Wie weiter mit der CDU (2021)?
ursprünglich erschienen bei Hallo Meinung unter dem folgenden Link: https://www.hallo-meinung.de/wie-weiter-mit-der-cdu/ und als Podcast unter https://youtu.be/JD2dYZD5bh4
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Die CDU hat ihren neuen Vorsitzenden gewählt. Endlich, denn ein Machtvakuum an ihrer Spitze tut keiner Partei gut. Zu bezweifeln ist allerdings, dass es wieder eine zwei Jahrzehnte überspannende Amtsdauer geben wird wie bei den Vorgängern Kohl und Merkel. Je nach den Wahlergebnissen dieses Jahres könnte es sogar auf die kurze Führungsfrist von Annegret Kramp-Karrenbauer hinauslaufen. Denn fortan sichert weder der innerparteiliche „Kampf gegen rechts“ den Zusammenhalt des Laschet-Lagers noch wird man sich dauerhaft auf sonderliche Dankbarkeit der Deutschen ob der Pandemie-Politik ihrer Kanzlerin verlassen können.
Zufrieden sind mit dem sehr knappen Wahlausgang jene, denen die sozialdemokratisierenden und vergrünenden Richtungsentscheidungen Angela Merkels gefallen haben. Vorsichtshalber funktionierte Jens Spahn auch noch unfair die Fragerunde zu einem Wahlaufruf zugunsten der eigenen Seilschaft um. Das passt zu den Befürchtungen von Friedrich Merz, die Parteiregie werde alles ihr Mögliche tun, um ihn als Vorsitzenden zu verhindern. Hingegen unzufrieden sind jetzt jene, die den seit Jahren nach links frontbegradigten Unions-Kurs als ursächlich dafür ansehen, dass die CDU vor der demoskopisch so regierungsnützlichen Corona-Pandemie gegenüber den Grünen so stark an Wählerzuspruch verloren hatte. Ebenso sind jene mit dem Ergebnis des CDU-Parteitags unzufrieden, nach deren Meinung gerade die Politik der langjährigen Vorsitzenden Merkel den politischen Freiraum für das Aufkommen der AfD als ärgster Unionskonkurrenz geschaffen hat. Sie hätten sich eine Richtungskorrektur gewünscht. Jetzt akzeptieren sie zwar ihre Niederlage, sind von der Weisheit der Delegiertenentscheidung aber nicht überzeugt.
Also ist Armin Laschet nur Vorsitzender auf Bewährung. Es gehört zu seinen vielen Herausforderungen, die Partei wieder zu einen. An gutem Willen und an schönen Versprechungen fehlt es dem neuen CDU-Chef zwar nicht. Doch das wird vielleicht nicht ausreichen, um den grundlegenden Richtungsstreit in der Union so beizulegen, dass weder innerparteilich noch bei großen Teilen der Wählerschaft eine Art „innere Kündigung“ gegenüber der Union um sich greift. Jedenfalls wollte den Vorsitzenden Laschet vor allem das Establishment der Union, doch viel weniger das Fußvolk. Auf dessen Zusammenhalt und Einsatzbereitschaft aber kommt es für die Breitenwirkung gerade einer solchen Partei an, die sich – anders als die Grünen – gerade nicht auf anhaltendes journalistisches Wohlwollen verlassen kann. Auch Laschet selbst wird nur solange ein Liebling der etablierten Medien sein, wie er Merkels Werk fortsetzt und auf die Konservativen in der CDU gerade nicht zugeht – und schon gleich gar nicht auf jene Teile der Wählerschaft, die klar rechts von der Mitte stehen.
Tatsächlich hat sich die CDU für die kommenden Jahre klar als eine Partei ausschließlich der politischen Mitte aufgestellt. Mitglieder und Wähler, die einen Mitte-Rechts-Kurs wünschen, hat die Union anscheinend abgeschrieben – und wenn schon nicht in dem, was ihre Anführer sagen, so doch gerade in dem, was diese an Politik durchsetzen. Und die Stimmen solcher Bürgerinnen und Bürger, die ihre Hoffnungen inzwischen in die AfD setzen, will die CDU gleich gar nicht mehr zurückhaben. Das hieße nämlich „Fischen am rechten Rand“ und gilt als Tabubruch. Tatsächlich wurden politische Auseinandersetzungen in allen Bewerbungsreden nur mit Grünen, Sozialdemokraten und Linken in Aussicht gestellt. Die Wählerschaft der AfD gehört offenbar nicht mehr zu jenem Volk, das die CDU lieber selbst vertreten als einer Konkurrenzpartei als deren Schwungmasse überlassen will. Das läuft darauf hinaus, dass man der AfD fortan einen gar nicht geringen Teil der Bevölkerung nachgerade reserviert. Auf diese Weise geht jene Selbstverstümmelung der Union weiter, die einst mit der Räumung eigener Positionen zugunsten der AfD begann. Grüne, Sozialdemokraten und Linke wird das freuen, die AfD auch. Doch wessen Nutzen – abgesehen von dem unseres Gemeinwesens – müsste ein CDU-Vorsitzender wohl vorrangig im Sinn haben?
