Klose / Patzelt: Institut für gesellschaftlichen Zusammenhalt

Klose / Patzelt: Institut für gesellschaftlichen Zusammenhalt

Hinweis: Beim nachstehenden Text handelt es sich um den – angeblich nie gestellten – Antrag von Dr. Joachim Klose und mir zur Errichtung eines „Instituts für gesellschaftlichen Zusammenhalt“ vom Frühjahr 2018. Siehe zum Gesamtvorgang auch den folgenden Beitrag auf diesem Blog:

Interessenbekundung

für die Errichtung des „Instituts für gesellschaftlichen Zusammenhalt“ sowie für die Durchführung von Forschungs- und Praxisvorhaben an diesem Institut

antragstellende Institution:

Hochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege des Freistaats Sachsen, Meißen 

Antragsteller (in alphabetischer Reihenfolge; hauptverantwortliche Person unterstrichen): 

  • Dr. Joachim Klose, Vorstand „Zentrum für gesellschaftlichen Zusammenhalt und Integration e.V.“
  • Prof. Dr. Werner J. Patzelt, Institut für Politikwissenschaft, Technische Universität Dresden 

I. Die Herausforderung

Deutschland verändert sich. Einesteils verdankt sich das technologischem Wandel und veränderten wirtschafts- und energiepolitischen Zielsetzungen. Andernteils ist wegen des langjährigen Geburtenrückgangs aus einer sich selbst reproduzierenden Gesellschaft eine Bevölkerung geworden, welche die für ihr Wohlergehen nötige Arbeitskraft und Innovationsfähigkeit unter anderem durch Zuwanderung sichern muss. Insgesamt wird aus einem Land mit einem ethnisch oder kulturell halbwegs klar zu umreißenden Volk ein Staat geworden, in dem eine multiethnische und multikulturelle Bevölkerung lebt. Zur Gesellschaft wird sie zusammengehalten durch Sprache, politische Ordnung und Teilhabe am gemeinsamen Wohlstand. Allerdings haben die neuen Bundesländer von den alten Bundesländern deutlich abweichende Migrations- und Transformationserfahrungen. Das hat sehr besondere, politisch folgenreiche Reaktionen auf diesen Wandel entstehen lassen. 

Außerdem führt die Innovations- und Wandlungsgeschwindigkeit moderner Gesellschaften vielfach zu einer gesellschaftlichen Teilung entlang von – auch sprachlich bedingten – Bildungschancen. In einer multiethnischen Gesellschaft bewirkt das leicht eine Verbindung von Bildungs- und Wohlstandsspannungen mit ethnisch-kulturellen Konfliktlinien. Zudem ist aus einer Bevölkerung, in der Ideologie vor allem im Rahmen pluralistischer Parteienkonkurrenz eine Rolle spielte, und in der Religion entweder mit der politischen Ordnung gut vereinbar oder eine politisch nicht ins Gewicht fallende Privatsache war, eine Gesellschaft geworden, in der neu zum Land gehörende Religionen auch politische Brisanz entfalten können. 

Unter solchen veränderten Sozialumständen und sie überwölbenden Transzendenzvorstellungen schwächt zusammenhaltender Gemeinsinn sich leicht ab. Tatsächlich ist aus unserem Gemeinwesen, das sich seiner demokratischen Legitimität und Integrationskraft sicher war, eine politische Ordnung geworden, aus der sich ein Teil des Volks zunächst durch Politikverdrossenheit und Wahlabstinenz zurückgezogen hat, und gegen die nun seit einigen Jahren gar nicht wenige mit populistischem, teils radikalem, teils extremistischem Protestverhalten vorgehen. Sie sehen nämlich Deutschlands bislang staatstragende Parteien nicht länger als die zentralen Instrumente politischer Teilhabe oder als plausible Repräsentanten der realen Meinungs- und Interessenverteilung im Volk an. Ähnliches Misstrauen gegenüber etablierten Massenmedien führt obendrein zu Zerfallsprozessen der politischen Öffentlichkeit. In der politischen Sozio- und Deutungskultur wird das als Polarisierung fassbar, die in den letzten Jahren – in erheblicher regionaler und sozialräumlicher Differenzierung – erhebliche Dynamik entfaltet hat.

Das alles nimmt die Gesellschaftswissenschaften in die Pflicht, tatsachengetreue Analysen des sich sowohl real als auch deutungskulturell Ereignenden durchzuführen sowie problemlösende Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Deshalb bemühten sich die beiden Antragsteller schon seit dem Herbst 2014, an der Technischen Universität Dresden ein „Institut für gesellschaftlichen Zusammenhalt und Integration“ anzusiedeln. Nachdem Es wäre schön, wenn sich dieses Ziel mit dem vorliegenden Antrag erreichen ließe. 

II. Was ist „Gesellschaftlicher Zusammenhalt“?

Ein gewisses Maß an gesellschaftlichem Zusammenhalt und verlässlicher wechselseitiger Solidarität („Gemeinsinn“) scheint die Voraussetzung für das Fehlen von gewalttätigen Konflikten zu sein. Erst Letzteres aber ermöglicht den Aufbau einer politischen Ordnung, in deren Rahmen Rechts- und Sozialstaatlichkeit, Gewaltenteilung, Pluralismus und Demokratie praktiziert werden können. Genau diese freiheitssichernden Möglichkeiten machen gesellschaftlichen Zusammenhalt nicht nur funktional, sondern auch normativ wünschenswert. 

Allerdings darf man die Erwartungen an den gesellschaftlichen Zusammenhalt nicht zu hoch ansetzen. Eine pluralistische Demokratie setzt nämlich auf Vielfalt und Streit, und zwar nicht im Sinn eines hinzunehmenden Übels, sondern als wünschenswertes Mittel politischen Lernens, als Königsweg der Anpassung an neue Herausforderungen, sowie als Ressource solchen gesellschaftlichen Zusammenhalts, der sich nicht aufgezwungener Homogenität verdankt, sondern wechselseitig gut ertragener Heterogenität. Die Grundfrage lautet deshalb: Wieviel und welche Art von Zusammenhalt braucht eine pluralistische Demokratie wie die unsere, um gesellschaftlichen Fliehkräften entgegenzuwirken, die Gesellschaft stabil zu halten, sowie Offenheit für Kreatives und Neues wider alle Neigung zur bloßen Aufrechterhaltung des status quo nachhaltig zuzulassen? 

Ein so in einen größeren Systemzusammenhang eingebettetes, dann auch empirisch forschungsleitendes und obendrein normativ Praxisnutzen bezweckendes Leitkonzept „gesellschaftlichen Zusammenhalts“ verlangt natürlich nach einer präzisen Operationalisierung. Sie lässt sich in den folgenden drei Dimensionen des Leitkonzepts leisten:

  • Kohäsionsdimension von gesellschaftlichem Zusammenhalt:
  • sozioökonomische Kohäsion, erfassbar u.a. über die – auch räumlich vergleichende – Sozial- und Armutsstatistik;
  • soziokulturelle Kohäsion, nämlich wechselseitig verbindende, dabei das Hier-und-Jetzt transzendierende Selbst- und/oder Zukunftskonzepte, sowie die mit ihnen einhergehenden Solidaritätsbereitschaften und deren räumliche sowie inhaltliche Grenzen. Daten über dies alles sind auffindbar u.a. in Diskursen um Beheimatung und deren Wandel, um das Pro und Contra von (Verfassungs-) Patriotismus, um Geschichtsbilder, um ethische und/oder alltagspraktische Prinzipien sowie um speziell religiöse Transzendenzvorstellungen;
  • kommunikative Kohäsion, erfassbar u.a. über – auch räumlich verglichenes – Medienvertrauen, Mediennutzungsverhalten und an den Tag gelegtes kommunikatives Handeln.

  • Prozessdimension von gesellschaftlichem Zusammenhalt:

Hier geht es um die Geltung und Art der praktischen Nutzung von kulturellen, gesellschaftlichen sowie politischen Spielregeln, und zwar einesteils für Aushandlungs- und Konfliktdurchführungsprozesse, andernteils für Sozialisations- und soziale Kontrollprozesse, desgleichen um deren Einbettung in soziokulturelle Gemeinsinns- und Transzendenzvorstellungen.    

  • Exklusionsdimension von gesellschaftlichem Zusammenhalt:
  • Selbstexklusion: Hier geht es um den Umfang und um die Selbstorganisation von Bevölkerungsgruppen, die sich – etwa aufgrund von Veränderungs- und vieldimensionalen Entheimatungsprozessen – gesellschaftlich ausgegrenzt fühlen, und/oder die dem politischen System bzw. dessen Repräsentanten (deshalb) sozusagen „innerlich gekündigt“ haben. 
  • Fremdexklusion: Hier geht es um jene Inhalte und Praxen (sowie um die Trägergruppen beider), entlang welcher durch die – weit über bloße Polarisierung hinausgehende – Exklusion von anderen als „Fremden“ oder gar „Feinden“ Eigenidentität gestiftet und Zusammenhalt gerade durch Abwehrverhalten geschaffen wird.

Indikatoren für diesbezügliche praktische – und deshalb auch analytisch wichtige – Herausforderungen wären u.a. die Entstehung von (Selbst-)Ausgrenzungsdiskursen und/oder konkludenten (Selbst-)Ausgrenzungspraxen, einschließlich von Diskursen und Praxen der (Selbst-)Viktimisierung; zumal symbolisch markierte Abgrenzungen von Lebenswelten, Soziallagen und Kulturgruppen; sowie das Aufkommen von Repräsentationslücken und Protestbewegungen. 

Bei der Ausarbeitung des gesamten Arbeitsprogramms des Instituts sowie bei der Koordination der Forschungs- und Beratungstätigkeit im gesamten Forschungskonsortium wird darauf geachtet, dass alle vom Mittelgeber vorgegebenen Forschungsfelder in diesem – oder einem funktional äquivalenten – analytischen Raum verortet und anschließend mit besonderer Sensibilität hinsichtlich folgender Fragen untersucht werden: 

  • Wo und warum gibt es welche Diskrepanzen zwischen Problemwahrnehmungen bzw. Situationsdefinitionen einerseits und realen Problemlagen andererseits? 
  • Welche Konsequenzen haben die erkannten und verstandenen bzw. erklärten Phänomene bei wem für die Schaffung, Aufrechterhaltung oder Gefährdung gesellschaftlichen Zusammenhalts? 
  • Wie wirken sich die ausfindig gemachten Sachverhalte bzw. Zusammenhänge auf die Legitimitätslage des politischen Systems und seine Akteure aus?

III. Die Zielsetzung des Instituts und deren strukturelle Umsetzung

Gemäß den Vorgaben des BMBF gilt es, ein dezentrales, an unterschiedlichen Standorten Deutschlands angesiedeltes, aus einer Verbundstruktur von bis zu zehn Institutionen bestehendes Institut zu errichten und es zur erfolgreichen, dank positiver Evaluation über die erste Hauptphase hinaus verlängerten Arbeit zu bringen. Die besonderen Herausforderungen sind:

  • Es ist ein sehr breites Themenfeld interdisziplinär zu untersuchen, nämlich im Grunde alle aktuellen, für den gesellschaftlichen Zusammenhalt relevanten Entwicklungen samt ihren historischen Wurzeln, darunter vor allem neue soziale Umbrüche, sich umschichtende Zugehörigkeiten und Identitäten, der Wandel öffentlicher Meinungsbildung, das sich verändernde Verhältnis von Staat und (Zivil-)Gesellschaft, die heutigen Wechselbeziehungen von Freiheit und Sicherheit, sowie die Ambivalenzen der Globalisierung.
  • Es sind bei alledem die Themenfelder negativer Globalisierungsfolgen wie Flucht und Migration samt den hieraus resultierenden Integrationsherausforderungen zwar nicht in den Mittelpunkt zu stellen, doch als – wohl für längere Zeit wichtige – Aspekte unserer gesellschaftlichen Entwicklung zu betrachten und, soweit erforderlich, im Rahmen der oben angeführten Themenschwerpunkte integrativ als Basis zu bearbeiten.
  • Das alles ist in theoretisch wie methodisch pluralen Forschungszugängen zu untersuchen. Dabei sind – neben zwingender Beteiligung von Soziologie, Politikwissenschaft, Wirtschaftswissenschaft und Rechtswissenschaft – möglichst auch Verwaltungs- und Kommunalwissenschaft einzubeziehen, ebenfalls historische Wissenschaften, die Sozialpsychologie und die Raum-, Regional- sowie Kulturwissenschaften. Obendrein dürften auch religionswissenschaftliche Studien und philosophische Reflexionen der jeweiligen Forschungsbefunde hilfreich sein, um ebenfalls die jeweils handlungsmotivierenden Transzendenzkontexte zu untersuchen.
  • Es ist ferner innerdeutsch, europäisch und international vergleichend vorzugehen, weil nur so das je kulturell Besondere vom funktionslogisch Allgemeinen zu unterscheiden ist.
  • Das auf allen jenen Arbeitsgebieten bereits vorhandene Wissen, insbesondere jenes zu problematischen Aspekten gesellschaftlichen Zusammenhalts, ist zur Generierung eines auch institutsübergreifenden analytischen Mehrwerts zusammenzuführen und teils nach theoretischen, teils nach praktischen Erfordernissen weiterzuentwickeln.
  • Außerdem sind Kooperationsbeziehungen mit der Zivilgesellschaft, mit der politisch-administrativen Praxis, mit den Kommunen als den konkreten Orten gesellschaftlichen Zusammenhalts sowie mit Trägern politischer Bildung aufzubauen und nutzbar zu halten. Nur so lässt sich die wissenschaftliche Arbeit des Instituts systematisch in den Dienst der gesellschaftlichen Praxis stellen.
  • Obendrein sind die Erträge eines solchen Zusammenwirkens von „theoria cum praxi“ in praxisnützliche Maßnahmen der Politik- und Gesellschaftsberatung sowie der Präsenz in öffentlichen Diskursen umzusetzen.

