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Zur Lage des Kanzlers und seiner Regierung

Zur Lage des Kanzlers und seiner Regierung

Man kennt es von Kindern. Dass nämlich eines der Geschwister schuld war, wenn im Haushalt etwas zu Bruch ging. Oder dass es am Lehrer liegt, wenn eine schlechte Note auf die andere folgt. Kein Drandenken, dass meist schlechtes Benehmen oder falsche Vorlieben zu solchem Ungemach führen! Nicht nur in dieser Hinsicht kommt einem so manches Mitglied unserer Bundesregierung recht unerwachsen vor, gar noch politisch pubertierend. Also großmäulig die reale Lebensleistung von Erwachsenen an eigenen Phantasien messend, bockig bei eigenen Schwierigkeiten, nie verlegen bei noch so windigen Ausreden.

Warum Ampelregierung so geringes Ansehen hat? Weil sie von der Opposition nicht ausreichend unterstützt, sondern fies kritisiert wird. Weshalb die Energiepreise steigen? Weil Russland in der Ukraine Krieg führt – und das böse Bundesverfassungsgericht nun auch noch die Mittel zur subventionierenden Milderung der Folgen gestrichen hat. Warum trotz unserer fortschrittlichen, auf Respekt gegründeten Koalition der hierzulande Guten die AfD stärker wird? Weil die Union nicht richtig mitzieht beim Kampf gegen rechts. Weshalb der Regierung so wenig gelingt? Weil sie doch dauernd mit Krisen beschäftigt ist, für die sie gar nichts kann. Weder für Kriege, die Flüchtlinge nach Deutschland treiben, auch nicht für die Kämpfe zwischen Hamas und Israel, noch gar dafür, dass viele Leute im Land einen Beruf weder zu erlernen imstande sind noch ihn auszuüben Lust haben.

Der arme Kanzler Scholz samt seiner Regierung hat also mit multiplen Krisen zurechtzukommen. Wie unfair, dass ausgerechnet ihm das widerfahren muss! Was für ein Klacks waren doch die Finanzkrise und die russische Annexion von Krim samt Ostukraine, die einst Angela Merkel vor politischer Langeweile bewahrten. Oder der Irakkrieg zur Zeit von Gerhard Schröder samt der Notwendigkeit, Deutschlands Wirtschaft und Sozialstaat zu reformieren. Wie leicht zu handhaben waren doch zur Zeit von Helmut Kohl die europäischen Gestaltungsaufgaben nach dem Ende des Ost/West-Konflikts – oder die innenpolitischen Herausforderungen Helmut Schmidts beim RAF-Terror, die außenpolitischen angesichts der sowjetischen Aufrüstung mit Mittelstreckenraketen. Von der unbeschwerten Regierungszeit Konrad Adenauers sei ganz geschwiegen, als die Nazis besiegt waren, Deutschland ein Wirtschaftswunder erlebte und die USA eine weltordnende Friedensmacht waren!

Genug der Ironie und des Sarkasmus. Es ist schlimm genug, dass man beim Reden über Politik derzeit zu diesen Ausdrucksmitteln greifen muss. Beim Erarbeiten einer wirklichkeitsnahen Diagnose sowie zielführenden Therapie helfen nämlich sachliche Beschreibungen der Lage samt um Vernunft bemühte Argumenten nicht mehr viel, weil die meisten im Lande von vornherein zu wissen behaupten, was Sache und politisch korrekterweise zulässig wäre. Dann hält man es entweder für trivial oder umgekehrt für tatsachenwidrig, dass derzeit linksgrün-woke Illusionsblasen – von der Sicherheitspolitik über die Migrationspolitik bis hin zur Energiepolitik – an den rauhen Wänden politischer Wirklichkeit zerplatzen, und dass genau dies die Ampelregierung so schlecht aussehen lässt. Ebenso erachtet man es heute entweder für eine Binsenweisheit oder umgekehrt für ganz ausgeschlossen, dass die wichtigste Ursache für den Aufstieg der AfD kein Rechtsruck der Bevölkerung ist, sondern falsche und nun vor aller Augen scheiternde Politik.

