Regensburger Rumoren

Regensburger Rumoren

I. Worum geht es?

Für den kommenden Mittwoch, 15. Juni, hat mich die Fachschaft Politikwissenschaft der Universität Regensburg im Rahmen ihrer Veranstaltungsreihe „Gewalt und Politik“ zu einem Vortrag an der dortigen Universität eingeladen. Mein Thema lautet: „Für Radikalität, gegen Gewalt! Vom Wert der pluralistischen Demokratie”.

Hier ist das Abstract meines Vortrags:

„Unter Menschen ist es recht selbstverständlich, unterschiedlicher politischer Meinung zu sein. Nicht selbstverständlich ist es aber, dass ein Staat oder eine Gesellschaft offenen politischen Streit auch zulässt und gewährleistet, dass jeder seine Meinung frei von Angst vertreten kann. Das ist der ganz besondere Wert pluralistischer Demokratie. Gerade sie, auch wenn sie leider nur selten in Geschichte und Gegenwart vorkommt, macht Staaten und Gesellschaften lernfähig, indem sie Kritik an den herrschenden Verhältnissen ermöglicht und nicht bloß die Affirmation des Bestehenden verlangt. In einer pluralistischen Demokratie ist außerdem Platz für inhaltliche Radikalität aller Art – und eben nicht nur für Mäßigung, Besonnenheit und politisch korrekte Vorsicht. Die einzige Grenze zieht allem Streit die Achtung der Menschenwürde, gerade auch der des Gegners. Gewalt aber zielt am Geist des Anderen vorbei auf dessen Gefühle und oft auch Körper – und entwürdigt ihn eben dadurch im Kern seiner Persönlichkeit. Also muss politischer Streit gewaltfrei bleiben, falls man die so selten erlangbaren Vorteile pluralistischer Demokratie nicht aufs Spiel setzen will.“

Gegen diesen Vortrag regte sich nun schon vor Wochen Widerstand. Er verdichtete sich in einem mit Datum vom 9. Juni an mich gerichteten „Offenen Brief“ der folgenden Unterzeichner:

Studentischer Sprecher*innenrat Universität Regensburg

Fachschaft Philosophie Universität Regensburg

AK queer Regensburg

festival contre le racisme Regensburg

Petra Pan Projekt Regensburg

Linksjugend [’solid] Regensburg

AK Ökologie Regensburg

anita f – antifaschistische Gruppe in Regensburg

AK Gewerkschaften Universität und OTH Regensburg

DGB Jugend Regensburg

Bunte Liste Universität Regensburg

LAF/Juso-Hochschulgruppe Universität Regensburg

Forum Sozialwissenschaften OTH Regensburg.

Leider vergaßen die Unterzeichner, diesen offenen Brief auch an mich zu senden. Also konnte ich ihnen nicht zeitnah antworten. Erst gestern erreichte mich die Email eines Journalisten der „Mittelbayerischen Zeitung“ in Regensburg. Ihr war jener „Offene Brief“ beigelegt, auf dessen Grundlage mir der Journalist zudem schrieb:

„Ich möchte Sie fragen, weshalb Ihnen trotz der Vorwürfe ein Forum geboten werden sollte und was Sie diesen Vorwürfen  entgegen zu setzen haben.

Die Vorwürfe:

– Sie seien ein Sympathieträger rechter Bewegungen.

– Sie seien in Ihrer wissenschaftlichen Arbeit nicht ausreichend neutral.

– Sie könnten in der Debatte keinen sinnvollen Beitrag leisten.

– Sie würden Ressentiments gegen Muslime schüren. Viele kümmere die freiheitlich demokratische Grundordnung gar nicht. Ideologie und Religion sei Ihnen viel wichtiger.

Sehr geehrter Herr Patzelt, ich würde es begrüßen, wenn Sie zu diesen Aussagen bis Sonntag Abend Bezug nehmen würden. Wir möchten über den Disput berichten, über Befürworter und Gegner des Vortrags. Selbstverständlich wollen wir dabei auch Ihre Position verstehen und darlegen.“

Gerne komme ich dieser Einladung nach. Obendrein antworte ich auch gerne direkt auf die im „Offenen Brief“ geäußerten Vorhaltungen.

 

II. Eine Art Interview, gerne auch zur Veröffentlichung in der „Mittelbayerischen Zeitung“

Frage: Warum „soll mir ein Forum geboten werden“?