Ein so vielfältiger und vielschichtiger Forschungs- und öffentlicher Wirkungsauftrag lässt sich nur durch eine gut koordinierte Arbeitsteilung zwischen sowohl leistungsfähigen als auch kooperationswilligen Partnerinstitutionen erfüllen. Deren Auswahl obliegt dem BMBF, während die Ausgestaltung der Schnittstellen sowie die Schaffung von Synergieeffekten innerhalb des entstehenden Forschungsverbundes eine Kernaufgabe der Beteiligten ist. Doch vor allem gilt es der Gefahr entgegenzuwirken, dass die im dezentralen Institut kooperierenden Institutionen zentrifugale Tendenzen entwickeln und nur additive, nicht auf analytische Synthese ausgehende Forschung zustande bringen. Letzteres liegt nahe, weil zu den Förderungszielen des BMBF auch ausdrücklich die Stärkung der jeweiligen universitären Forschungslandschaft gehört. 

Um also keinen „bundesweiten Sonderforschungsbereich“ mit loser Kooperation entstehen zu lassen, sondern eine sowohl integrativ arbeitende und sowohl wissenschaftlich als auch öffentlich klar profilierte Forschungseinrichtung zu schaffen, braucht gerade ein dezentrales Institut eine integrationsstarke Governance-Struktur. Folgendes Konzept kann vielleicht als eine Grundlage entsprechender Beratungen dienen:

  • Jede der am dezentralen Institut zusammenwirkenden Institutionen ist für ein bestimmtes, bei der Errichtung des Projektverbunds vereinbartes Segment des gesamten Forschungsprogramms zuständig. Je nach den Interessenbekundungen und der Auswahl durch das BMBF werden sozial-, geistes- und politikwissenschaftlich, wirtschafts-, raum-, rechts- und verwaltungswissenschaftlich, geschichts- und kulturwissenschaftlich profilierte Institutionen zusammenwirken; und sie werden sich in ihrer Schwerpunktsetzung und individuellen Themenkonfiguration jeweils eher auf (neue und alte) soziale Umbrüche, auf (problematisierte) Zugehörigkeiten und Identitäten, auf Prozesse öffentlicher Meinungsbildung, auf das Verhältnis von Staat und (Zivil-) Gesellschaft, auf die Wechselwirkungen von Freiheit und Sicherheit oder auf die gesellschaftlichen Ambivalenzen der Globalisierung einlassen. Eine sowohl von den jeweiligen partikularen Forschungs- und Strukturinteressen geleitete als auch der überwölbenden Zweckbestimmung des Instituts dienliche thematische Arbeitsteilung muss während der einjährigen Vorphase ausgehandelt werden. Während dieser wird auch klarwerden, wer die konkreten Projektverantwortlichen der zusammenwirkenden Institutionen sind.  
  • Die an den zusammenwirkenden Institutionen jeweils Projektverantwortlichen bilden gemeinsam den Vorstanddes Instituts. Dieser entwickelt und beschließt das Arbeitsprogramm, den Finanzplan sowie die Geschäftsordnung des Instituts und nimmt alle das Institut betreffenden Weichenstellungen für die Forschungsarbeit und die öffentliche Wirksamkeit des Instituts vor. Der Vorstand wählt die Geschäftsführer („Direktoren“) des Instituts und deren Stellvertreter; ihm sind diese auch verantwortlich.
  • Auf der Grundlage des gemeinsamen Arbeitsprogramms des Instituts führen die zusammenwirkenden Institutionen unter Leitung der jeweiligen Projektverantwortlichen die von ihnen durchzuführenden Arbeiten eigenverantwortlich aus. Sie können die von ihnen übernommenen Forschungsaufgaben auch durch Aufbau lokaler bzw. regionaler Konsortialstrukturen erfüllen. Etwa kann an einer Universität das dort angesiedelte Teilsegment des bundesweiten Gesamtvorhabens durch einen Verbund kooperierender Professuren oder Universitätsinstitute bearbeitet werden. Ebenso können  weitere Hochschulen oder Forschungseinrichtungen Partner oder Teil eines solchen Partnerverbunds werden. 
  • Auf regelmäßigen Arbeitskonferenzen des Instituts stellen die dezentralen Projektverantwortlichen die Forschungsansätze, konkreten Arbeitsprogramme und Ergebnisse der von ihnen geleiteten Partnerverbünde zur Diskussion. Stets wirken die Projektverantwortlichen darauf hin, dass die Schnittstellenkompatibilität aller Forschungsarbeiten gesichert ist und Synergieeffekte entstehen können.
  • Die Koordinierungsstelle des dezentralen Instituts wird, auch als rechtlicher Sitz des Instituts, an oder im Umfeld der TU Dresden eingerichtet. Von ihr aus wird auf eine arbeitsteilige und synergetische Forschungs-, Tagungs-, Publikations- und Beratungstätigkeit des gesamten Instituts hingewirkt.
  • Gemäß dem Ausschreibungstext soll das Institut eine Doppelaufgabe erfüllen: einesteils geht es um Forschung, andernteils um die Pflege von Kooperationsbeziehungen mit Zivilgesellschaft, politisch-administrativer Praxis und politischen Bildungsträgern, samt Maßnahmen der konkreten Politik- und Gesellschaftsberatung. Um diese Doppelaufgabe wirkungsvoll erfüllen zu können, sind zwei Geschäftsführer („Direktoren“) des Instituts vorzusehen: ein „Direktor für Forschung“ und ein „Direktor für Kooperation und Praxisberatung“. Beide gemeinsam leiten und vertreten in einer von der Geschäftsordnung vorzusehenden Weise das Institut. 
  • Ein zusätzlicher Verwaltungsleiter widmet sich, mit dem dafür nötigen Personal, allen administrativen und organisatorischen Aufgaben des Instituts. Dazu gehört auch die Errichtung und Unterhaltung eines Datenbanksystems, in dem die zusammenwirkenden Institutionen nicht nur die von ihnen erarbeiteten Forschungspapiere, Konferenzberichte und Publikationen, sondern auch das von ihnen durchgearbeitete Datenmaterial für den Zugriff aller Institutsmitglieder sowie – zumindest in Teilen – der Öffentlichkeit in leicht auffindbarer Weise verfügbar machen.
  • Synergieeffekte zwischen den zusammenwirkenden Institutionen werden dadurch sichergestellt, und möglichen Zentrifugalkräften des Forschungsverbundes wird dadurch verlässlich entgegengewirkt, dass an der Koordinierungsstelle „Spiegel-Mitarbeiter“ zu den während der Vorphase vereinbarten Arbeitsbereichen der zusammenwirkenden Institutionen bzw. Partnerverbünde tätig sind. Je nach der vereinbarten Arbeitsteilung kann es sich insbesondere handeln um je einen oder um mehrere wissenschaftliche Mitarbeiter …
  • mit jeweils einem der folgenden Arbeitsgebiete: neue und alte soziale Umbrücheneue und alte Zugehörigkeiten und Identitätenneue und alte Prozesse öffentlicher Meinungsbildung; institutsrelevanteAspekte des Verhältnisses von Staat und (Zivil-) Gesellschaft; institutsrelevante Aspekte des Verhältnisses von Freiheit und Sicherheit; institutsrelevante Aspekte der Globalisierung. Solchermaßen lässt sich sicherstellen, dass genau auf den vom Mittelgeber gewünschten Themenschwerpunkten auch aus ansonsten heterogenen Forschungen der zusammenwirkenden Institutionen Synergieeffekte entstehen.
  • mit jeweils einer der folgenden fachlichen Spezialisierungen: Soziologie (v.a. gesellschaftlicher Wandel, Desintegrationsprozesse …), Politikwissenschaft (v.a. Partizipation und Repräsentation, Legitimitätslage …), Verwaltungs- und Kommunalwissenschaft (v.a. konkretes staatliches Agieren zur Sicherung gesellschaftlichen Zusammenhalts vor Ort), Wirtschaftswissenschaft (v.a. ökonomische Auswirkungen der Globalisierung auf die deutsche Gesellschaft, Finanzierungsherausforderungen von Sozialstaat und Einwanderungsgesellschaft …), Rechtswissenschaft (v.a. rechtliche Grundlagen, Herausforderungen und Ausgestaltungsmöglichkeiten unserer sich im europäischen und globalen Rahmen diversifizierenden Gesellschaft), Sozialpsychologie (v.a. psychische Grundlagen von Inklusion und Exklusion, der sozialen Konstruktion von Identität und Alterität …), Kulturwissenschaft (v.a. „Kulturanthropologie der eigenen Gesellschaft“), Regional- und Raumwissenschaft (v.a. zu den konkreten räumlich-soziokulturellen Erscheinungsweisen all dessen, etwa anhand von vergleichenden Fallstudien zu Metropolen und Peripheriegebieten), Religionswissenschaft (v.a. Religion und Gesellschaft in christlicher und islamischer Perspektive, Umgang mit und Bindung von Gewalt, Sinnstiftung über inner- und außerweltliche Transzendenzbehauptungen), Philosophie (v.a. Reflexion auf die anthropologische Bedeutung von Identität und Beheimatung), sowie Geschichtswissenschaft (v.a. für institutsrelevante Längsschnittanalysen von sozialen Umbrüchen, Repräsentations- und Partizipationsveränderungen, gesellschaftsprägenden rechtlichen Ordnungen, wirtschaftlichen Gelegenheitsstrukturen sowie (Über-) Nutzungsprozessen, und von kulturellen Konstruktionen wie „wir“ und „die anderen“). 

Diese „Spiegel-Mitarbeiter“ unterstehen dienstrechtlich dem „Direktor für Forschung“, werden aber in einem gemeinsamen Besetzungsverfahren mit den Projektverantwortlichen jener Partnerinstitutionen ausgewählt, deren Forschungstätigkeit vom jeweiligen Mitarbeiter an der Koordinierungsstelle in besonderer Weise „gespiegelt“ wird. Es ist die Aufgabe des „Direktors für Forschung“, mittels dieser „Spiegel-Mitarbeiter“ – und somit über die Absprachen im Institutsvorstand sowie auf gemeinsamen Arbeitstagungen hinaus – die inhaltliche Kohäsion der Forschungsarbeiten zu gewährleisten sowie das im Forschungsverbund erarbeitete Wissen zusammenzuführen und praktisch nutzbar zu machen. 

  • Dem „Direktor für Kooperation und Praxisberatung“ untersteht das erforderliche Personal für seine im nächsten Abschnitt umrissenen Aufgaben bei den fallübergreifenden Fokusgruppen, bei der „kommunalpolitischen Task Force“, beim Wissenschaftskolleg, bei den Sommerschulen sowie bei der systematischen Vernetzungstätigkeit

Die Antragsteller sehen ihre Rolle im geplanten Forschungsverbund im Aufbau und in der Leitung der Koordinierungsstelle; in der Durchführung eines besonderen, im übernächsten Abschnitt zu umreißenden Forschungsvorhabens; und im Aufbau der für Kooperation und Praxisberatung erforderlichen Netzwerkstruktur sowie in der Organisation der das Zusammenwirken mit politisch-administrativen Praktikern sicherstellenden Tagungstätigkeit.

IV. Vernetzung, Kooperation, Praxisberatung und politische Bildung

1. Die „Zweite Säule“ des Instituts

Das aufzubauende Institut soll nicht nur ein Forschungsinstitut sein, sondern – gesellschaftlichen Zusammenhalt fördernd – auf der Grundlage der erarbeiteten Erkenntnisse auch recht unmittelbar der gesellschaftlichen und politischen Praxis dienen. Unter letzterer ist dreierlei zu verstehen: konkretes Verwaltungshandeln; das Handeln (zivil-) gesellschaftlicher und nicht-staatlicher politischer Akteure; die Vermittlung politischer Bildung. 

Weil also vom engeren Bereich der Forschung in den viel weiteren Bereich der öffentlichen Debatten und in die Politik hineingewirkt werden soll, ist quer über das dezentrale Institut politischer und weltanschaulicher Pluralismus sicherzustellen. Dazu gehört auch Offenheit für die unterschiedliche Bewertbarkeit selbst auf der Faktenebene unumstrittener Sachverhalte. Ferner ist wünschenswert, dass in alle einschlägigen Bereiche nicht nur der Wissenschaft, sondern auch der Gesellschaft und Politik hinein Netzwerkstrukturen aufgebaut werden, und dass obendrein sichergestellt wird, dass auch von diesen her Anregungen für Frage- und Problemstellungen in die Forschungsarbeit des Instituts eingebracht werden können.

