Schwach und falsch: Die Ausgrenzung der AfD in Wahlkampfrunden
Zwei wichtige deutsche Fernsehsender haben unlängst eine schlechte Entscheidung getroffen. Es geht um die Einladung zu Fernsehdiskussionen im Vorfeld von Landtagswahlen.
Früher wurden dazu die Spitzenkandidaten der im Parlament bereits vertretenen Parteien eingeladen. Unter anderem, um dem Spitzenkandidaten der Grünen eine Teilnahme zu ermöglichen, wurde vom SWR vor Jahren die Regel dahingehend verändert, dass auch Vertreter von solchen Parteien zur Fernsehrunde eingeladen würden, die laut aktuellen Umfragen wahrscheinlich ins Parlament gelangen könnten.
Das war eine sehr sinnvolle Regeländerung. Es sollen sich nämlich interessierte Wähler über alle womöglich wichtig werdenden Parteien und deren vermutlich künftigen parlamentarischen Spitzenleute ein eigenes Bild machen können – und zwar gerade beim Blick darauf, wie sie sich im Umgang mit politischen Gegnern und Gegenargumenten verhalten.
Von dieser Regel sind der SWR und der MDR mit Blick auf die kommenden Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt wieder abgerückt. Grund war die Drohung von SPD und Grünen, an einer solchen Diskussion nicht teilzunehmen, falls zugleich ein Vertreter der AfD dabei sein würde.
Scharf formuliert: Es sei den Ministerpräsidenten von SPD und Grünen nicht zuzumuten, mit AfD-Politikern am gleichen Tisch zu sitzen und gar mit ihnen zu diskutieren.
Diese Haltung läuft auf eine Erpressung hinaus. Der liegt ein im Rahmen einer Demokratie höchst verachtenswerter politischer Stil zugrunde: Die Obrigkeit entscheidet, mit wem sie zu sprechen geruht; und wird ihrem Wunsch nicht entsprochen, so bestraft sie durch eigenes Fernbleiben – und zwar weniger den politischen Gegner als vielmehr jenes Volk, von dessen Wahlstimmen doch das Recht auf gerade jene Position ausgeht, von der aus nun erpresst wird.
Derlei Verhalten ist nicht nur arrogant, sondern auch unfair gegenüber den politischen Mitbewerbern, in Rheinland-Pfalz also: ist unfair gegenüber der Linken, der FDP und der AfD. Solches Verhalten strotzt im Übrigen vor Selbstgerechtigkeit und Selbstgefälligkeit: Hier erklären sich zwei Parteien für moralisch so weit einer anderen Partei überlegen, dass man deren Anwesenheit bei einem Streitgespräch einfach nicht ertragen könne.
Es liegt freilich nahe, in diesem Zusammenhang von der „Feigheit vor dem Feind“ zu sprechen. Letztlich geht es beim ganzen Vorgang nämlich darum, die Leitgedanken und Praxis des politischen Debattierens in einer pluralistischen Demokratie zu verändern.
Richtig wäre es, sich gründlich mit dem politischen Gegner auseinanderzusetzen. Das heißt: Es gehörte sich, dem Gegner vor den Augen möglichst vieler Wähler vorzuhalten, was man selbst an dessen Einschätzungen, Prioritäten, Zielen oder Interessen für falsch hält – und dann dem Gegner die Gelegenheit zur Erwiderung zu geben. In Auseinandersetzung mit dieser müsste man dessen Gegenargumenten standzuhalten oder gar zeigen, wie dürftig diese wären.
Wer immer sich einen solchen Debattenstil zutraut, muss sich vor einer Diskussion mit einem noch so sehr abgelehnten politischen Gegner nicht fürchten. Wer sich aber einen solchen Debattenstil nicht zutraut, der taugt nicht wirklich für politische Führungsaufgaben in einer auf die öffentliche Meinung gegründeten Demokratie.