Antwort: Offen gesagt: Ich brauche gar kein weiteres Forum, weil ich in Fernsehen, Hörfunk, Presse und Internet ohnehin mehr als viele andere Politikwissenschaftler präsent bin! Wenn ich also zu Vorträgen eingeladen werde, pflege ich – entsprechende Terminmöglichkeiten vorausgesetzt – einfach deshalb zuzusagen, weil ich den mich einladenden Veranstaltern einen Gefallen tun will. Und nicht minder offen gesagt: Leitete mich nicht sowohl das Prinzip, eingegangene Verpflichtungen zu erfüllen, als auch der Grundsatz, mir aufgezwungenen Konflikten nicht aus dem Wege zu gehen, so hätte ich gute Lust, mir den ganzen Zeitaufwand für die lange Bahnfahrt nach Regensburg zu ersparen.

Frage: Bin ich ein Sympathieträger rechter Bewegungen?

Antwort: Gemeint ist wohl, ob ich Sympathie für rechte Bewegungen habe. Seit jeher lautet meine klare Antwort so: Ich finde es für schlecht, wenn rechts von CDU bzw. CSU als den – unter den staatstragenden Parteien – bislang am weitesten rechts stehenden Parteien überhaupt eine politisch nennenswerte Partei eine Rolle spielt! Genau deswegen habe ich die CDU scharf kritisiert, als ich bemerkte, dass sie rechts von sich eine Repräsentationslücke entstehen ließ, und deshalb kritisiere ich auch die Parteien links von der CDU dafür, dass sie von der CDU weiterhin genau das Falsche verlangen: nämlich den Verzicht darauf, bis hin zum rechten Narrensaum die politisch-kulturelle Hegemonie zurückzuerlangen.

Seit die AfD – verschuldet von den etablierten Parteien – zu einer relevanten Partei rechts von der CDU geworden ist, werde ich erst recht nicht müde beim Aufruf, dieses Großwerden des deutschen Rechtspopulismus mitsamt seinen Gründen doch bitte ernstzunehmen und – solange noch Zeit dafür sein mag – möglichst viele Wähler der AfD für die bewährt staatstragenden Parteien zurückzugewinnen. Wer diese Haltung als „Sympathie für rechte Bewegungen“ versteht, ist schlicht ein politischer Analphabet. Und wer meint, von einer solchen Haltung getragen müsste ich jetzt gegen die AfD agitieren, der hat nicht verstanden, was die angemessene Rolle eines Politikwissenschaftlers ist: nämlich das Beschreiben, Begreifen, Erklären – und Aufzeigen von Handlungsmöglichkeiten. Das alles tue ich denn auch, und erfreulicherweise mit einigem öffentlichen Echo.

Frage: Bin ich in meiner wissenschaftlichen Arbeit neutral oder nicht neutral?

Antwort: Erstens bin ich als Wissenschaftler allein dem Grundsatz verpflichtet, dass meine Beschreibungen und Erklärungen von Sachverhalten oder Erklärungen mit jenen Tatsachen übereinzustimmen haben, auf die sie sich beziehen. Weil ich seit vielen Jahren empirische Forschungsmethoden lehre, weiß ich auch, wie man solche Aussagen erarbeitet; und man wird in meinen Publikationen natürlich keinerlei Abweichungen von diesem Grundsatz finden. Zweitens stehe ich als Bürger auf der Seite der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und der pluralistischen Demokratie. Als solcher halte ich es mit dem Grundsatz Voltaires, dass ich zwar die Position eines Andersdenkenden – falls die Sache das wert ist – aufs Entschiedenste bekämpfe, doch zugleich stets – was mir wirklich viel wert ist – das Recht des Andersdenkenden verteidige, seine Position zu vertreten, und zwar auch dann, wenn ich sie ablehne. Die Grenze meines Eintretens für die Freiheit des Andersdenkenden zieht allein, ob jener Andersdenkende die freiheitliche demokratische Grundordnung respektiert oder bekämpft. An genau dieser Grenze ist für mich Schluss mit der Toleranz. Und drittens schätze ich persönlich sehr die im höflichen Tonfall geführte streitige Debatte – und zwar sowohl als Angreifer wie auch als jener, der sich gegen Angriffe zu wehren weiß. Nachweislich steht mein gesamtes öffentliches Handeln in Übereinklang mit diesen Grundsätzen.