Zu diesem Zweck soll insbesondere die „Koordinierungsstelle“ des Instituts zu einer weithin bekannten und kompetenten Anlaufstelle für alle Nachfragen nach wissenschaftlicher und praktischer Kompetenz beim Umgang mit den Herausforderungen und Chancen des Zusammenhalts unserer Gesellschaft werden. Also soll das Institut auch zu einem auf Forschungsarbeit gestützten „Think Tank“ werden und als solcher mit Einrichtungen ähnlicher Zielrichtung im In- und Ausland kooperieren. Entlang dafür geeigneter (Forschungs-) Projekte soll das Institut Praktiker aus Verwaltung und Politik, Vertreter zivilgesellschaftlicher Organisationen, Wissenschaftler sowie an einer inhaltlichen Mitarbeit interessierte Einzelpersonen teils themenbezogen, teils projektbezogen miteinander vernetzen, einen kontinuierlichen Erfahrungsaustausch zwischen ihnen organisieren und auf diese Weise auch praktische Wirkungen entfalten. Dem sollen Modellprojekte, kommunen- und sozialraumspezifische Adaptionen von Best Practice-Projekten sowie Vorschläge zu Verfahrensverbesserungen dienen, die sich aus zu diesem Zweck abgehaltenen Arbeitstagungen und Workshops ergeben. Bei alledem soll besonderes Augenmerk auf den Ressourcen gesellschaftlicher Beteiligung und auf einer möglichst wirkungsvollen Förderung und Entwicklung demokratischer Legitimationsmöglichkeiten liegen. Auch die rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sowie die noch zu schaffenden Möglichkeiten besseren gesellschaftlichen Zusammenhalts sollen erkundet werden.

Die am projektierten Institut mögliche,, ganz besondere Verbindung von wissenschaftlicher Qualitätssicherung, Praxisrelevanz und Öffentlichkeitsorientierung kann einen nachhaltig wirksamen Beitrag zur Behebung jener Störungen in den gesellschaftlichen Kommunikations-, Informations- und Diskussionsprozessen leisten, die wir in Deutschland und Europa derzeit beobachten. Vermutlich entstehen so auch gute Chancen dafür, seitens des Instituts das zivilgesellschaftliche Engagement zu fördern, demokratische Gegenkräfte gegen populistische oder gar extremistische Polarisierungsversuche zu stärken und in vielfacher Weise der außerschulischen wie schulischen politischen Bildungsarbeit zu dienen. 

2. Die „Praxisprojekte“ des Instituts

Die „Praxisprojekte“ können sehr wohl auch Seitenstücke zu den dezentralen Forschungsprojekten der kooperierenden Institutionen sein. Doch es sollte obendrein die folgenden zentralen Praxisprojekte des Instituts geben:

  • Wissenschaftskolleg. Es sollen Wissenschaftlern Stipendien zur Verfügung gestellt werden, damit sie – vorzugsweise an der Koordinierungsstelle des Instituts – interdisziplinär-querschnittsartig oder praxisbezogen an einem Forschungsgegenstand des Instituts mitarbeiten können.
  • Sommerschulen zum gesellschaftlichen Zusammenhalt und seinen Voraussetzungen. Einmal jährlich durchgeführt, soll ein komplexes Themengebiet gesellschaftlichen Zusammenhalts und seiner Voraussetzungen in der Weise durchgearbeitet werden, dass erfahrene Wissenschaftler und Praktiker aus Verwaltung, Politik und Zivilgesellschaft mit der Neugier, kritischen Distanz und themenbezogenen Rechercheleistung von interessierten jüngeren und älteren Teilnehmern zusammengebracht werden.
  • Fokusgruppen zu fallübergreifenden Herausforderungen gesellschaftlichen Zusammenhalts. Es sollen aus der Praxis heraus und laufend die jeweils aktuell werdenden gesellschaftlichen Zusammenhaltsprobleme identifiziert und daraus Recherche- oder Analyseaufgaben des Instituts abgeleitet werden. Für diesen Zweck eignen sich interdisziplinäre Arbeitsgruppen von Wissenschaftlern und Praktikern aus Deutschland und dem Ausland, die jährlich zu mindestens einer Arbeitstagung zusammenkommen. Folgendes sollten die Themen je einer Fokusgruppe sein: Soziale Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit; Wirtschaft und Familie; Recht und Sicherheit; Werte und Religion; Medien und interkulturelle Kommunikation; Migration und Integration; Zusammengehörigkeit und Beheimatung.
  • „Kommunale Task Force“ zum fallweisen Einsatz bei lokalen oder regionalen Herausforderungen gesellschaftlichen Zusammenhalts. Es soll ein Netzwerk von Städten geschaffen werden, aus dem sich – in Zusammenarbeit mit dem Institut – Personalressourcen und Sachkompetenz für jene Fälle aufbauen, bereithalten und auf Anfrage zur Verfügung stellen lassen, in denen es Schwierigkeiten mit der Sicherung von gesellschaftlichem Zusammenhalt gibt. Ziel ist der Aufbau und die Schulung von fallweise zusammenstellbaren Teams aus u.a. Politikfeldanalysten, Medienexperten, Juristen, Sozialarbeitern und Mediatoren, die in größeren Konfliktfällen rasch zur „Hilfe von außen“ bereitstünden.
  • Systematische Vernetzungsarbeit. Es sollen verlässliche Netzwerke in den politischen und vorpolitischen Raum hinein aufgebaut sowie durch regelmäßige Gesprächsrunden, gemeinsame Tagungen oder (Ab-)Stellungen von Referenten auf Konferenzen lebendig gehalten werden. Auch auf diese Weise soll ein ständiger Zwei-Wege-Informationsfluss zwischen Wissenschaft und Praxis sichergestellt werden. Zielgruppen wären gesellschaftspolitisch tätige Akademien oder Bildungswerke; Einrichtungen speziell der politischen Bildung; die parteinahen Stiftungen; sowie einschlägige Beratungs- und Forschungsinstitute im In- und Ausland.

V. Eigener Forschungsbeitrag zum Arbeitsprogramm des Instituts, zugleich thematischer Kern eines Partnerverbundes: „Gesellschaftlicher Wandel und die Gelingensbedingungen der Integration von Neuem“

Unsere Gesellschaft, mitsamt ihren Möglichkeiten und Formen gesellschaftlicher Teilhabe, verändert sich derzeit grundlegend, unter anderem durch die Wucht der sogenannten „dritten industriellen Revolution“. Wie weitreichend das sein dürfte, zeigt sich etwa bei der Abschätzung von Folgen einer Volldigitalisierung gesellschaftlicher Prozesse, einschließlich eines „Internet der Dinge“. Die dann in Echtzeit mögliche Kommunikation über Realveränderungen sowie ein kaum noch limitierter Informationsaustausch lassen dann nicht nur Regionen und Staaten zusammenrücken, sondern auch die europa-, ja weltweiten Problemlagen und Diskurslandschaften. Nicht nur Veränderungen in der Wirklichkeit selbst, sondern auch solche in der Wirklichkeitswahrnehmung beschleunigen sich anschließend und entfalten große politische Folgewirkungen. Zu den bereits jetzt unübersehbaren Folgen solcher Wandlungsprozesse gehören Wünsche einesteils nach Entschleunigung und Stabilität, andernteils nach Migration in jene Länder, die mit den anstehenden Problemen besser fertigzuwerden scheinen als das eigene.

Außerdem wird für lange Zeit – wenn nicht auf Dauer – Deutschland eine Einwanderungsgesellschaft sein. Das führt zur Frage, welche Perspektiven unsere durch ihren Wandel im Grunde selbst verunsicherte Ankunftsgesellschaft ihren Zuwanderern wohl zu eröffnen vermag, und auf welche Weise deren Integration so gelingen kann, dass weiterhin der gesellschaftliche Zusammenhalt gesichert bleibt. Dabei stellt sich nicht nur für Migranten, sondern auch für viele länger schon im Land Lebende die Frage nach ihrer Identität und Zugehörigkeit, und zwar nicht nur deutungskulturell, sondern auch ganz alltagspraktisch. Bislang erteilte Antworten, ihrerseits konfliktträchtig reichend vom „laissez faire“ bis zu Abschottungsimperativen, haben die mehrdimensionale Kohäsion unserer Gesellschaft nicht wirklich gefördert, sondern unübersehbare Spannung gezeitigt, ja zu politischer Polarisierung und zu Exklusionsprozessen geführt. Überdies mindern fühlbare Einkommens- und Besitzspreizungen mitsamt ihren sozialräumlichen Auswirkungen die sozioökonomische Kohäsion unserer Gesellschaft. Auch als Reaktionen darauf erleben wir auch neue Herausforderungen für das Verhältnis von Freiheit und Sicherheit.

Wandlungsprozesse öffentlicher Meinungsbildung und politischer Diskurse erzeugen zusätzlich eine Spaltung von Kommunikationskreisen und politischen Überzeugungsgemeinschaften, beeinträchtigen also auch ihrerseits die kommunikative und soziokulturelle Kohäsion. Das lässt den notwendigen, ein Gemeinwesen mit pluralistischer Demokratie auch zusammenhaltenden „Streit um die richtige Politik“ derzeit oft misslingen, nicht zuletzt auch aufgrund von mancherlei als sozial wünschenswert gehandhabter Kommunikationsverweigerung. Somit erweist sich die Prozessdimension unseres gesellschaftlichen Zusammenhalts als nicht länger frei von gravierenden Störungen. 

Aus allen diesen Gründen lassen sich zentrale, weit in die Tiefe gehende Probleme des gesellschaftlichen Zusammenhalts in Form von innerdeutsch und europäisch vergleichenden Fallstudien auf spannungsträchtigen Politikfeldern wie unter einer Lupe untersuchen. Zu solchen Untersuchungsfeldern gehört zumal der gesellschaftlich-diskursive und politisch-administrative Umgang …

  • mit der Planung und Umsetzung großer oder anderweitig umstrittener Infrastrukturvorhaben technischer oder kultureller Art;
  • mit der Sicherstellung öffentlicher Ordnung und der Ahndung bzw. Bekämpfung von Straftaten;
  • mit der Aufrechterhaltung einer Infrastruktur, die politisch-administrative sowie bürgerschaftliche Partizipationsmöglichkeiten bietet, zumal in alternden oder an Bevölkerungszahl abnehmenden Regionen;
  • mit der Ansiedlung oder Schließung von Betrieben im Spannungsfeld zwischen innovationsverpflichteter betriebswirtschaftlicher Rationalität, auch unter dem Druck von Europäisierung sowie Globalisierung, und regionaler Verantwortung und Gemeinsinn;
  • mit regionalen Prozessen des sozialen Auseinanderdriftens von Bevölkerungsteilen, bis hin zur soziostrukturellen Ghettobildung und deren politischen Folgen;
  • mit der kommunikativen (Selbst-) Prekarisierung von Bevölkerungsgruppen und mit den individuell-habituellen sowie kollektiv-wirklichkeitskonstruktiven Folgen dessen;
  • mit der Entstehung virtueller Parallelwelten, etwa durch Filterblasen und Echokammern im Internet, mitsamt ihren realweltlichen Konsequenzen;
  • mit dem Aufkommen und der Verfestigung von Protestmilieus, mit dem politischen Ausdruck solcher Prozesse im Demonstrations- und Wahlverhalten, in politisch-kultureller Polarisierung, sowie erst recht im Aufkommen bzw. in der Dynamik politischer Protestparteien. 

Schwierigkeiten für die Sicherung gesellschaftlichen Zusammenhalts entstehen auf allen acht Politikfeldern. Dabei gehen die allgemeinen politischen Herausforderungen (1) bis (4) oft mit einzelnen oder mehreren der besonderen politischen Herausforderungen (5) bis (8) einher. Die letzteren wiederum sind nicht selten in besonderer Weise von Migrationseffekten betroffen. 

Aus diesen praktischen Problemen leitet sich die folgende, sowohl wissenschaftlich als auch politisch wichtige Fragestellung eines komplexen Forschungsvorhabens ab: „Wie kann unter so vielschichtigen Umständen gesellschaftlichen Wandels eine den gesellschaftlichen Zusammenhalt sichernde Politik aussehen – und zwar genau dort, wo sie konkret wird, nämlich in den Kommunen?“

Um als Antwort auf diese Frage die grundsätzlichen „Gelingensbedingungen“ solcher Politik ausfindig zu machen, sind jene Kommunen, die – gemäß den oben umrissenen Indikatoren gesellschaftlichen Zusammenhalts – mit solchen Herausforderungen gut zurechtkommen oder zurechtgekommen sind, mit solchen Kommunen zu vergleichen (zunächst bundesweit, später auch europaweit), in denen dies viel weniger gut gelingt oder gelang. Eine geeignete Zusammenstellung dieser Untersuchungsfälle sollte nach einer Vorstudie leicht gelingen. Um außerdem die speziell auf Migrationseffekte zurückzuführenden Herausforderungen gesellschaftlichen Zusammenhalts von solchen Problemen zu unterscheiden, die allgemein auf Effekte technischer, wirtschaftlicher oder kultureller Innovationen zurückzuführen sein mögen, sind obendrein – für jede der beiden genannten Fallgruppen – Kommunen mit einem niedrigen Migrantenanteil mit Kommunen zu vergleichen, die einen hohen Migrantenanteil aufweisen. Auch dieser zweite Schritt der Zusammenstellung der Untersuchungsfälle ist mittels einer Vorstudie leicht zu tun.

Es gilt also, auf der Ebene zunächst deutscher, später europäischer Kommunen doppelt vergleichende und somit ziemlich komplexe Fallstudien durchzuführen. In der ersten Vergleichsdimension braucht es Kommunen mit starkem bzw. klar schwächerem gesellschaftlichen Zusammenhalt, bemessen nach der oben dargelegten Operationalisierung. In der zweiten Vergleichsdimension braucht es Kommunen mit besonders hohem bzw. besonders niedrigem Migrantenanteil. In jeder dieser vier Fallgruppen sollen möglichst je vier Kommunen mit ihren je besonderen politischen Problemkonfigurationen untersucht werden. Pro Vergleichspaar jeweils möglichst eine ostdeutsche Kommune mit einer westdeutschen Kommune sowie eine urbane mit einer ländlichen Kommune verglichen werden. Das verlangte nach Fallstudien von sechzehn Kommunen; doch vielleicht lässt sich anhand der Ergebnisse der Vorstudie diese Fallzahl auch verringern. 

