaus auch noch gesagt, es habe nicht nur Hass, sondern auch Zusammenrottungen gegeben, und nicht nur Verfolgung, sondern auch Hetzjagden. Dies einst ebenfalls auszusprechen, war nur dann nötig, wenn es – in einem von Pressesprecher und Kanzlerin dann aber nachvollziehbar zu machenden Sinn – Zusammenrottungen und Hetzjagden gegeben hat.

Wenn nun Regierungssprecher und Kanzlerin von ihrer früheren Aussage abrücken wollten, es hätte – im bislang üblichen und ganz abscheulichen Sinn – in Chemnitz „Zusammenrottungen“ und „Hetzjagden“ gegeben, dann wäre es gut gewesen, das ausdrücklich zu tun. Doch indem sie diese Klarstellung eben aussparen, insinuieren Regierungssprecher und Kanzlerin, schon das Erkennenlassen von Hass stelle eine Zusammenrottung dar, und jede Verfolgung wäre eine Hetzjagd. Das kann man zwar so machen; doch dann wäre eben schön zu wissen, welche Wörter man fortan – der Klarheit willen – für jene schlimmen Vorkommnisse verwenden soll, die über „Zusammenrottungen“ und „Hetzjagden“ im von Regierungssprecher und Kanzlerin offenbar gemeinten eher unspektakulären Sinn hinausgehen.

 (4) „Die „Change.Org“-Petition stammt nicht aus Ihrer Feder und Sie sind mit der Bebilderung inklusive des Fotos von Goebbels so nicht einverstanden.“

** Doch, der Text der „Petition“ – für mich ist das keine „Bitte“, sondern eine „Aufforderung“ – stammt, wie beschrieben, sehr wohl von mir.

Nicht vom mir stammt hingegen die Grafik zur „Lügenspirale“, deren Hinterlegung durch ein Goebbels-Bild sowie die Verwendung von beidem auf der Seite von „Change.Org“. Beim ursprünglichen Aufruf auf ScienceFiles fehlte – meiner Erinnerung nach – hingegen die genannten Grafik samt hinterlegtem Goebbels-Bild.

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass die Bebilderung unseres Aufrufs durch ein Goebbels-Bild unangemessen ist. Wäre mir das vor Veröffentlichung des Aufrufs auf Change.Org aufgefallen, hätte ich darauf bestanden, dass kein Goebbels-Bild auftaucht.

 (5) „Mich würde noch interessieren, ob Sie dieses Video, das ich persönlich besonders schockierend fand, nicht als eine „Zuammenrottung“ bezeichnen würden:“

https://www.facebook.com/Rossweinwehrtsich1/videos/313350362756253/ 

** Ich sehe Leute, die anscheinend auf dem Weg zu oder auf dem Weg von einer Protestdemonstration sind, die in einer rohen Weise brüllen, aus denen sich einzelne Gruppen lösen und loslaufen, ohne dass ich einen sonderlichen Grund dafür erkennen könnte. Das alles ist grob, unkultiviert und von der Art, dass ich niemals Teil einer solchen Veranstaltung sein oder ihr begegnen möchte.

Wenn Sie das eine „Zusammenrottung“ nennen möchten, werde ich keine Sekunde auf Gegenargumente verwenden, sondern nur auf zwei Dinge aufmerksam machen:

  • Erstens: Wäre dann nicht der Großteil der Begleiterscheinungen überhaupt des Demonstrationsgeschehens in unserem Land als Zusammenrottung zu bezeichnen?
  • Und zweitens: Welches Wort schlagen Sie dann zur Verwendung vor, wenn sich ein wirklich entfesselter Mob zusammenfindet, um Fensterscheiben einzuschlagen, Pflastersteine zu werfen und Mülltonnen in Brand zu stecken?

 Sie sehen: Mir geht es ganz einfach um eine Verständigung über solche Begriffe, unter welchen sich dann ein jeder auch halbwegs Ähnliches vorstellt.

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Ein im Lauf des Nachmittags dann noch geführtes Telefongespräch kreiste im Wesentlichen um zwei Punkte:

  • Wäre es nicht eine Grenzüberschreitung von der Rolle eines Wissenschaftlers zu der eines politischen Akteurs, wenn ich in einer „Petition“ von der Kanzlerin und Regierungssprecher Auskünfte verlangte? – Meine Antwort: Aufgabe eines Wissenschaftlers wäre es, gerade in Lagen, die durch Widersprüche in mancherlei Berichten gekennzeichnet sind, sorgfältig herauszufinden, was wohl der Fall gewesen ist. Eben das war der Zweck meiner Blog-Beiträge zu den Chemnitzer Vorgängen. Die Anregung zu einer „Petition“ sei im Übrigen nicht von mir, sondern von ScienceFiles ausgegangen; und nach kurzem Überlegen hätte ich dieser Anregung deshalb zugestimmt, weil ich der Ansicht sei, es wäre im öffentlichen Interesse, die Widersprüche zwischen den Darstellungen von Regierungssprecher und Kanzlerin einerseits und Chemnitzer Polizei bzw. Staatsanwaltschaft andererseits zu klären.
  • Unterstützte ich nicht faktisch die AfD durch meine Klärungsversuche, und erwiese ich mich nicht dadurch als „ein Rechter“? – Meine Antwort: Mir sei es egal, wer von der Klärung der genannten Widersprüche profitiere; ich als Wissenschaftler wolle einfach wissen, was der Fall gewesen sei. Im Übrigen wäre ich Mitglied der CDU, also einer zur AfD gegnerischen Partei; und falls diese Partei „rechts“ sei, dann wäre ich eben „ein Rechter“.