Frage: Kann ich zu politischen Debatten – etwa um den sich inzwischen auch in Deutschland ausbreitenden Rechtspopulismus – wohl einen sinnvollen Beitrag leisten?

Antwort: Und ob ich das kann und tue! Gewiss wäre ich auch kein so gefragter Gesprächspartner für Öffentlichkeit und Zivilgesellschaft, wenn nicht sehr viele Leute immer wieder ihre Erwartung bestätigt bekämen, ich leistete zu alledem wirklich sinnvolle Beiträge. Obendrein sind viele dieser Beiträge auf meinem Blog wjpazelt.de bequem nachzulesen. Wer aber in jenen Texten liest, der wird Vorurteile wie jene, die den gestellten Fragen zugrunde liegen, als ganz gegenstandslos erkennen. Wer hingegen nicht lesen will oder mir nicht zuhören mag, der wird eben in seinen Vorurteilen befangen bleiben. Das ist dann allerdings sein Versagen, nicht meines.

Frage: Schüre ich Ressentiments gegen Muslime?

Antwort: Nein. Ganz im Gegenteil werbe ich dafür, die Bedingungen für die Entstehung eines zu unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung passenden Islam zu schaffen, nämlich durch Einführung islamischen Religionsunterrichts an unseren öffentlichen Schulen sowie durch die an unseren Universitäten geleistete Ausbildung von islamischen Religionslehrern und von Imamen für die Moscheen in Deutschland. Ich halte zwar den Satz für falsch, es gehöre „der“ Islam zu Deutschland. Ursache ist, dass es „den“ Islam nur in einem abstrakten Sinn gibt, konkret aber gewaltigen Unterschiede zwischen dem Islam bestehen, der von meinem Münsteraner Kollegen Khorchide gelehrt wird, und jenem Islam, den viele Fürsprecher und Aktivisten des „Islamischen Staates“ bewerben. Ich halte allerdings den Satz für sehr richtig, dass Muslime zu Deutschland gehören – zumal ohnehin derzeit gut zwei Millionen Deutsche Muslime sind. Systematisch habe ich meine Position zum Islam schon im April 2015 meinem Blog im Text „Islam, Muslime und Deutschland“ dargestellt (https://wjpatzelt.de/?p=339). Ihn kann jeder leicht lesen, der wirklich wissen will, wie ich zum Islam und zu Muslimen stehe.

 

III. Der „Offene Brief“ und meine Antworten

Nachstehend folgt der Text der Verfasser des „Offenen Briefs“, von mir ergänzt um in eckige Klammern gesetzte Ziffern, auf die sich meine anschließenden Antworten zu den vorgebrachten Vorwürfen beziehen. Diese finden sich nach dem „Offenen Brief“.

 

1. Der „Offene Brief“ von Regensburger besorgten Studierenden

Dieses Sommersemester veranstaltet die Fachschaft Politikwissenschaft der Universität Regensburg eine Vortragsreihe mit dem Titel „Gewalt & Politik“, in deren Rahmen ein Vortrag von Werner Patzelt mit dem Titel „Für Radikalität, gegen Gewalt! Vom Wert der pluralistischen Demokratie“ stattfinden wird. Der zunächst interessant klingende Vortrag hat jedoch einen Haken: den Referenten. Werner Patzelt ist Professor für Politische Systeme und Systemvergleich an der TU Dresden. Seit Beginn der rechten Bewegung PEGIDA beschäftigt er sich mit ihr und führte bislang vier Umfragen auf den montäglichen Demonstrationen durch [1]. Anstatt seiner Position durch eine wissenschaftliche Analyse gerecht zu werden, ergreift er regelmäßig Partei für die Rechtspopulist*innen. [2]