Das Forschungsinteresse richtet sich dabei (a) insgesamt auf die jeweils gegebenen Möglichkeiten und womöglich auch Grenzen der Gesellschaft vor Ort, sich ohne Gefährdung ihres konkreten Zusammenhalts zu wandeln und Neues zu verwirklichen, und (b) darauf, welchen besonderen Beitrag zu gerade gelingenden Veränderungsprozessen welche Arten von politisch-administrativen Maßnahmen sowie von zivilgesellschaftlichen Projekten leisten können. Obendrein sollen (c) die Fallstudienbefunde eingebettet werden in bundes- oder europaweite Daten bzw. Studien zu den einschlägigen sozial- und wirtschaftsgeographischen, politisch-kulturellen, administrativ-rechtlichen und kommunikativen Faktoren. Insofern ist dieses vergleichende „konfigurative“ Fallstudienprojekt leicht zu verbinden mit zusätzlichen „variablenorientierten“ und auf Aggregatdaten bzw. demoskopische Befunde bauenden Forschungsprojekten, zumal mit solchen, die thematisch fokussierte Quer- oder Längsschnittstudien durchführen, etwa zur gesellschaftlichen Polarisierung oder zu einzelnen Dimensionen von Wandel, etwa von rechtlichem und administrativem Wandel. Ziel ist es, am Ende ein Kausalmodell gelingender, den gesellschaftlichen Zusammenhalt nicht gefährdender Implementation von bislang gesellschaftlich oder kulturell Neuem zu erarbeiten, und zwar auf der Grundlage von sowohl praktischen Erfahrungen in systematisch vergleichbaren Kommunen als auch von fallübergreifenden (sozial-) wissenschaftlichen Befunden.

Sinnvollerweise werden solche Studien auch im Zusammenwirken mit Praktikern aus Kommunalpolitik, Verwaltung, regionalen Unternehmen und örtlicher Zivilgesellschaft durchgeführt. Dann können sie nämlich – über die Überprüfung einschlägiger sozialwissenschaftlicher Theorien und ihrer Hypothesen hinaus – sowohl auf dem Reflexionsstand von Praktikern aufbauen als auch diesen problemlösend weiterentwickeln. Bei alledem ist außerdem zu achten auf das Wechselspiel zwischen realen Veränderungen im gesellschaftlichen Alltag sowie dem Erleben von Veränderungen seitens der davon gleichwie Betroffenen, und ebenso auf die (Veränderungen der) erfahrungsstrukturierenden und bewertungsleitenden Deutungsrahmen solchen Erlebens sowie auf die daraus gezogenen handlungspraktischen Folgerungen. 

Für die Datenerhebung braucht es umfangreiche Dokumentenanalysen, statistische Analysen, leitfadengestützte Interviews, Diskussionen in Fokusgruppen und Beobachtungen vor Ort. Im Übrigen gilt es die Befunde aus der Vergleichsanalyse ausgewählter Kommunen einzubetten in Daten kooperierender Forschungsvorhaben, etwa zu den einschlägigen sozial- und wirtschaftsgeographischen, politisch-kulturellen und kommunikativen Faktoren. Insgesamt muss die Datenanalyse einesteils die Prüfung von Hypothesen aus vorhandenen einschlägigen Theorien oder sonstigen putativen Propositionen einschließen, andernteils aber offen sein für die Generierung gegenstandsbegründeter Theorie auf der Grundlage des erhobenen Datenmaterials. 

Insgesamt verlangt dieses Forschungsvorhaben nach mehrfacher „Triangulation“, nämlich nach der Kombination unterschiedlicher Theorieansätze, nach dem Ineinandergreifen unterschiedlicher Methoden und Forschungsansätze, sowie nach der Zusammenarbeit von Wissenschaftlern unterschiedlicher Disziplinen. Deshalb bietet es reichhaltige Kooperationsmöglichkeiten von Politikwissenschaftlern, Soziologen, Sozial- und Kulturgeographen, Kommunikationswissenschaftlern, Rechts- und Verwaltungswissenschaftlern sowie Regionalhistorikern. Außerdem verbindet es den theoretischen und praktischen Teil des zugründenden Instituts. Aus allen diesen Gründen bietet sich dieses Projekt als thematischer Kern eines Partnerverbundes, der sowohl die vorhandenen Forschungskapazitäten der TU Dresden oder umliegender Hochschulen in den Dienst des gemeinsamen Vorhabens stellt als auch, einmal im Rahmen des bundesweiten Instituts konstituiert, den hiesigen Wissenschaftsstandort im Bereich der Sozialwissenschaften deutlich stärkt sowie mit der Zivilgesellschaft und kommunalen Ebene mehrerer Städte und Regionen vernetzt.

VI. Projektteilnehmer und Projektpartner 

1. Teilnehmer am Dresdner Partnerverbund

Die nachstehenden Partner tragen als „Standordkonsortium“ die hier vorgelegte Interessenbekundung der TU Dresden. Detailliert werden ihre Beiträge zur Arbeit des Instituts während der einjährigen „Vorphase“ der Institutsarbeit ausgearbeitet.

  • Prof. Dr. Werner J. Patzelt (TU Dresden) und Dr. Joachim Klose (Zentrum für gesellschaftlichen Zusammenhalt und Integration e.V.), Initiatoren des „Instituts für gesellschaftlichen Zusammenhalt“ und Hauptverfasser dieser Interessenbekundung. Beitrag: Leitung des Partnerverbundes; Aufbau der Koordinierungsstelle des Instituts; sowie wissenschaftliche Leitung des Integrationsprojekts „Gesellschaftlicher Wandel und die Gelingensbedingungen der Integration von Neuem“
  • „Zentrum für Integrationsstudien“, TU Dresden; Beitrag: ….
  • Exzellenzcluster „Raumwissenschaftliche Analysen gesellschaftlichen Zusammenhalts“; Beitrag: …. 
  • „Mercator Forum für Migration und Demokratie“; Beitrag: …. 
  • „Hannah Arendt Institut für Totalitarismusforschung“; Beitrag: ….
  • N.N; Beitrag: …
  • Hochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege, Meißen; Beitrag: Administrative Handhabung regionaler Probleme gesellschaftlichen Zusammenhalts (Zusage)
  • Hochschule Mittweida; Beitrag: Kommunikationsaspekte gesellschaftlichen Zusammenhalts (Zusage)

2. Weitere Forschungspartner

Laut Ausschreibung obliegt die Auswahl der Verbundpartner des dezentralen „Instituts für gesellschaftlichen Zusammenhalt“, auf der Grundlage einschlägiger Interessenbekundungen, dem BMBF. Wir bewerben uns dabei – neben den Mitteln für ein konkretes, komplexes Forschungsvorhaben – um den Aufbau der Koordinierungsstelle dieses Instituts an der TU Dresden sowie um den Aufbau eines „Think Tanks“ als „Zweiter Säule“ des Instituts. Mit allen weiteren vom BMBF ausgewählten Partnern werden kompromiss- und erfolgsorientiert zusammenarbeiten. 

Wahrscheinlich werden sich auch einzelne Institutionen aus dem Mitgliederkreis des Vereins „Zentrum für gesellschaftlichen Zusammenhalt und Integration“ als Verbundpartner bewerben, etwa die Universität Passau (Prof. Dr. Barbara Zehnpfennig) oder die LMU München (Prof. Dr. Markus Vogt); obendrein gibt es eine Bekundung von Mitwirkungsinteresse seitens des „Mannheimer Zentrums für Europäische Sozialforschung“, des SOCIUM Forschungszentrums Ungleichheit und Sozialpolitik der Universität Bremen (Prof. Dr. Uwe Schimank) und von Kollegen von der Universität Leipzig (Prof. Dr. Hans-Georg Ebert, Prof. Dr. Arnd Uhle) sowie von der Katholischen Universität Eichstätt (Prof. Dr. Walter Schweidler). Bereits jetzt gibt es ein gemeinsames, einschlägiges Forschungsprojekt mit Prof. Dr. Aladin El-Mafaalani von der Fachhochschule Münster und dem Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld.  

3. Praxispartner

Zu den Praxispartnern gehören derzeit schon mehrere Kommunen, etwa die Landeshauptstadt Dresden, die Städte Heidenau und Torgau, sowie Träger der politischen Bildung wie die Sächsische Landeszentrale für politische Bildung, die Bundeszentrale für politische Bildung, das Politische Bildungsforum der Konrad-Adenauer-Stiftung im Freistaat Sachsen, nach Abschluss entsprechender Vereinbarungen auch die Friedrich-Ebert-Stiftung und die Heinrich-Böll-Stiftung, sowie Vereine wie die Aktion Zivilcourage e.V. in Pirna.  

VII. Berührungspunkte mit anderen Forschungsaktivitäten im BMBF

Gesellschaftlicher Zusammenhalt ist eine Voraussetzung für die kreative Integration von Neuem. Dieses dann aber auch zu unternehmen, führt leicht zum teils gefühlten, teils realen Verlust an Sicherheit und Geborgenheit. Dadurch ergeben sich neue Anforderungen an die gesellschaftlichen Sicherheitskulturen sowie an institutionelle Sicherheitsarchitekturen. Der Analyse solcher Herausforderungen widmet sich das BMBF-Projekt „Zivile Sicherheitsforschung“, welches das Themenfeld „Sicherheit“ im gesellschaftlichen Kontext betrachtet und sich mit künftigen systemischen Risiken, Gefahren und Bedrohungen durch technischen Wandel befasst. Gesucht sind Sicherheitskonzepte, die sowohl zur Praxis der Gesellschaft passen als auch den Bedürfnissen und Erwartungen der Bürgerschaft gerecht werden. Besonders nah an die hier vorgeschlagenen Problemfelder führen dabei folgende Fragen: Wie nehmen Menschen Risiken und Gefahren wahr? Wie gehen sie mit ihnen um? Wie wird Sicherheit in einer Gesellschaft ausgehandelt? Welche Bedeutung kommt dabei Kommunikationsprozessen zu?

In diesem Zusammenhang ist wichtig, dass durch Technisierung und neue Kommunikationstechnologien auch ländliche Gebiete gleichsam urbanisiert und in nationale bis globale Diskurse hineingezogen werden. Wenn sich dabei der Sozialraum verändert und die Bürger gar das Gefühl haben, aufgrund zu hoher Innovationsgeschwindigkeit nicht mehr an für sie wichtigen Entwicklungen partizipieren zu können, dann tritt auf, was man „Heimatverlust“ nennen kann. Das mit ihm einhergehende Schwinden von sozialem Zusammenhalt kann seinerseits weitere Sicherheitsdefizite bewirken. Wenn nämlich Erfahrungsmuster wie Geborgenheit, Sicherheit und wechselseitiges Annehmen nicht mehr verlässlich sind, kommt es leicht zu gesellschaftlichen Verwerfungen und politischen Protesten. Entsprechende Untersuchungen werden derzeit auch vom Weizenbaum-Institut für die vernetzte Gesellschaft untersucht und bieten somit Anknüpfungspunkte zum oben umrissenen Forschungsvorhaben. 

Das Beschriebene verschärft sich noch vor dem Hintergrund der mit der Globalisierung verbundenen Migration. Zwar wird Einwanderung in Deutschland mehrheitlich als gesellschaftliche Normalität akzeptiert. Auch deshalb wachsen die Städte Deutschlands und verändern sich spürbar in kultureller, sozialstruktureller und institutioneller Hinsicht. Und weil solche Prozesse sich zwischen Stadt und Land – und entsprechend zwischen den Bundesländern – in unterschiedlichen Geschwindigkeiten vollziehen, geraten einzelne Regionen dann leicht auch ins Hintertreffen. Dann gilt es, Ausgleichsprozesse zu entwickeln sowie politische und wirtschaftliche Handlungsoptionen zu entwerfen. Dem widmet sich besonders die Fördermaßnahme „Migration und gesellschaftlicher Wandel“ des BMBF.

VIII. Nachweis der fachlichen Eignung 

[Wird verfasst, nachdem der Teilnehmerkreis des Dresdner Partnerverbundes klar ist]

Grobkalkulation der Kosten für die einjährige Vorphase

  1. Wissenschaftliches Personal
    1. Vertretungsstelle Leiter* (12 Monate, E14 TVöD)          5.872€/Monat  70.464€/Jahr
    1. Wissenschaftlicher Mitarbeiter (50%, 12 Monate, E13) 2.725€/Monat  32.700€/Jahr
  2. Sachausgaben, Geschäftsbedarf                                                                      1.500€

(Computer, Telefonkosten, Literatur, Bürobedarf etc.)

  • 2 Tagungen (zwei Übernachtungen, 15 Teilnehmer, incl. Fahrtkosten)               14.000€
  • Reisemittel                                                                                                     1.336€

Gesamtkosten                                                                                                            120.000€

Das wissenschaftliche Personal wird in der Vorphase bis zu einer Gehaltsgruppe E14 TVöD oder vergleichbar bezahlt. Davon können Vertretungsstellen finanziert werden. Zu klären ist, ob es einen Ausgleich geben kann, wenn die Stellen, die zu vertreten sind, höher dotiert sind und der Arbeitgeber die Projektbearbeiter nur unbefristet freistellt.