Die kommenden Wahlkämpfe und Wahlergebnisse dürften der Union jedenfalls schmerzliche Lernerlebnisse bescheren. Erfahrungsgemäß hängt der Wahlerfolg einer Partei von ihrer Mobilisierungsfähigkeit ab. Doch was soll einen großen Teil der bisherigen CDU-Wählerschaft und die für den konkreten Wahlkampf benötigten Parteimitglieder eigentlich motivieren? Warnungen vor einer SPD-Regierung haben keine demoskopische Grundlage; ebenso wenig ist beim Blick auf die Umfragetrends bis auf weiteres ein grün-rot-rotes Bündnis abzuwehren. Mobilisierungsnützlich war zwar in Vor-Merkel-Zeiten das Zusammenwirken von Union und Liberalen. Doch ein solches Bündnis wird auch keine Bundestagsmehrheit erringen. Also kann die CDU keine liberalkonservative Mobilisierungswirkung erzielen, und zwar auch deshalb nicht, weil Konservative der CDU inzwischen nur noch so willkommen sind wie das Salatblatt auf der Wurstplatte.
Alle Zeichen stehen jetzt auf Schwarz-Grün – ganz gleich, wen die Union als Kanzlerkandidaten aufstellt. Genau diese Koalition will auch eine Mehrheit in der Union, nötigenfalls unter Beiziehung der FDP. Eine Mehrheit unter den Grünen wünscht sie ebenfalls – und zwar nicht zuletzt deshalb, weil in einer solchen Koalition die Grünen im Zusammenwirken mit sie sehr schätzenden Medien auf wirklich vielen Politikfeldern die Union vor sich hertreiben können. Rechnerisch wird es zu Schwarz-Grün, trotz vieler politischer Streitpunkte zwischen diesen Parteien, nach der kommenden Bundestagswahl jedenfalls keine politisch lebensfähige Alternative geben. Wie aber soll sich unter solchen Umständen die Wählerschaft der Union so mobilisieren lassen, dass der neue CDU-Vorsitzende keine Federn lassen muss?
Wem nämlich diese ganze Richtung nicht passt, der wird entweder zum Nichtwähler oder macht sein Kreuz bei der AfD – oder verhält sich wie viele Unions-Anhänger 1980 bei der Kanzlerkandidatur von Franz Josef Strauß: Er wählt die FDP als das kleinste Übel. Die FDP täte deshalb gut daran, in diesem Jahr um genau solche Stimmen zu werben. Die entsprechende Bankrotterklärung der CDU gab auf dem Parteitag übrigens Friedrich Merz ab: Es zeige sich in Hessen, dass eine wirklich starke CDU auch mit den Grünen gut regieren könne; hingegen wirke sich jede Stimme für die AfD zugunsten eines grün-rot-roten Bündnisses aus. Das heißt im Klartext: Nur noch an der Seite der Grünen lässt sich seitens der Union das Regieren fortsetzen; und also hat das Wahlvolk keine Richtungsentscheidung zu treffen, sondern nur noch das Stärkeverhältnis zwischen Schwarz und Grün zu dosieren.
Völlig klar ist nun auch die strategische Lage der AfD. Sie hat keinerlei Chancen, auf informelle Weise an Regierungsmacht beteiligt zu werden. Zugleich ist ein Tolerierungs- oder gar Regierungsbündnis zwischen der heutigen AfD und der Union reine Illusion. Eine Mandatsmehrheit der AfD in deutschen Parlamenten ist das erst recht. Also muss sich die AfD entweder in einem Sozial- und Meinungsmilieu einigeln, in dem sie immer hysterischer wird. Oder sie hat sich auf jenen Weg zu begeben, den vor ihr schon die Grünen höchst mühsam zurückgelegt haben: Sie verzichtet auf ein Selbstverständnis als Anti-Parteien-Partei oder als grundlegende Systemalternative, sondern bemüht sich um eine Aufnahme ins etablierte Parteiensystem. Dafür müsste sie freilich erst einmal ihre Bringschuld an Mäßigung im Ton und an Unanstößigkeit im Verhalten ihrer Mandatsträger sowie Mitglieder bezahlen. Schaffte sie das, wovon derzeit aber nicht auszugehen ist, dann wäre das die größtmögliche Strafe für eine Union, die zu Merkels und Laschets Zeiten beschlossen hat, niemanden rechts der politischen Mitte mehr vertreten zu wollen.