In einem Interview mit der neurechten Zeitung „Jungen Freiheit“ kritisiert Patzelt den Umgang mit den „PEGIDA-Demonstranten“ und plädiert stets dafür, mehr Verständnis für ihre Nöte aufzubringen. (1) Dadurch bestärkt er die Demonstrant*innen von PEGIDA in ihren menschenverachtenden Positionen und fördert Gewalt. Er selbst sieht keinerlei Ansatzpunkte, weshalb PEGIDA undemokratisch sein sollte. Die „Lügenpresse“ und „Merkel muss weg“-Rufe der Demonstrant*innen ignoriert er völlig. Insgesamt argumentiert er strikt gegen den Vorwurf, dass PEGIDA eine rechtspopulistische und menschenfeindliche Gruppierung ist, bzw. fordert, wie in einem Interview im „Sachsen Fernsehen“, dass die Politik Menschen „nur“ weil sie rechts sind, nicht einfach vom Platz stellen darf. (2) (3). Um zu verhindern, dass PEGIDA und AfD stärker wachsen, sieht er einen Lösungsansatz darin, weniger Geflüchtete in Deutschland aufzunehmen. (4) Damit verkennt er die existenzbedrohte Situation der Menschen und fordert das Eingehen auf rechte Positionen.

Des weiteren schürt Patzelt in seinem Artikel „Masseneinwanderung“ Ressentiments gegen Muslim*innen und wirft ihnen ohne weitere Begründung vor, „dass die freiheitliche demokratische Grundordnung sehr viele überhaupt nicht kümmert, sondern Ideologie oder Religion ihnen weit wichtigere Orientierungspunkte sind.“ (5) Damit bedient er den Stereotyp des ungebildeten, religiös fanatischen geflüchteten Menschen, den es zu zivilisieren gelte und konstruiert den Gegensatz zu „einer zugleich wertgebundenen und weltanschaulich neutralen, obendrein pluralistischen und demokratischen Ordnung“ (5), wie er sie in Europa sieht, und inszeniert sich selbst als weltoffenen Demokraten. Die „Akzeptanz“ dieses europäischen Systems hingegen sei „eine höchst seltene Frucht von Kulturen“. (5) Weiterhin setzt Patzelt die derzeitige Flucht der Menschen vor Armut und Krieg mit der Eroberung Afrikas durch europäische Kolonialist*innen gleich. (5) Dieser unverschämte Vergleich verharmlost die brutale und rassistisch motivierte Unterwerfung, Versklavung und Tötung zahlloser Afrikaner*innen und unterstellt zugleich den derzeitigen Flüchtenden sowohl ähnlich böswillige Motive, als auch ähnlich weitreichende Konsequenzen. [3]

Somit outet sich Patzelt nicht nur als Sympathieträger rechter Bewegungen, sondern lässt auch ein Verständnis des Begriffs Pluralismus durchscheinen, der in seiner Scheinheiligkeit schwer zu übertreffen sein dürfte. [4] Entsprechend fällt sein Urteil aus, wenn es um Positionen geht, die sich mit seiner eigenen nicht vereinen lassen: Während PEGIDA lediglich den besorgten Bürgern, deren Sorgen man ernst nehmen müsse, eine Stimme gibt, werden antifaschistische Aktionen von Bündnissen wie „Dresden für alle!“ schnell als undemokratisch diffamiert. Dass eine Gegendemonstration bereits als Angriff auf die Meinungsfreiheit der sogenannten besorgten Bürger*innen gesehen wird, zeugt von einem verqueren Weltbild, in dem die vermeintliche „Angst vor dem Fremden“ (lediglich ein weniger unbequemes Wort für Rassismus, der die Abgrenzung zum vermeintlich Fremden erst möglich macht) als Recht tituliert und so hoch gewichtet wird, dass sie selbst Diskriminierung, soziale Ausgrenzung und Vorverurteilung von Menschen rechtfertigt. [5] Dass die Kritik an Patzelts Pluralismusbegriff nicht aus der Luft gegriffen ist, zeigt auch die Reaktion seiner Kolleg*innen, die sich in einer öffentlichen Stellungnahme von seinen Aussagen distanzieren. (6) Auch die Studierenden der TU Dresden positionieren sich gegen seine fragwürdige Interpretation von PEDIGA und erleben Patzelt „in der gesamten Pegida-Debatte mehr [als] politische[n] Akteur denn Wissenschaftler“. (7)  [6]