Anhang

Liste der zitierten Literatur – wird noch eingearbeitet

Interessenbekundung

für die Errichtung des „Instituts für gesellschaftlichen Zusammenhalt“ sowie für die Durchführung von Forschungs- und Praxisvorhaben an diesem Institut

antragstellende Institution:

Hochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege des Freistaats Sachsen, Meißen 

Antragsteller (in alphabetischer Reihenfolge; hauptverantwortliche Person unterstrichen): 

  • Dr. Joachim Klose, Vorstand „Zentrum für gesellschaftlichen Zusammenhalt und Integration e.V.“
  • Prof. Dr. Werner J. Patzelt, Institut für Politikwissenschaft, Technische Universität Dresden 

I. Die Herausforderung

Deutschland verändert sich. Einesteils verdankt sich das technologischem Wandel und veränderten wirtschafts- und energiepolitischen Zielsetzungen. Andernteils ist wegen des langjährigen Geburtenrückgangs aus einer sich selbst reproduzierenden Gesellschaft eine Bevölkerung geworden, welche die für ihr Wohlergehen nötige Arbeitskraft und Innovationsfähigkeit unter anderem durch Zuwanderung sichern muss. Insgesamt wird aus einem Land mit einem ethnisch oder kulturell halbwegs klar zu umreißenden Volk ein Staat geworden, in dem eine multiethnische und multikulturelle Bevölkerung lebt. Zur Gesellschaft wird sie zusammengehalten durch Sprache, politische Ordnung und Teilhabe am gemeinsamen Wohlstand. Allerdings haben die neuen Bundesländer von den alten Bundesländern deutlich abweichende Migrations- und Transformationserfahrungen. Das hat sehr besondere, politisch folgenreiche Reaktionen auf diesen Wandel entstehen lassen. 

Außerdem führt die Innovations- und Wandlungsgeschwindigkeit moderner Gesellschaften vielfach zu einer gesellschaftlichen Teilung entlang von – auch sprachlich bedingten – Bildungschancen. In einer multiethnischen Gesellschaft bewirkt das leicht eine Verbindung von Bildungs- und Wohlstandsspannungen mit ethnisch-kulturellen Konfliktlinien. Zudem ist aus einer Bevölkerung, in der Ideologie vor allem im Rahmen pluralistischer Parteienkonkurrenz eine Rolle spielte, und in der Religion entweder mit der politischen Ordnung gut vereinbar oder eine politisch nicht ins Gewicht fallende Privatsache war, eine Gesellschaft geworden, in der neu zum Land gehörende Religionen auch politische Brisanz entfalten können. 

Unter solchen veränderten Sozialumständen und sie überwölbenden Transzendenzvorstellungen schwächt zusammenhaltender Gemeinsinn sich leicht ab. Tatsächlich ist aus unserem Gemeinwesen, das sich seiner demokratischen Legitimität und Integrationskraft sicher war, eine politische Ordnung geworden, aus der sich ein Teil des Volks zunächst durch Politikverdrossenheit und Wahlabstinenz zurückgezogen hat, und gegen die nun seit einigen Jahren gar nicht wenige mit populistischem, teils radikalem, teils extremistischem Protestverhalten vorgehen. Sie sehen nämlich Deutschlands bislang staatstragende Parteien nicht länger als die zentralen Instrumente politischer Teilhabe oder als plausible Repräsentanten der realen Meinungs- und Interessenverteilung im Volk an. Ähnliches Misstrauen gegenüber etablierten Massenmedien führt obendrein zu Zerfallsprozessen der politischen Öffentlichkeit. In der politischen Sozio- und Deutungskultur wird das als Polarisierung fassbar, die in den letzten Jahren – in erheblicher regionaler und sozialräumlicher Differenzierung – erhebliche Dynamik entfaltet hat.

Das alles nimmt die Gesellschaftswissenschaften in die Pflicht, tatsachengetreue Analysen des sich sowohl real als auch deutungskulturell Ereignenden durchzuführen sowie problemlösende Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Deshalb bemühten sich die beiden Antragsteller schon seit dem Herbst 2014, an der Technischen Universität Dresden ein „Institut für gesellschaftlichen Zusammenhalt und Integration“ anzusiedeln. Nachdem Es wäre schön, wenn sich dieses Ziel mit dem vorliegenden Antrag erreichen ließe. 

II. Was ist „Gesellschaftlicher Zusammenhalt“?

Ein gewisses Maß an gesellschaftlichem Zusammenhalt und verlässlicher wechselseitiger Solidarität („Gemeinsinn“) scheint die Voraussetzung für das Fehlen von gewalttätigen Konflikten zu sein. Erst Letzteres aber ermöglicht den Aufbau einer politischen Ordnung, in deren Rahmen Rechts- und Sozialstaatlichkeit, Gewaltenteilung, Pluralismus und Demokratie praktiziert werden können. Genau diese freiheitssichernden Möglichkeiten machen gesellschaftlichen Zusammenhalt nicht nur funktional, sondern auch normativ wünschenswert. 

Allerdings darf man die Erwartungen an den gesellschaftlichen Zusammenhalt nicht zu hoch ansetzen. Eine pluralistische Demokratie setzt nämlich auf Vielfalt und Streit, und zwar nicht im Sinn eines hinzunehmenden Übels, sondern als wünschenswertes Mittel politischen Lernens, als Königsweg der Anpassung an neue Herausforderungen, sowie als Ressource solchen gesellschaftlichen Zusammenhalts, der sich nicht aufgezwungener Homogenität verdankt, sondern wechselseitig gut ertragener Heterogenität. Die Grundfrage lautet deshalb: Wieviel und welche Art von Zusammenhalt braucht eine pluralistische Demokratie wie die unsere, um gesellschaftlichen Fliehkräften entgegenzuwirken, die Gesellschaft stabil zu halten, sowie Offenheit für Kreatives und Neues wider alle Neigung zur bloßen Aufrechterhaltung des status quo nachhaltig zuzulassen? 

Ein so in einen größeren Systemzusammenhang eingebettetes, dann auch empirisch forschungsleitendes und obendrein normativ Praxisnutzen bezweckendes Leitkonzept „gesellschaftlichen Zusammenhalts“ verlangt natürlich nach einer präzisen Operationalisierung. Sie lässt sich in den folgenden drei Dimensionen des Leitkonzepts leisten:

  • Kohäsionsdimension von gesellschaftlichem Zusammenhalt:
  • sozioökonomische Kohäsion, erfassbar u.a. über die – auch räumlich vergleichende – Sozial- und Armutsstatistik;
  • soziokulturelle Kohäsion, nämlich wechselseitig verbindende, dabei das Hier-und-Jetzt transzendierende Selbst- und/oder Zukunftskonzepte, sowie die mit ihnen einhergehenden Solidaritätsbereitschaften und deren räumliche sowie inhaltliche Grenzen. Daten über dies alles sind auffindbar u.a. in Diskursen um Beheimatung und deren Wandel, um das Pro und Contra von (Verfassungs-) Patriotismus, um Geschichtsbilder, um ethische und/oder alltagspraktische Prinzipien sowie um speziell religiöse Transzendenzvorstellungen;
  • kommunikative Kohäsion, erfassbar u.a. über – auch räumlich verglichenes – Medienvertrauen, Mediennutzungsverhalten und an den Tag gelegtes kommunikatives Handeln.

  • Prozessdimension von gesellschaftlichem Zusammenhalt:

Hier geht es um die Geltung und Art der praktischen Nutzung von kulturellen, gesellschaftlichen sowie politischen Spielregeln, und zwar einesteils für Aushandlungs- und Konfliktdurchführungsprozesse, andernteils für Sozialisations- und soziale Kontrollprozesse, desgleichen um deren Einbettung in soziokulturelle Gemeinsinns- und Transzendenzvorstellungen.    

  • Exklusionsdimension von gesellschaftlichem Zusammenhalt:
  • Selbstexklusion: Hier geht es um den Umfang und um die Selbstorganisation von Bevölkerungsgruppen, die sich – etwa aufgrund von Veränderungs- und vieldimensionalen Entheimatungsprozessen – gesellschaftlich ausgegrenzt fühlen, und/oder die dem politischen System bzw. dessen Repräsentanten (deshalb) sozusagen „innerlich gekündigt“ haben. 
  • Fremdexklusion: Hier geht es um jene Inhalte und Praxen (sowie um die Trägergruppen beider), entlang welcher durch die – weit über bloße Polarisierung hinausgehende – Exklusion von anderen als „Fremden“ oder gar „Feinden“ Eigenidentität gestiftet und Zusammenhalt gerade durch Abwehrverhalten geschaffen wird.

Indikatoren für diesbezügliche praktische – und deshalb auch analytisch wichtige – Herausforderungen wären u.a. die Entstehung von (Selbst-)Ausgrenzungsdiskursen und/oder konkludenten (Selbst-)Ausgrenzungspraxen, einschließlich von Diskursen und Praxen der (Selbst-)Viktimisierung; zumal symbolisch markierte Abgrenzungen von Lebenswelten, Soziallagen und Kulturgruppen; sowie das Aufkommen von Repräsentationslücken und Protestbewegungen. 

Bei der Ausarbeitung des gesamten Arbeitsprogramms des Instituts sowie bei der Koordination der Forschungs- und Beratungstätigkeit im gesamten Forschungskonsortium wird darauf geachtet, dass alle vom Mittelgeber vorgegebenen Forschungsfelder in diesem – oder einem funktional äquivalenten – analytischen Raum verortet und anschließend mit besonderer Sensibilität hinsichtlich folgender Fragen untersucht werden: 

  • Wo und warum gibt es welche Diskrepanzen zwischen Problemwahrnehmungen bzw. Situationsdefinitionen einerseits und realen Problemlagen andererseits? 
  • Welche Konsequenzen haben die erkannten und verstandenen bzw. erklärten Phänomene bei wem für die Schaffung, Aufrechterhaltung oder Gefährdung gesellschaftlichen Zusammenhalts? 
  • Wie wirken sich die ausfindig gemachten Sachverhalte bzw. Zusammenhänge auf die Legitimitätslage des politischen Systems und seine Akteure aus?

III. Die Zielsetzung des Instituts und deren strukturelle Umsetzung

Gemäß den Vorgaben des BMBF gilt es, ein dezentrales, an unterschiedlichen Standorten Deutschlands angesiedeltes, aus einer Verbundstruktur von bis zu zehn Institutionen bestehendes Institut zu errichten und es zur erfolgreichen, dank positiver Evaluation über die erste Hauptphase hinaus verlängerten Arbeit zu bringen. Die besonderen Herausforderungen sind:

  • Es ist ein sehr breites Themenfeld interdisziplinär zu untersuchen, nämlich im Grunde alle aktuellen, für den gesellschaftlichen Zusammenhalt relevanten Entwicklungen samt ihren historischen Wurzeln, darunter vor allem neue soziale Umbrüche, sich umschichtende Zugehörigkeiten und Identitäten, der Wandel öffentlicher Meinungsbildung, das sich verändernde Verhältnis von Staat und (Zivil-)Gesellschaft, die heutigen Wechselbeziehungen von Freiheit und Sicherheit, sowie die Ambivalenzen der Globalisierung.
  • Es sind bei alledem die Themenfelder negativer Globalisierungsfolgen wie Flucht und Migration samt den hieraus resultierenden Integrationsherausforderungen zwar nicht in den Mittelpunkt zu stellen, doch als – wohl für längere Zeit wichtige – Aspekte unserer gesellschaftlichen Entwicklung zu betrachten und, soweit erforderlich, im Rahmen der oben angeführten Themenschwerpunkte integrativ als Basis zu bearbeiten.
  • Das alles ist in theoretisch wie methodisch pluralen Forschungszugängen zu untersuchen. Dabei sind – neben zwingender Beteiligung von Soziologie, Politikwissenschaft, Wirtschaftswissenschaft und Rechtswissenschaft – möglichst auch Verwaltungs- und Kommunalwissenschaft einzubeziehen, ebenfalls historische Wissenschaften, die Sozialpsychologie und die Raum-, Regional- sowie Kulturwissenschaften. Obendrein dürften auch religionswissenschaftliche Studien und philosophische Reflexionen der jeweiligen Forschungsbefunde hilfreich sein, um ebenfalls die jeweils handlungsmotivierenden Transzendenzkontexte zu untersuchen.
  • Es ist ferner innerdeutsch, europäisch und international vergleichend vorzugehen, weil nur so das je kulturell Besondere vom funktionslogisch Allgemeinen zu unterscheiden ist.
  • Das auf allen jenen Arbeitsgebieten bereits vorhandene Wissen, insbesondere jenes zu problematischen Aspekten gesellschaftlichen Zusammenhalts, ist zur Generierung eines auch institutsübergreifenden analytischen Mehrwerts zusammenzuführen und teils nach theoretischen, teils nach praktischen Erfordernissen weiterzuentwickeln.
  • Außerdem sind Kooperationsbeziehungen mit der Zivilgesellschaft, mit der politisch-administrativen Praxis, mit den Kommunen als den konkreten Orten gesellschaftlichen Zusammenhalts sowie mit Trägern politischer Bildung aufzubauen und nutzbar zu halten. Nur so lässt sich die wissenschaftliche Arbeit des Instituts systematisch in den Dienst der gesellschaftlichen Praxis stellen.
  • Obendrein sind die Erträge eines solchen Zusammenwirkens von „theoria cum praxi“ in praxisnützliche Maßnahmen der Politik- und Gesellschaftsberatung sowie der Präsenz in öffentlichen Diskursen umzusetzen.