Der Kanzler Schröder akzeptierte einst unter dem Eindruck anhaltender Niederlagen bei Landtagswahlen, dass die am Ende der Kanzlerschaft Helmut Kohls von ihm und Oskar Lafontaine bewirkte sozialpolitische Reformblockade seiner Partei zwar die Regierungsmacht beschert hatte, doch sachlich eben falsch war. Also machte er sich an die Reformen der Agenda 2010. Die stürzten zwar seine weiterhin ideologisch fixierte Partei in eine Krise und brachten ihn um das Kanzleramt, ermöglichten aber unserem Land – damals der „kranke Mann“ Europas – einen großen Aufschwung. Von dem profitierte die sozialdemokratisierte und vergrünte Kanzlerin Merkel solange, bis sie samt ihren Koalitionspartnern das ererbte Kapital aufgebraucht hatte.

Ein Kanzler von wenigstens Schröders Format würde jetzt eine „Agenda 2030“ ausarbeiten und deren Umsetzung politisch vorbereiten. Er würde im kommenden Jahr weitere, weithin erhoffte „Zeitenwende-Reden“ halten, nun zur Energiepolitik, zur Migrationspolitik und zur Sozialpolitik. Deren Themen wären die Erneuerung der Energiegewinnung aus Kernkraftwerken, die Unterbindung selbstermächtigter Zuwanderung samt Förderung der Integration wirklich benötigter Leistungsträger, obendrein das Werben für ein vor allem mit aufstiegsermöglichender Erwerbsarbeit verbrachtes Leben, bei dem auch zwei bis drei Kinder in die Welt gesetzt würden. Aus ihrem innenpolitischen Krisenmodus käme Scholzens Regierung auf diese Weise sehr wohl. Allerdings würden die Koalitionspartner in innerparteiliche Krisen gestürzt. Das wären sogar noch üblere Identitätskrisen, als sie die CDU erlitte, spräche ihre Führung Klartext darüber, wie gerade eine CDU-Kanzlerin die eigene Partei und Deutschland heruntergewirtschaftet hat. 

Helmut Schmidt und Gerhard Schröder besaßen den Mut, sich unter persönlichem Karriererisiko auf solche innerparteilichen Krisen einzulassen, wann immer diese um des Gemeinwohls willen nicht zu vermeiden waren. Aber wir haben nun einmal Olaf Scholz. Der versteht sich gut aufs Drechseln von Leerformeln und aufs Beschweigen dort, wo tragfähige Substanz nun einmal fehlt. Er umgibt sich auch, leider ganz zeitgemäß, nicht mit möglichst starken Leuten, sondern mit jenem gendergerecht zusammengestellten Personal, das sehr unzulänglich gewordene Rekrutierungs- und Sozialisationsmuster derzeit eben anliefern. Obendrein pflegt Scholz auch systematisch-dynamisch zu verdrängen oder gar zu vergessen, was ihm jeweils nicht in den Kram passt – wie etwa das, was wohl wirklich zu seiner Hamburger Regierungszeit in Sachen Cum-Ex-Geschäfte samt deren steuerlicher Behandlung ablief. Das alles abrundend, greift er zum politischen Kitsch, wenn auf der Faktenebene die Traute zum Erkennen, Benennen und Handeln fehlt. Dafür sind nämlich „Unterhaken“ und „You‘ll never walk alone“ kein wirklicher Ersatz. Anders als bei seiner Außenministerin kann man das nicht als politisches Pubertieren, anders als bei seinem Vizekanzler nicht als Schwierigkeiten beim politischen Erwachsenwerden abtun. Denn beim ins Rentenalter gelangten Scholz liegt ein politischer Habitus vor, der jahrzehntelang durch die Pathologien unseres oft sehr unsachgemäß gehandhabten politischen Betriebs geprägt wurde. 

Auch persönliches Bildungsversagen geht ja mitunter nicht auf individuelle Fehler von Schülern zurück, sondern auf fehlfunktionierende Schul- und Sozialstrukturen. Und Streit unter Geschwistern wird oft durch ein elternseitig verdorbenes Familienklima verursacht. Seien wir deshalb strenger mit den systematischen Fehlern unserer politischen Praxis als mit den persönlichen Fehlern derer, die in sie eingespannt sind. Und bemühen wir uns im neuen Jahr, nicht nur Deutschlands Systemschwächen besser als bislang zu begreifen, sondern auch unseren eigenen Teil zur Abhilfe beizutragen, nämlich mit unseren Stimmen beim politischen Diskurs und in der Wahlkabine, sowie durch eigenes Vorbild im persönlichen Nahbereich. 

am 1. Januar 2024 Original erschienen auf NIUS (https://www.nius.de/analyse/die-montags-analyse-von-patzelt-auch-2024-wird-fuer-scholz-ein-jahr-zum-vergessen/bf06227d-4a8b-4c5a-9cea-8da5d2606e1a).

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