Das bestätigt sich bei genauerer Betrachtung seiner Forschungsmethoden. Einige Kritiker*innen kreiden den Studien besonders an, dass Patzelt sich einige Belege „aus der Luft gegriffen und seine eigene politische Haltung zu stark hat einfließen lassen.“ (3) [7] Kritisiert wird beispielsweise die Fragestellung bei seinen Umfragen, die einerseits ungenau, andererseits auf bestimmte Antworten abzielend beschrieben wird. Dass viele PEGIDA-Teilnehmer*innen angeben, in der Demokratie grundsätzlich etwas Positives zu sehen, ist ohne vorhergehendes Eingehen auf den Demokratiebegriff der Befragten kein aussagekräftiges Ergebnis. (8) Darüber hinaus betreibt Patzelt großzügige und tendenziöse Interpretation seiner gesammelten Daten. So werden rassistische Aussagen der PEGIDA-Teilnehmer*innen als lediglich undurchdachte Parolen deklariert. (9) [8] Dass seine Person und Forschung von rechten Bewegungen wie den Identitären auf eine Stufe mit Peter Sloterdijk, der sich durch völkische und rassistische Aussagen schon mehrmals für einen wissenschaftlichen Diskurs disqualifiziert hat, gestellt wird und sie als „wirklich denkende Professoren“ (10) beworben werden, spricht ebenfalls für sich. [9]

Patzelt ist besonders im Kontext des Themas der Vortragsreihe brisant: In einer Zeit, in der sich die Zahl der statistisch erfassten Straftaten von rechts nun das dritte Jahr in Folge vervielfacht und nicht nur Parolen sondern auch Gewalttaten gegen Geflüchtete zum Tagesgeschehen gehören, erscheint es mehr als zweifelhaft, Personen eine Bühne zu bieten, die nachweislich immer und immer wieder unter dem Deckmantel wissenschaftlichen Arbeitens in den rechtspopulistischen Tenor einfallen und somit rassistische und islamfeindliche Positionen zu legitimieren versuchen. [10] Dass er unkritisch und unreflektiert eingeladen ist, seine Thesen zu verbreiten, führt zu einer gesellschaftlichen Akzeptanz und Verharmlosung. [11]

Wir positionieren wir uns ganz klar dagegen, Patzelt ein Podium an der Universität Regensburg zu bieten. Die Einladung einer Referentin oder eines Referenten kann nur dann sinnvoll sein, wenn sie*er einen sinnvollen Beitrag zur Debatte leistet. Wir sind der Überzeugung, dass Werner Patzelt im Licht der dargelegten Tatsachen nicht dazu in der Lage ist, einen solchen Beitrag zu leisten. [12] Da die Fachschaft Politikwissenschaft bedauerlicherweise ihrer Verantwortung als veranstaltende Gruppe nicht gerecht wird, sehen wir uns in der Pflicht, die Einladung zu kritisieren und uns klar davon zu distanzieren.

All refugees welcome! Solidarität mit den kämpfenden Geflüchteten in Dresden und überall! [13]

 

Anmerkungen zum „Offenen Brief“:

1-http://www.deutschlandfunk.de/werner-j-patzelt-aufstand-gegen-professor.680.de.html?dram:article_id=310707
2-https://jungefreiheit.de/debatte/interview/2014/patzelt-demonstranten-nicht-als-rechtsradikale-abtun/
3-http://www.sachsen-fernsehen.de/nachrichten/neue-pegida-studie-politikwissenschaftler-patzelt-wird-zunehmendkritisiert-
1376739
4-http://menschen-in-dresden.de/2016/politikwissenschaftler-werner-patzelt-pegida-und-afd-sind-dasselbe-inverschiedener-gestalt/
5-https://wjpatzelt.de/?p=522
6-http://www.theorieblog.de/wp-content/uploads/2015/01/Stellungnahme-Mitarbeiter.pdf
7-http://www.kulturbuero-sachsen.de/images/PDF/Patzelt. pdf
8-http://publikative.org/2015/06/01/die-methode-patzelt-anmerkungen-zu-patzelts-auseinandersetzung-mit-pegida/
9-http://www.studentenfutter.uni-tuebingen.de/2015_2016/?p=1421
10- http://www.identitaere-bewegung.de/presse/

 

2. Meine Antworten auf den „Offenen Brief“

[1] Dass ich mit Studierenden aus einem Seminar zur Fallstudienforschung die Dresdner PEGIDA-Demonstrationen von Anfang an beobachtend, mit qualitativen Interviews sowie durch Teilnehmerbefragungen mit Repräsentativitätsanspruch begleitet habe, ist ein Teil meiner Arbeit als empirischer Politikwissenschaftler. Ich wüsste nicht, was es daran ernsthaft zu kritisieren gäbe.