 

Nachtrag vom 10. September: In Antwort auf meine gleich nach Veröffentlichung dieses Beitrags an den Verantwortlichen von ScienceFiles ergangene Bitte, das Bild von Goebbels wegen seiner offenkundigen Missverständlichkeit zu entfernen, erhielt ich heute eine Email, aus der ich die folgende Passage – mit unterstelltem Einverständnis des Autors – zur Herstellung völliger Klarheit zitiere: „Was Goebbels angeht, so habe ich darüber nicht wirklich nachgedacht. Als mir morgens gegen 4.15 Uhr klar geworden ist, dass unser Blog aus allen Fugen geht und meine Mailbox explodiert, wenn ich den Aufruf weiter über SF abwickle, habe ich mit Hochdruck daran gearbeitet, den Beitrag auf Change zu bekommen. Die wollen ein Bild, also haben Sie ein Bild bekommen. Die Lügenspirale, deren Hinweis auf Goebbels natürlich auf die Form und nicht den Inhalt der Manipulation Bezug nimmt, hat sich angeboten, also habe ich sie eingebaut. Ehrlich gesagt hätte ich zu dem Zeitpunkt nicht damit gerechnet, dass jemand daran Anstoß nehmen könnte oder gar auf die blödsinnige Idee kommen könnte, das wäre ein Vergleich mit Merkel. Ich tue mir nach wie vor schwer, die Gehirnwindungen von Kranken zu simulieren.“ – Damit sollte nun wirklich klar sein, dass die Imaginationen des Herrn Pfahler nichts weiter sind als dreiste üble Nachrede.

 

III. Bewertung

Wer das tatsächlich Geschehene sowie meine Bemühungen um eine Vermittlung des Vorgangs an die beiden Journalisten – Pfahler und Petters – mit dem vergleicht, was Pfahler (und – bislang – per Twitter Petters) aus dem Sachverhalt und aus meiner Person machten, wird hier ein an Dreistigkeit durchaus herausragendes Beispiel journalistischer Niedertracht erkennen.

Obendrein zeigt sich hier im Kleinen die im Großen erst recht bekannte Praxis, die Erörterung eines wenig erwünschten Themas durch die Skandalisierung eines alternativen Themas zu überlagern. Im Fall des Chemnitzer Totschlags an einem Deutschen geschah das durch die vorrangige Berichterstattung über rechtsradikales Fehlverhalten in Chemnitz – und im Fall des Versuchs, die Widersprüche in regierungsamtlichen und polizeilichen Lagefeststellungen aufzuklären, ist das der Versuch, mir einen „Vergleich zwischen Merkel und Goebbels“ anzuhängen. Letzteres ist schlicht verleumderisch, und ich erwäge geeignete rechtliche Schritte.

Doch am besten beende ich wohl diese kleine Fallstudie mit den Schlussbemerkungen meines oben schon zitierten Fazit-Artikels zu den Chemnitzer Ereignissen (https://wjpatzelt.de/2018/09/02/was-von-den-chemnitzer-hetzjagden-bleibt-samt-einigen-lehren/):

„Wenn eines Tages auch die Journalistenschaft wieder mehrheitlich ihre politisch-kulturell ins Gewicht fallende Hauptaufgabe weniger in der politischen Parteinahme sähe als vielmehr in umfassenden Faktenrecherchen, in sorgfältigen Beschreibungen von Wirkungszusammenhängen sowie in beispielhaft sorgfältigen Kommentierungen und Bewertungen des zutreffend vor Augen Geführten, dann wäre auch dadurch ein sehr wichtiger Beitrag zur Befriedung unserer Gesellschaft geleistet – und ebenso zur Rückkehr wechselseitig guten Willens in den seinerseits unverzichtbaren politischen Streit. Und am besten verlangt man das alles nicht einfach von anderen, sondern geht selbst mit gutem Beispiel voran – ein jeder in seinem eigenen Verantwortungsbereich!“

 

Bildquelle: https://www.google.de/search?q=patzelt+petition&tbm=isch&source=lnt&tbs=isz:l&sa=X&ved=0ahUKEwjVx9P4867dAhXC-aQKHX-2AMIQpwUIIA&biw=1920&bih=974&dpr=1#imgrc=yfSPJAaM1PCVrM:

 

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