Ein so vielfältiger und vielschichtiger Forschungs- und öffentlicher Wirkungsauftrag lässt sich nur durch eine gut koordinierte Arbeitsteilung zwischen sowohl leistungsfähigen als auch kooperationswilligen Partnerinstitutionen erfüllen. Deren Auswahl obliegt dem BMBF, während die Ausgestaltung der Schnittstellen sowie die Schaffung von Synergieeffekten innerhalb des entstehenden Forschungsverbundes eine Kernaufgabe der Beteiligten ist. Doch vor allem gilt es der Gefahr entgegenzuwirken, dass die im dezentralen Institut kooperierenden Institutionen zentrifugale Tendenzen entwickeln und nur additive, nicht auf analytische Synthese ausgehende Forschung zustande bringen. Letzteres liegt nahe, weil zu den Förderungszielen des BMBF auch ausdrücklich die Stärkung der jeweiligen universitären Forschungslandschaft gehört. 

Um also keinen „bundesweiten Sonderforschungsbereich“ mit loser Kooperation entstehen zu lassen, sondern eine sowohl integrativ arbeitende und sowohl wissenschaftlich als auch öffentlich klar profilierte Forschungseinrichtung zu schaffen, braucht gerade ein dezentrales Institut eine integrationsstarke Governance-Struktur. Folgendes Konzept kann vielleicht als eine Grundlage entsprechender Beratungen dienen:

  • Jede der am dezentralen Institut zusammenwirkenden Institutionen ist für ein bestimmtes, bei der Errichtung des Projektverbunds vereinbartes Segment des gesamten Forschungsprogramms zuständig. Je nach den Interessenbekundungen und der Auswahl durch das BMBF werden sozial-, geistes- und politikwissenschaftlich, wirtschafts-, raum-, rechts- und verwaltungswissenschaftlich, geschichts- und kulturwissenschaftlich profilierte Institutionen zusammenwirken; und sie werden sich in ihrer Schwerpunktsetzung und individuellen Themenkonfiguration jeweils eher auf (neue und alte) soziale Umbrüche, auf (problematisierte) Zugehörigkeiten und Identitäten, auf Prozesse öffentlicher Meinungsbildung, auf das Verhältnis von Staat und (Zivil-) Gesellschaft, auf die Wechselwirkungen von Freiheit und Sicherheit oder auf die gesellschaftlichen Ambivalenzen der Globalisierung einlassen. Eine sowohl von den jeweiligen partikularen Forschungs- und Strukturinteressen geleitete als auch der überwölbenden Zweckbestimmung des Instituts dienliche thematische Arbeitsteilung muss während der einjährigen Vorphase ausgehandelt werden. Während dieser wird auch klarwerden, wer die konkreten Projektverantwortlichen der zusammenwirkenden Institutionen sind.  
  • Die an den zusammenwirkenden Institutionen jeweils Projektverantwortlichen bilden gemeinsam den Vorstanddes Instituts. Dieser entwickelt und beschließt das Arbeitsprogramm, den Finanzplan sowie die Geschäftsordnung des Instituts und nimmt alle das Institut betreffenden Weichenstellungen für die Forschungsarbeit und die öffentliche Wirksamkeit des Instituts vor. Der Vorstand wählt die Geschäftsführer („Direktoren“) des Instituts und deren Stellvertreter; ihm sind diese auch verantwortlich.
  • Auf der Grundlage des gemeinsamen Arbeitsprogramms des Instituts führen die zusammenwirkenden Institutionen unter Leitung der jeweiligen Projektverantwortlichen die von ihnen durchzuführenden Arbeiten eigenverantwortlich aus. Sie können die von ihnen übernommenen Forschungsaufgaben auch durch Aufbau lokaler bzw. regionaler Konsortialstrukturen erfüllen. Etwa kann an einer Universität das dort angesiedelte Teilsegment des bundesweiten Gesamtvorhabens durch einen Verbund kooperierender Professuren oder Universitätsinstitute bearbeitet werden. Ebenso können  weitere Hochschulen oder Forschungseinrichtungen Partner oder Teil eines solchen Partnerverbunds werden. 
  • Auf regelmäßigen Arbeitskonferenzen des Instituts stellen die dezentralen Projektverantwortlichen die Forschungsansätze, konkreten Arbeitsprogramme und Ergebnisse der von ihnen geleiteten Partnerverbünde zur Diskussion. Stets wirken die Projektverantwortlichen darauf hin, dass die Schnittstellenkompatibilität aller Forschungsarbeiten gesichert ist und Synergieeffekte entstehen können.
  • Die Koordinierungsstelle des dezentralen Instituts wird, auch als rechtlicher Sitz des Instituts, an oder im Umfeld der TU Dresden eingerichtet. Von ihr aus wird auf eine arbeitsteilige und synergetische Forschungs-, Tagungs-, Publikations- und Beratungstätigkeit des gesamten Instituts hingewirkt.
  • Gemäß dem Ausschreibungstext soll das Institut eine Doppelaufgabe erfüllen: einesteils geht es um Forschung, andernteils um die Pflege von Kooperationsbeziehungen mit Zivilgesellschaft, politisch-administrativer Praxis und politischen Bildungsträgern, samt Maßnahmen der konkreten Politik- und Gesellschaftsberatung. Um diese Doppelaufgabe wirkungsvoll erfüllen zu können, sind zwei Geschäftsführer („Direktoren“) des Instituts vorzusehen: ein „Direktor für Forschung“ und ein „Direktor für Kooperation und Praxisberatung“. Beide gemeinsam leiten und vertreten in einer von der Geschäftsordnung vorzusehenden Weise das Institut. 
  • Ein zusätzlicher Verwaltungsleiter widmet sich, mit dem dafür nötigen Personal, allen administrativen und organisatorischen Aufgaben des Instituts. Dazu gehört auch die Errichtung und Unterhaltung eines Datenbanksystems, in dem die zusammenwirkenden Institutionen nicht nur die von ihnen erarbeiteten Forschungspapiere, Konferenzberichte und Publikationen, sondern auch das von ihnen durchgearbeitete Datenmaterial für den Zugriff aller Institutsmitglieder sowie – zumindest in Teilen – der Öffentlichkeit in leicht auffindbarer Weise verfügbar machen.
  • Synergieeffekte zwischen den zusammenwirkenden Institutionen werden dadurch sichergestellt, und möglichen Zentrifugalkräften des Forschungsverbundes wird dadurch verlässlich entgegengewirkt, dass an der Koordinierungsstelle „Spiegel-Mitarbeiter“ zu den während der Vorphase vereinbarten Arbeitsbereichen der zusammenwirkenden Institutionen bzw. Partnerverbünde tätig sind. Je nach der vereinbarten Arbeitsteilung kann es sich insbesondere handeln um je einen oder um mehrere wissenschaftliche Mitarbeiter …
  • mit jeweils einem der folgenden Arbeitsgebiete: neue und alte soziale Umbrücheneue und alte Zugehörigkeiten und Identitätenneue und alte Prozesse öffentlicher Meinungsbildung; institutsrelevanteAspekte des Verhältnisses von Staat und (Zivil-) Gesellschaft; institutsrelevante Aspekte des Verhältnisses von Freiheit und Sicherheit; institutsrelevante Aspekte der Globalisierung. Solchermaßen lässt sich sicherstellen, dass genau auf den vom Mittelgeber gewünschten Themenschwerpunkten auch aus ansonsten heterogenen Forschungen der zusammenwirkenden Institutionen Synergieeffekte entstehen.
  • mit jeweils einer der folgenden fachlichen Spezialisierungen: Soziologie (v.a. gesellschaftlicher Wandel, Desintegrationsprozesse …), Politikwissenschaft (v.a. Partizipation und Repräsentation, Legitimitätslage …), Verwaltungs- und Kommunalwissenschaft (v.a. konkretes staatliches Agieren zur Sicherung gesellschaftlichen Zusammenhalts vor Ort), Wirtschaftswissenschaft (v.a. ökonomische Auswirkungen der Globalisierung auf die deutsche Gesellschaft, Finanzierungsherausforderungen von Sozialstaat und Einwanderungsgesellschaft …), Rechtswissenschaft (v.a. rechtliche Grundlagen, Herausforderungen und Ausgestaltungsmöglichkeiten unserer sich im europäischen und globalen Rahmen diversifizierenden Gesellschaft), Sozialpsychologie (v.a. psychische Grundlagen von Inklusion und Exklusion, der sozialen Konstruktion von Identität und Alterität …), Kulturwissenschaft (v.a. „Kulturanthropologie der eigenen Gesellschaft“), Regional- und Raumwissenschaft (v.a. zu den konkreten räumlich-soziokulturellen Erscheinungsweisen all dessen, etwa anhand von vergleichenden Fallstudien zu Metropolen und Peripheriegebieten), Religionswissenschaft (v.a. Religion und Gesellschaft in christlicher und islamischer Perspektive, Umgang mit und Bindung von Gewalt, Sinnstiftung über inner- und außerweltliche Transzendenzbehauptungen), Philosophie (v.a. Reflexion auf die anthropologische Bedeutung von Identität und Beheimatung), sowie Geschichtswissenschaft (v.a. für institutsrelevante Längsschnittanalysen von sozialen Umbrüchen, Repräsentations- und Partizipationsveränderungen, gesellschaftsprägenden rechtlichen Ordnungen, wirtschaftlichen Gelegenheitsstrukturen sowie (Über-) Nutzungsprozessen, und von kulturellen Konstruktionen wie „wir“ und „die anderen“). 

Diese „Spiegel-Mitarbeiter“ unterstehen dienstrechtlich dem „Direktor für Forschung“, werden aber in einem gemeinsamen Besetzungsverfahren mit den Projektverantwortlichen jener Partnerinstitutionen ausgewählt, deren Forschungstätigkeit vom jeweiligen Mitarbeiter an der Koordinierungsstelle in besonderer Weise „gespiegelt“ wird. Es ist die Aufgabe des „Direktors für Forschung“, mittels dieser „Spiegel-Mitarbeiter“ – und somit über die Absprachen im Institutsvorstand sowie auf gemeinsamen Arbeitstagungen hinaus – die inhaltliche Kohäsion der Forschungsarbeiten zu gewährleisten sowie das im Forschungsverbund erarbeitete Wissen zusammenzuführen und praktisch nutzbar zu machen. 

  • Dem „Direktor für Kooperation und Praxisberatung“ untersteht das erforderliche Personal für seine im nächsten Abschnitt umrissenen Aufgaben bei den fallübergreifenden Fokusgruppen, bei der „kommunalpolitischen Task Force“, beim Wissenschaftskolleg, bei den Sommerschulen sowie bei der systematischen Vernetzungstätigkeit

Die Antragsteller sehen ihre Rolle im geplanten Forschungsverbund im Aufbau und in der Leitung der Koordinierungsstelle; in der Durchführung eines besonderen, im übernächsten Abschnitt zu umreißenden Forschungsvorhabens; und im Aufbau der für Kooperation und Praxisberatung erforderlichen Netzwerkstruktur sowie in der Organisation der das Zusammenwirken mit politisch-administrativen Praktikern sicherstellenden Tagungstätigkeit.

IV. Vernetzung, Kooperation, Praxisberatung und politische Bildung

1. Die „Zweite Säule“ des Instituts

Das aufzubauende Institut soll nicht nur ein Forschungsinstitut sein, sondern – gesellschaftlichen Zusammenhalt fördernd – auf der Grundlage der erarbeiteten Erkenntnisse auch recht unmittelbar der gesellschaftlichen und politischen Praxis dienen. Unter letzterer ist dreierlei zu verstehen: konkretes Verwaltungshandeln; das Handeln (zivil-) gesellschaftlicher und nicht-staatlicher politischer Akteure; die Vermittlung politischer Bildung. 

Weil also vom engeren Bereich der Forschung in den viel weiteren Bereich der öffentlichen Debatten und in die Politik hineingewirkt werden soll, ist quer über das dezentrale Institut politischer und weltanschaulicher Pluralismus sicherzustellen. Dazu gehört auch Offenheit für die unterschiedliche Bewertbarkeit selbst auf der Faktenebene unumstrittener Sachverhalte. Ferner ist wünschenswert, dass in alle einschlägigen Bereiche nicht nur der Wissenschaft, sondern auch der Gesellschaft und Politik hinein Netzwerkstrukturen aufgebaut werden, und dass obendrein sichergestellt wird, dass auch von diesen her Anregungen für Frage- und Problemstellungen in die Forschungsarbeit des Instituts eingebracht werden können.