[2] Diese Behauptung wird nicht dadurch richtiger, dass sie litaneiartig wiederholt wird. Am 14. Juni wird denn auch in Dresden ein über 660 Seiten langes Buch vorgestellt (Werner J. Patzelt / Joachim Klose: PEGIDA. Warnsignale aus Dresden. Thelem-Verlag; siehe dazu https://tu-dresden.de/gsw/phil/powi/polsys/forschung/pegida/pegida-warnsignale-aus-dresden), in dem die Forschungsergebnisse meiner Forschungsgruppe sowie meine Erklärungen und politischen Einschätzungen PEGIDAs mitsamt allen anderen bislang zu PEGIDA vorliegenden empirischen Befunden dokumentiert sind. Wer dieses Buch zur Kenntnis nimmt, wird die Aussage als völlig falsch erkennen, ich ergriffe „regelmäßig Partei für die Rechtspopulist*innen“. Sie wird im Übrigen auch nicht durch meine auf meinem Blog oder sonst wo im Internet leicht auffindbaren tatsächlichen Aussagen über PEGIDA oder die AfD gedeckt.

[3] Die Aussagen in den vorstehenden zwei Absätzen sind recht schräge Ausdeutungen offensichtlich unverstandener öffentlicher Aussagen von mir. Richtig ist:

  • Ich bin grundsätzlich dafür, Bürger ernstzunehmen – und natürlich auch dann, wenn sie demonstrieren oder rechts eingestellt sind. Auch meine ich, dass man auf Bürgerinnen und Bürger gerade dann kommunikativ Einfluss nehmen muss, wenn sie Falsches meinen, Abwegiges sagen oder Schlimmes tun. Ich empfehle hierzu die Lektüre meines Textes „Die Sorgen der Leute ernstnehmen!“ (https://wjpatzelt.de/?p=532)
  • Ich rufe klar dazu auf, gerade keine Gewalt anzuwenden, etwa in meinem Text „Gegen Gewalt!“ (https://wjpatzelt.de/?p=527).
  • Ich behaupte: zu demonstrieren oder Volksabstimmungen zu fordern, ist durchaus nicht undemokratisch. Das sollte gerade für Linke konsensfähig sein.
  • Rufe wie „Lügenpresse“ oder „Merkel muss weg“ werden von mir nicht ignoriert, sondern im oben genannten Buch ausführlich behandelt.
  • Ich selbst nenne PEGIDA eine rechtspopulistische Bewegung und zeige auf, welche Gruppierungen unter den Pegidianern in welchen Anteilen nachweislich menschenfeindlich sind. Näheres in Patzelt/Klose, PEGIDA, a.a.O.
  • Ich behaupte, dass nur die Verringerung der Anzahl von Geflüchteten, die in kurzer Zeit nach Deutschland kommen, die Chance bietet, die durch die Zuwanderung sich stellenden Herausforderungen so zu bestehen, dass weder Deutschlands lobenswerte Willkommenskultur erodiert noch das Risiko aufkommt, dass ethnische Konflikte sich mit soziokulturellen Konflikten so verbinden, dass die Liberalität unserer Gesellschaft Schaden nimmt. Die derzeitigen Folgen des einstweiligen – von mir seit dem Herbst 2015 geforderten – Rückgangs der Zuwanderung nach Deutschland bekräftigen meine Einschätzung. Zu alledem empfehle ich die Lektüre meiner folgenden Texte: „Zuwanderung – guter Wille reicht nicht!“ (https://wjpatzelt.de/?p=671) und „Auswege aus der Sackgasse“ (https://wjpatzelt.de/?p=560).
  • Ich erkenne sehr wohl, dass etwa der schlimme Militärdienst für junge Eritreer und die Schrecken des syrischen Bürgerkriegs für dortige Familien existenzbedrohende Situationen sind, die zur Flucht veranlassen und uns die Aufgabe stellen, von Hilfsbereitschaft nicht nur zu reden, sondern sie auch zu praktizieren.
  • Keineswegs schüre ich Ressentiments gegen Muslime, sondern trete dafür ein, in Deutschland einen zu unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung passenden Islam zu fördern (siehe dazu meinen Text „Islam, Muslime – und Deutschland“; https://wjpatzelt.de/?p=339). Zugleich rate ich zu bedenken, dass einem aus existentieller Not geflüchteten Muslim in der Regel seine Religion oder seine politische Überzeugung wichtiger sind als jene freiheitliche demokratische Grundordnung, die er in der Regel noch nie in Praxis oder Theorie kennengelernt hat. Also braucht es redliche Anstrengungen, zu uns gekommene Geflüchtete mit unserer politischen Kultur vertraut zu machen und sie möglichst alle für unsere pluralistische Demokratie zu gewinnen. Ich weiß wirklich nicht, was an dieser Position falsch sein sollte.
  • Ich behaupte, dass freiheitliche demokratische Grundordnungen außerhalb der westlichen Kulturen nicht allzu oft vorkommen, und dass sich ihr Entstehen sehr stark eben den kulturellen Voraussetzungen Europas und seiner früheren – zumal nordamerikanischen – Kolonien verdankt. Das ist für die allermeisten Politikwissenschaftler eine ganz unumstrittene, ja triviale Tatsache. Für wen das Neuigkeitswert hat, blicke einfach auf Karten wie die von Freedom House (https://freedomhouse.org/report/freedom-world/freedom-world-2015).
  • Ich setze durchaus nicht die Flucht von Verfolgten nach Europa mit Europas Kolonialismus gleich. Vielmehr führe ich am Beispiel der europäischen Einwanderung etwa nach Nordamerika oder in die südamerikanischen Gesellschaften vor Augen, dass wir Europäer uns nicht allzu sehr darüber beschweren sollten, wenn sich unsere Gesellschaften durch die Einwanderung ziemlich verändern. Die Europäer haben ja andere Gesellschaften auch nicht danach gefragt, ob ihre Zuwanderung mitsamt deren Konsequenzen dort wirklich willkommen wäre!

