Deutschlands zentrales Politiktabu

Deutschlands zentrales Politiktabu

Der Pulverdampf verzieht sich allmählich vom Erfurter Schlachtfeld. Erkennbar wird, wie es um die entstandenen Machtverhältnisse der streitenden Parteien steht. Die habe ich heute für die Epoch Times umrissen (https://www.epochtimes.de/meinung/gastkommentar/werner-j-patzelt-ueber-erfurter-drama-das-zentrale-gebot-deutscher-innenpolitik-a3148956.html). Welche Rolle welche Medien bei alledem gespielt haben, wird an anderer Stelle beschrieben werden.

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Das Erfurter Drama um Deutschlands Rekordhalter im Kurzzeit-Regieren handelte vom zentralen Gebot deutscher Innenpolitik:  Nie darf eine nicht-linke Parlamentsmehrheit gegen die Linke verwendet werden, falls diese Mehrheit die AfD einschließt! Weil aber Deutschlands Rechte nun zwischen zwei ins Gewicht fallenden Parteien gespalten ist, seit nämlich die Sozialdemokratisierung und Vergrünung der CDU den Aufstieg sowie die Verfestigung der AfD ermöglichten, verlangt die Befolgung dieses Gebots von der Union: Sofern sie nicht – was mittlerweile auszuschließen ist – eine absolute Mehrheit erringt bzw. dank FDP oder Freien Wählern eine Mehrheitskoalition bilden kann, hat sie mit Grünen und Sozialdemokraten zusammenzugehen oder eine Minderheitsregierung der Linken zu unterstützen.

Doch unter solchen Umständen wird die CDU dauerhaft schwächer, die AfD hingegen stärker. Also verheißt das Erfurter Lehrstück: Linke und Grüne werden fortan Deutschland immer regieren oder mitregieren, während eine klare Politik rechts der Mitte auf Dauer ausgeschlossen ist. Ausnahme wäre, dass die AfD jemals mehr als die Hälfte der Parlamentsmandate erränge. Dem aber lässt sich abschreckend durch das Abbrennen von „Fascho-Autos“ und Verwüsten von „Fascho-Büros“ entgegenwirken, ferner einschüchternd durch Tätlichkeiten gegen „Faschos und ihre Familien“. Falls andere Abhilfe nicht möglich scheint, strengt man eben ein Verbotsverfahren gegen die AfD an. Es werden sich doch hoffentlich noch Richter finden, die in Höcke Hitler wiedererkennen! Und wenn nicht, muss man deren Lernprozesse eben beschleunigen – nötigenfalls so, wie man CDU und FDP nach der Wahl Kemmerichs schnell wieder zur Räson gebracht hat.

Wenn dann bald Bodo Ramelow – zweifellos ein populärer und persönlich schätzenswerter Ministerpräsident – im Thüringer Landtag wiedergewählt ist, wird im Rückblick die Frage zu beantworten sein: Warum nicht gleich so? Warum dieser Umweg über den gescheiterten Versuch, den Verlust einer parlamentarischen Mehrheit in freien Wahlen auch noch durch eine veränderte Regierung sichtbar, ja folgenreich zu machen? Und weshalb sieht die CDU nicht endlich ein, dass ihre Gestaltungsmacht jetzt gebrochen ist, es also eine Zukunft für sie nur noch als Partner am besten der Grünen gibt? Und dass diese Zukunft dann auch immer wieder neu verdient werden muss: durch den Grünen genehme Gestaltungsbereitschaft, auch durch den alltäglichen Exorzismus in Richtung AfD.

Und wann eigentlich begreift die AfD, wie leichtfertig es war, sich durch jahrelang tatsächlich zunehmende Rechtslastigkeit um jede Chance gebracht zu haben, für alle jene nicht tödlich-toxisch zu wirken, die in ihre Nähe geraten? Gibt es irgendwann AfD-Anführer mit Durchsetzungskraft, die ihre Partei zu einer wirklich normalen Partei rechts der Mitte zu machen verstehen, an der noch so demagogisch-üble Nachrede abprallen kann? Schafft es die AfD wirklich nicht, angesichts manch üblen Spiels, das mir ihr getrieben wird, durchaus nicht die Fassung zu verlieren, sondern durch demonstratives eigenes Fair Play jene zu blamieren, die Spielregeln nur so lange einhalten, wie sie ihnen nutzen? Falls ein Nein die richtige Antwort auf diese Fragen wäre, wird in Deutschland dauerhaft die politische Linke regieren – und sich zwischen ihr und einer rechtsradikalen AfD das Land mit schlimmen Folgen spalten. Sollten wir uns das aber wirklich wünschen?

Und wann endlich begreifen die bislang unseren Staat tragenden Parteien, dass man Politik besser nicht wie ein Spiel betreibt, dessen Konsequenzen man einfach auf sich zukommen lässt? Denn wenn die Erfurter Wahl eines FDP-Ministerpräsidenten mit den Stimmen der AfD strategisch gewollt und taktisch durchdacht war, dann darf man doch anschließend nicht die Nerven verlieren, den Bettel hinwerfen und das Geschehene als eine erstaunliche Verkettung unerwarteter Ereignisse hinstellen! Dann hat man vielmehr das Begonnene mit Tatkraft, Umsicht und gutem Willen weiterzuführen – entweder bis sich Erfolg einstellt, oder bis dessen Aussichtslosigkeit unbezweifelbar ist. Wenn man aber einfach nur ein Zeichen setzen und Ramelow samt seiner Minderheitskoalition folgenlos ärgern wollte: dann muss man doch im Vorhinein sicherstellen, etwa durch ausreichend viele Stimmenthaltungen, dass aus einem solchen Spiel gerade kein Ernst wird, der unser politisches Gesamtsystem erschüttert und – zum Vorteil von Linken und AfD – bislang vertrauenswürdige Parteien wie CDU und FDP noch weiter nach unten zieht!

Wenn sich also in Erfurt kein misslungenes Bubenstück zugetragen hat, dann gab es zumindest ein Pokern unter Hochstaplern. Auch das rechtfertigt zwar nicht jenen selbstgerechten Hass, den nun Kemmerich, Mohring & Co. zu ertragen haben. Doch verständlich ist sehr wohl die nun voller Häme formulierte Empörung über eine politische Klasse, die in einer für ihr Niveau zu hohen Liga spielt.

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