Zu diesem Zweck soll insbesondere die „Koordinierungsstelle“ des Instituts zu einer weithin bekannten und kompetenten Anlaufstelle für alle Nachfragen nach wissenschaftlicher und praktischer Kompetenz beim Umgang mit den Herausforderungen und Chancen des Zusammenhalts unserer Gesellschaft werden. Also soll das Institut auch zu einem auf Forschungsarbeit gestützten „Think Tank“ werden und als solcher mit Einrichtungen ähnlicher Zielrichtung im In- und Ausland kooperieren. Entlang dafür geeigneter (Forschungs-) Projekte soll das Institut Praktiker aus Verwaltung und Politik, Vertreter zivilgesellschaftlicher Organisationen, Wissenschaftler sowie an einer inhaltlichen Mitarbeit interessierte Einzelpersonen teils themenbezogen, teils projektbezogen miteinander vernetzen, einen kontinuierlichen Erfahrungsaustausch zwischen ihnen organisieren und auf diese Weise auch praktische Wirkungen entfalten. Dem sollen Modellprojekte, kommunen- und sozialraumspezifische Adaptionen von Best Practice-Projekten sowie Vorschläge zu Verfahrensverbesserungen dienen, die sich aus zu diesem Zweck abgehaltenen Arbeitstagungen und Workshops ergeben. Bei alledem soll besonderes Augenmerk auf den Ressourcen gesellschaftlicher Beteiligung und auf einer möglichst wirkungsvollen Förderung und Entwicklung demokratischer Legitimationsmöglichkeiten liegen. Auch die rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sowie die noch zu schaffenden Möglichkeiten besseren gesellschaftlichen Zusammenhalts sollen erkundet werden.

Die am projektierten Institut mögliche,, ganz besondere Verbindung von wissenschaftlicher Qualitätssicherung, Praxisrelevanz und Öffentlichkeitsorientierung kann einen nachhaltig wirksamen Beitrag zur Behebung jener Störungen in den gesellschaftlichen Kommunikations-, Informations- und Diskussionsprozessen leisten, die wir in Deutschland und Europa derzeit beobachten. Vermutlich entstehen so auch gute Chancen dafür, seitens des Instituts das zivilgesellschaftliche Engagement zu fördern, demokratische Gegenkräfte gegen populistische oder gar extremistische Polarisierungsversuche zu stärken und in vielfacher Weise der außerschulischen wie schulischen politischen Bildungsarbeit zu dienen. 

2. Die „Praxisprojekte“ des Instituts

Die „Praxisprojekte“ können sehr wohl auch Seitenstücke zu den dezentralen Forschungsprojekten der kooperierenden Institutionen sein. Doch es sollte obendrein die folgenden zentralen Praxisprojekte des Instituts geben:

  • Wissenschaftskolleg. Es sollen Wissenschaftlern Stipendien zur Verfügung gestellt werden, damit sie – vorzugsweise an der Koordinierungsstelle des Instituts – interdisziplinär-querschnittsartig oder praxisbezogen an einem Forschungsgegenstand des Instituts mitarbeiten können.
  • Sommerschulen zum gesellschaftlichen Zusammenhalt und seinen Voraussetzungen. Einmal jährlich durchgeführt, soll ein komplexes Themengebiet gesellschaftlichen Zusammenhalts und seiner Voraussetzungen in der Weise durchgearbeitet werden, dass erfahrene Wissenschaftler und Praktiker aus Verwaltung, Politik und Zivilgesellschaft mit der Neugier, kritischen Distanz und themenbezogenen Rechercheleistung von interessierten jüngeren und älteren Teilnehmern zusammengebracht werden.
  • Fokusgruppen zu fallübergreifenden Herausforderungen gesellschaftlichen Zusammenhalts. Es sollen aus der Praxis heraus und laufend die jeweils aktuell werdenden gesellschaftlichen Zusammenhaltsprobleme identifiziert und daraus Recherche- oder Analyseaufgaben des Instituts abgeleitet werden. Für diesen Zweck eignen sich interdisziplinäre Arbeitsgruppen von Wissenschaftlern und Praktikern aus Deutschland und dem Ausland, die jährlich zu mindestens einer Arbeitstagung zusammenkommen. Folgendes sollten die Themen je einer Fokusgruppe sein: Soziale Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit; Wirtschaft und Familie; Recht und Sicherheit; Werte und Religion; Medien und interkulturelle Kommunikation; Migration und Integration; Zusammengehörigkeit und Beheimatung.
  • „Kommunale Task Force“ zum fallweisen Einsatz bei lokalen oder regionalen Herausforderungen gesellschaftlichen Zusammenhalts. Es soll ein Netzwerk von Städten geschaffen werden, aus dem sich – in Zusammenarbeit mit dem Institut – Personalressourcen und Sachkompetenz für jene Fälle aufbauen, bereithalten und auf Anfrage zur Verfügung stellen lassen, in denen es Schwierigkeiten mit der Sicherung von gesellschaftlichem Zusammenhalt gibt. Ziel ist der Aufbau und die Schulung von fallweise zusammenstellbaren Teams aus u.a. Politikfeldanalysten, Medienexperten, Juristen, Sozialarbeitern und Mediatoren, die in größeren Konfliktfällen rasch zur „Hilfe von außen“ bereitstünden.
  • Systematische Vernetzungsarbeit. Es sollen verlässliche Netzwerke in den politischen und vorpolitischen Raum hinein aufgebaut sowie durch regelmäßige Gesprächsrunden, gemeinsame Tagungen oder (Ab-)Stellungen von Referenten auf Konferenzen lebendig gehalten werden. Auch auf diese Weise soll ein ständiger Zwei-Wege-Informationsfluss zwischen Wissenschaft und Praxis sichergestellt werden. Zielgruppen wären gesellschaftspolitisch tätige Akademien oder Bildungswerke; Einrichtungen speziell der politischen Bildung; die parteinahen Stiftungen; sowie einschlägige Beratungs- und Forschungsinstitute im In- und Ausland.

V. Eigener Forschungsbeitrag zum Arbeitsprogramm des Instituts, zugleich thematischer Kern eines Partnerverbundes: „Gesellschaftlicher Wandel und die Gelingensbedingungen der Integration von Neuem“

Unsere Gesellschaft, mitsamt ihren Möglichkeiten und Formen gesellschaftlicher Teilhabe, verändert sich derzeit grundlegend, unter anderem durch die Wucht der sogenannten „dritten industriellen Revolution“. Wie weitreichend das sein dürfte, zeigt sich etwa bei der Abschätzung von Folgen einer Volldigitalisierung gesellschaftlicher Prozesse, einschließlich eines „Internet der Dinge“. Die dann in Echtzeit mögliche Kommunikation über Realveränderungen sowie ein kaum noch limitierter Informationsaustausch lassen dann nicht nur Regionen und Staaten zusammenrücken, sondern auch die europa-, ja weltweiten Problemlagen und Diskurslandschaften. Nicht nur Veränderungen in der Wirklichkeit selbst, sondern auch solche in der Wirklichkeitswahrnehmung beschleunigen sich anschließend und entfalten große politische Folgewirkungen. Zu den bereits jetzt unübersehbaren Folgen solcher Wandlungsprozesse gehören Wünsche einesteils nach Entschleunigung und Stabilität, andernteils nach Migration in jene Länder, die mit den anstehenden Problemen besser fertigzuwerden scheinen als das eigene.

Außerdem wird für lange Zeit – wenn nicht auf Dauer – Deutschland eine Einwanderungsgesellschaft sein. Das führt zur Frage, welche Perspektiven unsere durch ihren Wandel im Grunde selbst verunsicherte Ankunftsgesellschaft ihren Zuwanderern wohl zu eröffnen vermag, und auf welche Weise deren Integration so gelingen kann, dass weiterhin der gesellschaftliche Zusammenhalt gesichert bleibt. Dabei stellt sich nicht nur für Migranten, sondern auch für viele länger schon im Land Lebende die Frage nach ihrer Identität und Zugehörigkeit, und zwar nicht nur deutungskulturell, sondern auch ganz alltagspraktisch. Bislang erteilte Antworten, ihrerseits konfliktträchtig reichend vom „laissez faire“ bis zu Abschottungsimperativen, haben die mehrdimensionale Kohäsion unserer Gesellschaft nicht wirklich gefördert, sondern unübersehbare Spannung gezeitigt, ja zu politischer Polarisierung und zu Exklusionsprozessen geführt. Überdies mindern fühlbare Einkommens- und Besitzspreizungen mitsamt ihren sozialräumlichen Auswirkungen die sozioökonomische Kohäsion unserer Gesellschaft. Auch als Reaktionen darauf erleben wir auch neue Herausforderungen für das Verhältnis von Freiheit und Sicherheit.

Wandlungsprozesse öffentlicher Meinungsbildung und politischer Diskurse erzeugen zusätzlich eine Spaltung von Kommunikationskreisen und politischen Überzeugungsgemeinschaften, beeinträchtigen also auch ihrerseits die kommunikative und soziokulturelle Kohäsion. Das lässt den notwendigen, ein Gemeinwesen mit pluralistischer Demokratie auch zusammenhaltenden „Streit um die richtige Politik“ derzeit oft misslingen, nicht zuletzt auch aufgrund von mancherlei als sozial wünschenswert gehandhabter Kommunikationsverweigerung. Somit erweist sich die Prozessdimension unseres gesellschaftlichen Zusammenhalts als nicht länger frei von gravierenden Störungen. 

Aus allen diesen Gründen lassen sich zentrale, weit in die Tiefe gehende Probleme des gesellschaftlichen Zusammenhalts in Form von innerdeutsch und europäisch vergleichenden Fallstudien auf spannungsträchtigen Politikfeldern wie unter einer Lupe untersuchen. Zu solchen Untersuchungsfeldern gehört zumal der gesellschaftlich-diskursive und politisch-administrative Umgang …

  • mit der Planung und Umsetzung großer oder anderweitig umstrittener Infrastrukturvorhaben technischer oder kultureller Art;
  • mit der Sicherstellung öffentlicher Ordnung und der Ahndung bzw. Bekämpfung von Straftaten;
  • mit der Aufrechterhaltung einer Infrastruktur, die politisch-administrative sowie bürgerschaftliche Partizipationsmöglichkeiten bietet, zumal in alternden oder an Bevölkerungszahl abnehmenden Regionen;
  • mit der Ansiedlung oder Schließung von Betrieben im Spannungsfeld zwischen innovationsverpflichteter betriebswirtschaftlicher Rationalität, auch unter dem Druck von Europäisierung sowie Globalisierung, und regionaler Verantwortung und Gemeinsinn;
  • mit regionalen Prozessen des sozialen Auseinanderdriftens von Bevölkerungsteilen, bis hin zur soziostrukturellen Ghettobildung und deren politischen Folgen;
  • mit der kommunikativen (Selbst-) Prekarisierung von Bevölkerungsgruppen und mit den individuell-habituellen sowie kollektiv-wirklichkeitskonstruktiven Folgen dessen;
  • mit der Entstehung virtueller Parallelwelten, etwa durch Filterblasen und Echokammern im Internet, mitsamt ihren realweltlichen Konsequenzen;
  • mit dem Aufkommen und der Verfestigung von Protestmilieus, mit dem politischen Ausdruck solcher Prozesse im Demonstrations- und Wahlverhalten, in politisch-kultureller Polarisierung, sowie erst recht im Aufkommen bzw. in der Dynamik politischer Protestparteien. 

Schwierigkeiten für die Sicherung gesellschaftlichen Zusammenhalts entstehen auf allen acht Politikfeldern. Dabei gehen die allgemeinen politischen Herausforderungen (1) bis (4) oft mit einzelnen oder mehreren der besonderen politischen Herausforderungen (5) bis (8) einher. Die letzteren wiederum sind nicht selten in besonderer Weise von Migrationseffekten betroffen. 

Aus diesen praktischen Problemen leitet sich die folgende, sowohl wissenschaftlich als auch politisch wichtige Fragestellung eines komplexen Forschungsvorhabens ab: „Wie kann unter so vielschichtigen Umständen gesellschaftlichen Wandels eine den gesellschaftlichen Zusammenhalt sichernde Politik aussehen – und zwar genau dort, wo sie konkret wird, nämlich in den Kommunen?“

Um als Antwort auf diese Frage die grundsätzlichen „Gelingensbedingungen“ solcher Politik ausfindig zu machen, sind jene Kommunen, die – gemäß den oben umrissenen Indikatoren gesellschaftlichen Zusammenhalts – mit solchen Herausforderungen gut zurechtkommen oder zurechtgekommen sind, mit solchen Kommunen zu vergleichen (zunächst bundesweit, später auch europaweit), in denen dies viel weniger gut gelingt oder gelang. Eine geeignete Zusammenstellung dieser Untersuchungsfälle sollte nach einer Vorstudie leicht gelingen. Um außerdem die speziell auf Migrationseffekte zurückzuführenden Herausforderungen gesellschaftlichen Zusammenhalts von solchen Problemen zu unterscheiden, die allgemein auf Effekte technischer, wirtschaftlicher oder kultureller Innovationen zurückzuführen sein mögen, sind obendrein – für jede der beiden genannten Fallgruppen – Kommunen mit einem niedrigen Migrantenanteil mit Kommunen zu vergleichen, die einen hohen Migrantenanteil aufweisen. Auch dieser zweite Schritt der Zusammenstellung der Untersuchungsfälle ist mittels einer Vorstudie leicht zu tun.

Es gilt also, auf der Ebene zunächst deutscher, später europäischer Kommunen doppelt vergleichende und somit ziemlich komplexe Fallstudien durchzuführen. In der ersten Vergleichsdimension braucht es Kommunen mit starkem bzw. klar schwächerem gesellschaftlichen Zusammenhalt, bemessen nach der oben dargelegten Operationalisierung. In der zweiten Vergleichsdimension braucht es Kommunen mit besonders hohem bzw. besonders niedrigem Migrantenanteil. In jeder dieser vier Fallgruppen sollen möglichst je vier Kommunen mit ihren je besonderen politischen Problemkonfigurationen untersucht werden. Pro Vergleichspaar jeweils möglichst eine ostdeutsche Kommune mit einer westdeutschen Kommune sowie eine urbane mit einer ländlichen Kommune verglichen werden. Das verlangte nach Fallstudien von sechzehn Kommunen; doch vielleicht lässt sich anhand der Ergebnisse der Vorstudie diese Fallzahl auch verringern. 