Falsch ist es also, der unmittelbaren Diskussion mit dem politischen Gegner auszuweichen. Falsch ist es ohnehin, in einer Demokratie lieber über einen Gegner zu reden als im Wettstreit mit ihm. Falsch ist überhaupt der ganze Versuch, durch Verhängung oder Befolgung von Kontaktverboten den politischen Streit lieber zu vermeiden als zu führen. Sich so zu verhalten, entzieht politischen Führern nämlich wichtige Chancen aufs Dazulernen, drückt sich – ganz im Wortsinn – um Verantwortung, und wird schon gar nicht dem ganz berechtigten Verlangen gerecht, gerade Spitzenpolitiker hätten Vorbilder beim politischen Debattieren zu sein.
Das gilt gerade auch für den Streit um und gegen die AfD. Wer diese Partei für schlecht oder ihre Politiker für gefährlich hält, der darf weder der AfD noch ihren Politikern ausweichen. Er hat sie vielmehr zu stellen, wo immer das möglich ist.
Sollte man bei solchen Debatten selbst keine gute Figur machen, so kann das durchaus an eigener Unzulänglichkeit oder an besser fundierten Argumenten des Gegners liegen. Dann muss man eben besser werden und sich plausibler vertretbare Positionen erarbeiten – und zwar nicht nur um der eigenen Sache willen, sondern um der Demokratie willen. Die ist nämlich auf lernbereites Debattieren gegründet.
Schlecht ist deshalb unserer Demokratie gedient, wenn man solchen Tests auf die eigene Überzeugungskraft ausweicht. Mutige und selbstbewusste Leute tun so etwas nicht. Feige und schwache Leute wählt man aber besser nicht in Spitzenämter.
Sollte man also Vertreter der AfD zu streiterfüllten Wahlkampfrunden einladen? Natürlich! Darf man mit AfD-Politikern diskutieren? Selbstverständlich – und man sollte dies umso intensiver tun, je mehr man die AfD ablehnt!
Der SWR hat sich in dieser Sache deshalb ganz falsch entschieden. Eine solche Fehlentscheidung macht es auch nicht richtiger, wenn sie – wie mitgeteilt – „zähneknirschend“ getroffen wurde.
Richtig wäre Folgendes gewesen:
Der SWR hätte den Sozialdemokraten und den Grünen sowie deren Ministerpräsidenten mitteilen sollen, dass – gemäß inzwischen aus guten Gründen etablierten Regeln – natürlich alle Parteien zur Fernsehdiskussion eingeladen würden, die – laut demoskopischen Vorhersagen – ins Parlament gelangen dürften. Dem hätte der Hinweis folgen sollen, dass man es selbstverständlich akzeptieren würde, wenn ein Spitzenkandidaten nicht selbst erscheinen, sondern Vertreter schicken wollte. Schließlich mache man die Sendung nicht der Spitzenkandidaten wegen, sondern um der Wähler willen. Und wenn die Spitzenkandidaten diese Gelegenheit zum Einwirken auf die Wähler nicht nutzen wollten, sei das allein deren Sache. Am Ende des Schreibens hätte die Feststellung stehen sollen, dass die Sendung natürlich auch dann zustande käme, wenn manche Parteien aus Protest überhaupt niemanden schicken wollten. Dann wären eben die leeren Stühle eine politisch wichtige und deshalb journalistisch darstellungswürdige Tatsache – und im Übrigen verbleibe man mit freundlichen Grüßen.
Es darf darauf gewettet werden, dass angesichts einer solchen Mitteilung in jedem Fall eine höchst interessante Sendung zustande gekommen wäre, und vermutlich in bestens besetzter Runde.
Und obendrein darf darauf gewettet werden, dass der AfD vor den kommenden Landtagswahlen ein Ausschluss aus derlei Fernsehrunden viel mehr nutzt, als in ihnen vertreten zu sein. Der Ausgeschlossene profitiert nämlich von einer ihm objektiv zugefügten Ungerechtigkeit, für die ihn gewiss viele Wähler am Wahltag entschädigen werden. Und wer ohnehin keinen Vertreter in eine Fernsehsendung schicken darf, der kann von ihm auch nicht blamiert werden ….
Unterm Strich: Diese Initiative von Rot und Grün ist für die AfD eigentlich ganz gut gelaufen!
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