[4] Ich wüsste nicht, wo die Verfasser des „Offenen Briefs“ Belege für eine „Scheinheiligkeit“ meines Eintretens für Pluralismus finden könnten. Die Beweislast liegt jedenfalls bei ihnen. Wofür ich aber tatsächlich stehe, ist jederzeit einer Vielzahl meiner Publikationen zu erkennen.

[5] Ich diffamiere durchaus nicht Aktionen von Bündnissen wie „Dresden für alle“ als undemokratisch, sondern zeige nur in völliger Übereinstimmung mit den Tatsachen, dass sie das Gegenteil von dem erreicht haben, was sie eigentlich erreichen wollten – nämlich das Verschwinden PEGIDAs. Auch habe ich nie die Position vertreten, Gegendemonstrationen wären so etwas wie ein „Angriff auf die Meinungsfreiheit“. Vielmehr betone ich heute wie früher, dass gerade die Gegendemonstrationen PEGIDAs Anhänger weiter mobilisiert sowie solidarisiert haben und dadurch die Polarisierungsspirale weiterdrehten. Alledem füge ich hinzu, dass jenen kontraproduktiven Reaktionen falsche Diagnosen dessen zugrunde lagen, wer die meisten Pegidianer sind und was sie wirklich bewegt. Ausführlich wird das alles behandelt und nachgewiesen in Patzelt/Klose, PEGIDA, a.a.O.

[6] Es ist der Schluss kindisch, dass Kritik an mir allein schon deshalb richtig sein müsse, weil sie von Studierenden und wissenschaftlichen Mitarbeitern am Dresdner Institut für Politikwissenschaft geübt wurde. Ich habe mich jedenfalls mit allen gegen mich damals vorgebrachten Kritikpunkten ausführlich auseinandergesetzt; siehe https://www.docdroid.net/r38l/reaktion-auf-flugblatt-usw-.pdf.html. Und ich halte es für höchst aussagekräftig, dass sich keiner der kritikführenden Studierenden und wissenschaftlichen Mitarbeiter – trotz mehrfacher Aufforderung; siehe „Wo bleibt die Antwort der Patzelt-Kritiker?“ (https://wjpatzelt.de/?p=124) oder „Patzelt-Kritiker sprachlos“ (https://wjpatzelt.de/?p=119) – anschließend in der Lage sah, meinen Klarstellungen mit auch nur einer einzigen weiteren Stellungnahme entgegenzutreten. Diese argumentative Niederlage auf der ganzen Linie wird nicht dadurch ungeschehen gemacht, dass die Verfasser des „Offenen Briefes“ sie nicht kennen bzw. absichtlich ignorieren.