Das Forschungsinteresse richtet sich dabei (a) insgesamt auf die jeweils gegebenen Möglichkeiten und womöglich auch Grenzen der Gesellschaft vor Ort, sich ohne Gefährdung ihres konkreten Zusammenhalts zu wandeln und Neues zu verwirklichen, und (b) darauf, welchen besonderen Beitrag zu gerade gelingenden Veränderungsprozessen welche Arten von politisch-administrativen Maßnahmen sowie von zivilgesellschaftlichen Projekten leisten können. Obendrein sollen (c) die Fallstudienbefunde eingebettet werden in bundes- oder europaweite Daten bzw. Studien zu den einschlägigen sozial- und wirtschaftsgeographischen, politisch-kulturellen, administrativ-rechtlichen und kommunikativen Faktoren. Insofern ist dieses vergleichende „konfigurative“ Fallstudienprojekt leicht zu verbinden mit zusätzlichen „variablenorientierten“ und auf Aggregatdaten bzw. demoskopische Befunde bauenden Forschungsprojekten, zumal mit solchen, die thematisch fokussierte Quer- oder Längsschnittstudien durchführen, etwa zur gesellschaftlichen Polarisierung oder zu einzelnen Dimensionen von Wandel, etwa von rechtlichem und administrativem Wandel. Ziel ist es, am Ende ein Kausalmodell gelingender, den gesellschaftlichen Zusammenhalt nicht gefährdender Implementation von bislang gesellschaftlich oder kulturell Neuem zu erarbeiten, und zwar auf der Grundlage von sowohl praktischen Erfahrungen in systematisch vergleichbaren Kommunen als auch von fallübergreifenden (sozial-) wissenschaftlichen Befunden.

Sinnvollerweise werden solche Studien auch im Zusammenwirken mit Praktikern aus Kommunalpolitik, Verwaltung, regionalen Unternehmen und örtlicher Zivilgesellschaft durchgeführt. Dann können sie nämlich – über die Überprüfung einschlägiger sozialwissenschaftlicher Theorien und ihrer Hypothesen hinaus – sowohl auf dem Reflexionsstand von Praktikern aufbauen als auch diesen problemlösend weiterentwickeln. Bei alledem ist außerdem zu achten auf das Wechselspiel zwischen realen Veränderungen im gesellschaftlichen Alltag sowie dem Erleben von Veränderungen seitens der davon gleichwie Betroffenen, und ebenso auf die (Veränderungen der) erfahrungsstrukturierenden und bewertungsleitenden Deutungsrahmen solchen Erlebens sowie auf die daraus gezogenen handlungspraktischen Folgerungen. 

Für die Datenerhebung braucht es umfangreiche Dokumentenanalysen, statistische Analysen, leitfadengestützte Interviews, Diskussionen in Fokusgruppen und Beobachtungen vor Ort. Im Übrigen gilt es die Befunde aus der Vergleichsanalyse ausgewählter Kommunen einzubetten in Daten kooperierender Forschungsvorhaben, etwa zu den einschlägigen sozial- und wirtschaftsgeographischen, politisch-kulturellen und kommunikativen Faktoren. Insgesamt muss die Datenanalyse einesteils die Prüfung von Hypothesen aus vorhandenen einschlägigen Theorien oder sonstigen putativen Propositionen einschließen, andernteils aber offen sein für die Generierung gegenstandsbegründeter Theorie auf der Grundlage des erhobenen Datenmaterials. 

Insgesamt verlangt dieses Forschungsvorhaben nach mehrfacher „Triangulation“, nämlich nach der Kombination unterschiedlicher Theorieansätze, nach dem Ineinandergreifen unterschiedlicher Methoden und Forschungsansätze, sowie nach der Zusammenarbeit von Wissenschaftlern unterschiedlicher Disziplinen. Deshalb bietet es reichhaltige Kooperationsmöglichkeiten von Politikwissenschaftlern, Soziologen, Sozial- und Kulturgeographen, Kommunikationswissenschaftlern, Rechts- und Verwaltungswissenschaftlern sowie Regionalhistorikern. Außerdem verbindet es den theoretischen und praktischen Teil des zugründenden Instituts. Aus allen diesen Gründen bietet sich dieses Projekt als thematischer Kern eines Partnerverbundes, der sowohl die vorhandenen Forschungskapazitäten der TU Dresden oder umliegender Hochschulen in den Dienst des gemeinsamen Vorhabens stellt als auch, einmal im Rahmen des bundesweiten Instituts konstituiert, den hiesigen Wissenschaftsstandort im Bereich der Sozialwissenschaften deutlich stärkt sowie mit der Zivilgesellschaft und kommunalen Ebene mehrerer Städte und Regionen vernetzt.

VI. Projektteilnehmer und Projektpartner 

1. Teilnehmer am Dresdner Partnerverbund

Die nachstehenden Partner tragen als „Standordkonsortium“ die hier vorgelegte Interessenbekundung der TU Dresden. Detailliert werden ihre Beiträge zur Arbeit des Instituts während der einjährigen „Vorphase“ der Institutsarbeit ausgearbeitet.

  • Prof. Dr. Werner J. Patzelt (TU Dresden) und Dr. Joachim Klose (Zentrum für gesellschaftlichen Zusammenhalt und Integration e.V.), Initiatoren des „Instituts für gesellschaftlichen Zusammenhalt“ und Hauptverfasser dieser Interessenbekundung. Beitrag: Leitung des Partnerverbundes; Aufbau der Koordinierungsstelle des Instituts; sowie wissenschaftliche Leitung des Integrationsprojekts „Gesellschaftlicher Wandel und die Gelingensbedingungen der Integration von Neuem“
  • „Zentrum für Integrationsstudien“, TU Dresden; Beitrag: ….
  • Exzellenzcluster „Raumwissenschaftliche Analysen gesellschaftlichen Zusammenhalts“; Beitrag: …. 
  • „Mercator Forum für Migration und Demokratie“; Beitrag: …. 
  • „Hannah Arendt Institut für Totalitarismusforschung“; Beitrag: ….
  • N.N; Beitrag: …
  • Hochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege, Meißen; Beitrag: Administrative Handhabung regionaler Probleme gesellschaftlichen Zusammenhalts (Zusage)
  • Hochschule Mittweida; Beitrag: Kommunikationsaspekte gesellschaftlichen Zusammenhalts (Zusage)

2. Weitere Forschungspartner

Laut Ausschreibung obliegt die Auswahl der Verbundpartner des dezentralen „Instituts für gesellschaftlichen Zusammenhalt“, auf der Grundlage einschlägiger Interessenbekundungen, dem BMBF. Wir bewerben uns dabei – neben den Mitteln für ein konkretes, komplexes Forschungsvorhaben – um den Aufbau der Koordinierungsstelle dieses Instituts an der TU Dresden sowie um den Aufbau eines „Think Tanks“ als „Zweiter Säule“ des Instituts. Mit allen weiteren vom BMBF ausgewählten Partnern werden kompromiss- und erfolgsorientiert zusammenarbeiten. 

Wahrscheinlich werden sich auch einzelne Institutionen aus dem Mitgliederkreis des Vereins „Zentrum für gesellschaftlichen Zusammenhalt und Integration“ als Verbundpartner bewerben, etwa die Universität Passau (Prof. Dr. Barbara Zehnpfennig) oder die LMU München (Prof. Dr. Markus Vogt); obendrein gibt es eine Bekundung von Mitwirkungsinteresse seitens des „Mannheimer Zentrums für Europäische Sozialforschung“, des SOCIUM Forschungszentrums Ungleichheit und Sozialpolitik der Universität Bremen (Prof. Dr. Uwe Schimank) und von Kollegen von der Universität Leipzig (Prof. Dr. Hans-Georg Ebert, Prof. Dr. Arnd Uhle) sowie von der Katholischen Universität Eichstätt (Prof. Dr. Walter Schweidler). Bereits jetzt gibt es ein gemeinsames, einschlägiges Forschungsprojekt mit Prof. Dr. Aladin El-Mafaalani von der Fachhochschule Münster und dem Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld.  

3. Praxispartner

Zu den Praxispartnern gehören derzeit schon mehrere Kommunen, etwa die Landeshauptstadt Dresden, die Städte Heidenau und Torgau, sowie Träger der politischen Bildung wie die Sächsische Landeszentrale für politische Bildung, die Bundeszentrale für politische Bildung, das Politische Bildungsforum der Konrad-Adenauer-Stiftung im Freistaat Sachsen, nach Abschluss entsprechender Vereinbarungen auch die Friedrich-Ebert-Stiftung und die Heinrich-Böll-Stiftung, sowie Vereine wie die Aktion Zivilcourage e.V. in Pirna.  

VII. Berührungspunkte mit anderen Forschungsaktivitäten im BMBF

Gesellschaftlicher Zusammenhalt ist eine Voraussetzung für die kreative Integration von Neuem. Dieses dann aber auch zu unternehmen, führt leicht zum teils gefühlten, teils realen Verlust an Sicherheit und Geborgenheit. Dadurch ergeben sich neue Anforderungen an die gesellschaftlichen Sicherheitskulturen sowie an institutionelle Sicherheitsarchitekturen. Der Analyse solcher Herausforderungen widmet sich das BMBF-Projekt „Zivile Sicherheitsforschung“, welches das Themenfeld „Sicherheit“ im gesellschaftlichen Kontext betrachtet und sich mit künftigen systemischen Risiken, Gefahren und Bedrohungen durch technischen Wandel befasst. Gesucht sind Sicherheitskonzepte, die sowohl zur Praxis der Gesellschaft passen als auch den Bedürfnissen und Erwartungen der Bürgerschaft gerecht werden. Besonders nah an die hier vorgeschlagenen Problemfelder führen dabei folgende Fragen: Wie nehmen Menschen Risiken und Gefahren wahr? Wie gehen sie mit ihnen um? Wie wird Sicherheit in einer Gesellschaft ausgehandelt? Welche Bedeutung kommt dabei Kommunikationsprozessen zu?

In diesem Zusammenhang ist wichtig, dass durch Technisierung und neue Kommunikationstechnologien auch ländliche Gebiete gleichsam urbanisiert und in nationale bis globale Diskurse hineingezogen werden. Wenn sich dabei der Sozialraum verändert und die Bürger gar das Gefühl haben, aufgrund zu hoher Innovationsgeschwindigkeit nicht mehr an für sie wichtigen Entwicklungen partizipieren zu können, dann tritt auf, was man „Heimatverlust“ nennen kann. Das mit ihm einhergehende Schwinden von sozialem Zusammenhalt kann seinerseits weitere Sicherheitsdefizite bewirken. Wenn nämlich Erfahrungsmuster wie Geborgenheit, Sicherheit und wechselseitiges Annehmen nicht mehr verlässlich sind, kommt es leicht zu gesellschaftlichen Verwerfungen und politischen Protesten. Entsprechende Untersuchungen werden derzeit auch vom Weizenbaum-Institut für die vernetzte Gesellschaft untersucht und bieten somit Anknüpfungspunkte zum oben umrissenen Forschungsvorhaben. 

Das Beschriebene verschärft sich noch vor dem Hintergrund der mit der Globalisierung verbundenen Migration. Zwar wird Einwanderung in Deutschland mehrheitlich als gesellschaftliche Normalität akzeptiert. Auch deshalb wachsen die Städte Deutschlands und verändern sich spürbar in kultureller, sozialstruktureller und institutioneller Hinsicht. Und weil solche Prozesse sich zwischen Stadt und Land – und entsprechend zwischen den Bundesländern – in unterschiedlichen Geschwindigkeiten vollziehen, geraten einzelne Regionen dann leicht auch ins Hintertreffen. Dann gilt es, Ausgleichsprozesse zu entwickeln sowie politische und wirtschaftliche Handlungsoptionen zu entwerfen. Dem widmet sich besonders die Fördermaßnahme „Migration und gesellschaftlicher Wandel“ des BMBF.

VIII. Nachweis der fachlichen Eignung 

[Wird verfasst, nachdem der Teilnehmerkreis des Dresdner Partnerverbundes klar ist]

Grobkalkulation der Kosten für die einjährige Vorphase

  1. Wissenschaftliches Personal
    1. Vertretungsstelle Leiter* (12 Monate, E14 TVöD)          5.872€/Monat  70.464€/Jahr
    1. Wissenschaftlicher Mitarbeiter (50%, 12 Monate, E13) 2.725€/Monat  32.700€/Jahr
  2. Sachausgaben, Geschäftsbedarf                                                                      1.500€

(Computer, Telefonkosten, Literatur, Bürobedarf etc.)

  • 2 Tagungen (zwei Übernachtungen, 15 Teilnehmer, incl. Fahrtkosten)               14.000€
  • Reisemittel                                                                                                     1.336€

Gesamtkosten                                                                                                            120.000€

Das wissenschaftliche Personal wird in der Vorphase bis zu einer Gehaltsgruppe E14 TVöD oder vergleichbar bezahlt. Davon können Vertretungsstellen finanziert werden. Zu klären ist, ob es einen Ausgleich geben kann, wenn die Stellen, die zu vertreten sind, höher dotiert sind und der Arbeitgeber die Projektbearbeiter nur unbefristet freistellt.

Anhang

Liste der zitierten Literatur – wird noch eingearbeitet

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