[7] Hier verweise ich einfach auf meine folgenden Repliken zu Texten mit Kritik an meinen PEGIDA-Studien: „Patzelts PEGIDA. Eine Antwort auf Gerd Schwerhoff“ (https://wjpatzelt.de/?p=329),  „Michael Bittner und unsere PEGIDA-Studie“ (https://wjpatzelt.de/?p=402), „Die Methode Jennerjahn und die Methode Patzelt“ (https://wjpatzelt.de/?p=329) sowie „Denkfehler bei der Kritik an PEGIDA-Forschung“ (https://wjpatzelt.de/?p=698). Obendrein empfehle ich, die völlige Konvergenz der Befunde meiner Studien mit denen von Rucht et al., Vorländer et al., Geiges et al. sowie Reuband et al. zur Kenntnis zu nehmen. Schauen wir mal, wie weit die Neugier wen wirklich trägt …

[8] Auch die Kritik an den bei meinen PEGIDA-Studien verwendeten Standardmethoden (Beobachtung, Realkontaktinterviews, standardisierte schriftliche Befragungen, bi- und multivariate statistische Analysen, letztere basierend auf Quotenstichproben, die weitestgehend zu denselben Ergebnissen führten wie die andere PEGIDA-Studien, sofern sie die gleichen Sachverhalte untersuchten), wird nicht dadurch weniger gegenstandslos, dass sie im „Offenen Brief“ einfach wiederholt wird. Da ich stets alle Fragebögen und Datensätze (!) mitsamt sämtlichen ermittelten Befunden auf der Webseite meines Lehrstuhls publizierte, gab es ohnehin nie Grund zum Vorwurf, ich würde „Belege aus der Luft greifen“ oder suggestive Interviewfragen verwenden. Da außerdem alle einschlägigen Sachverhalte und Debatten im oben genannten Buch „PEGIDA. Warnsignale aus Dresden“ ausführlich dokumentiert sind, erübrigt sich hier jede weitere Beschäftigung mit derlei Vorwürfen. Das gilt auch für die nachgerade lächerlichen Behauptungen, ich legte tendenziöse Interpretationen der erhobenen Daten zum Demokratieverständnis oder Rassismus von PEGIDA-Demonstranten vor.

[9] Was Wirrköpfe wie die Leute der „Identitären“ von mir behaupten, kenne ich bislang nicht. Ihre Aussagen dürften aber ähnlich abwegig sein wie so viele Behauptungen der Verfasser des hier erörterten „Offenen Briefs“. Mögen jene Leute also weiterhin sagen, was sie sagen wollen. Doch wer ich wirklich bin, geht immer noch aus meinen eigenen Aussagen hervor – und nicht aus unwissenden Zuschreibungen anderer!

[10] Es entbehrt die Behauptung jeglicher Grundlage, ich versuchte rechtspopulistische und islamfeindliche Positionen zu rechtfertigen. Sehr wohl erkläre ich, warum sie aufgekommen und – leider – derzeit so einflussreich geworden sind. Doc das ist ebenso wenig eine Rechtfertigung, wie die Erklärung des Aufkommens des Nationalsozialismus eine Rechtfertigung des Nationalsozialismus oder seiner Verbrechen darstellt.

[11] Ob man mich „unkritisch und unreflektiert“ nach Regensburg eingeladen hat, entzieht sich meiner Kenntnis. Doch die Sorge, es werde die Einladung ausgerechnet eines Kritikers (!) jener Politik, die ihrerseits den deutschen Rechtspopulismus hat großwerden lassen, zur gesellschaftlicher Akzeptanz und Verharmlosung“ von Rechtspopulismus führen könnte, halte ich für ziemlich großen Unfug.

[12] Vielleicht rätsele nicht nur ich, woher die Verfasser des „Offenen Briefs“ – über bloßes Meinen oder Befürchten hinaus – wohl wirklich wissen könnten, dass ich keinen sinnvollen Beitrag zur Debatte darüber zu leisten vermöchte, warum Radikalität gut, Gewalt aber schlecht ist. Sollten da womöglich Vor-Urteile im Spiel sein? Und Scheu ob der Chance, hinzuzulernen? Schauen wir mal …

[13] Ja: Solidarität mit Flüchtlingen und Verfolgten – in Deutschland und überall auf der Welt!

 

Bildquelle: http://www.uni-regensburg.de/international/internationale-studierende/medien/p1110913.jpeg

 

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