Zum Sinkflug der Ampelregierung

Zum Sinkflug der Ampelregierung

ursprünglich erschienen auf Focus.online am 23. Dezember 2023, nachveröffentlicht in der „Weltwoche“ vom 5. 1. 2024

Der Sinkflug der Ampelregierung geht weiter. Kann ihr wirklich nichts neuen Auftrieb geben? Theoretisch schon. Doch in der Praxis verhält es sich mit Scholz & Co. wie mit einem Alkoholkranken, der den Rat zum Verzicht auf liebgewordenen Stoff mit der Behauptung zurückweist, das angebliche Problem – wenn überhaupt bestehend – wäre längst im Griff.

Was aber ist das Kernproblem dieser Regierung? In ihr regiert eine Minderheit gegen die nunmehr erfahrungsbelehrten Wünsche und Interessen der Bevölkerungsmehrheit. Die Anliegen dieser Mehrheit zu vertreten, wurde seit rund einem Jahrzehnt als rechtspopulistisch abgetan. Gar für moralisch minderwertig erklärt wurde die Forderung nach einem Ende der selbstermächtigten Zuwanderung nach Deutschland, und als ganz nachrangig ausgegeben wurde das Verlangen nach niedrigen Energiepreisen, nämlich angesichts des – im Fall einer anderen Energiepolitik – nicht mehr abzuwendenden Hitzetods der Menschheit. 

Am Elend der Ampelregierung ändert es auch nichts, dass sie fast überall nur die Politik der CDU-Kanzlerin Merkel fortsetzt. Denn schon deren Kurs wurde von der heutigen Kanzler-SPD mitgeprägt, von den Grünen eingefordert und von tonangebenden Medien als alternativlos gepriesen. Das machte Angela Merkel höchst populär und brachte die CDU zum Vergrünen, solange die Folgen solcher Politik nicht weithin fühlbar waren. Doch allenthalben sichtbar sind nunmehr die Nebenwirkungen der einst gottesdienstartig gefeierten Willkommenskultur und einer Weltklimarettung nach deutschem Wesen.

Als höchst befreiend würden derzeit die meisten im Lande eine Rede zur „Zeitenwende“ auch hinsichtlich unserer Migrations- und Energiepolitik empfinden. Diese müsste allerdings ebenso klar die bisherigen Fehler benennen und tatkräftige Abhilfe in Aussicht stellen, wie das einst des Kanzlers Rede nach Russlands Einmarsch in der Ukraine tat. Wer als Sozialdemokrat oder Grüner solchen Aufbruchsgeist ebenso glaubwürdig verkörpern könnte wie Deutschlands derzeitiger Verteidigungsminister, der würde wohl auch dessen Anstieg an öffentlicher Beliebtheit erleben. Das Erfolgsgeheimnis wäre einmal mehr: Man gibt sich nicht wie „von der Wirklichkeit feindlich umzingelt“, sondern spricht klar aus, welche realen, durchs Wegwünschen nicht vergehenden Zusammenhänge beim politischen Handeln berücksichtigt werden müssen – und stellt sich dann bereitwillig samt Sachverstand auf sie ein.

Zu jenen Sachverhalten, aus denen sich Gebote praktischer Politik ergeben, gehört derzeit vor allem, dass solche Zeiten des Überflusses vorbei sind, in denen der deutsche Sozialstaat auch ohne haushaltsrechtliche Tricksereien immer mehr ausgebaut und seit 2015 auch noch auf Zusicherungen für alle Menschen ausgedehnt werden konnte, die in Deutschland noch lieber leben wollen als in anderen freiheitlichen Staaten. Zum in unseren Zeiten schlicht hinzunehmenden Rahmen deutscher Politik gehört ebenfalls, dass es sehr töricht wäre, die Grenzen der Belastbarkeit unserer Wirtschaft noch weiter auszutesten, nämlich durch bürokratische Gängelung und habgierige Gewinnabschöpfung seitens des Staates. Oder dass ein bloßes Wegsubventionieren jener rein politisch herbeigeführten Höhe unserer Wirtschaft und Wohlstand schädigenden Energiepreise den bisherigen politischen Dummheiten nur eine weitere hinzufügte. Obendrein gehört zu den endlich einzusehenden Grenzen des Regierens in Deutschland, dass ein Großteil der Bürgerschaft nicht nur des belehrenden Tons in regierungsseitig geschätzten Medien überdrüssig ist, sondern dass die Leute im Land überhaupt beginnen, allergisch auf weiteres politisches Erziehungsverhalten zu reagieren.

Dieses begann damit, dass regierungskritische Positionen – sofern nicht klar links, grün oder woke – als rechtspopulistisch, rechtsradikal oder gar rechtsextrem ausgegeben sowie mit Ausgrenzungsgeboten hinsichtlich jener Leute versehen wurden, die sich als besorgte Bürger oder gar empört äußerten. Nicht vergessen wurde, wie sich staatliches Erziehungsverhalten während der Corona-Pandemie in Freiheitseingriffe umsetzte, die allzu oft als Mischung aus Hilflosigkeit und Willkür anmuteten, aber dennoch vertreten wurden wie ein Ausbund an wissenschaftlicher Weisheit und politischer Klugheit. Von etlichen wird auch nicht vergessen, dass Politiker bei Demonstrationen gegen die Corona-Politik Wasserwerfer einsetzen ließen, während Anti-Israel-Kundgebungen weiterhin wie islamische Folkloreveranstaltungen behandelt werden. Und das Fass zum Überlaufen bringt für viele, dass nicht einmal das Wahlkreuz für die Unionsparteien ein Ende grün dominierter Politik bewirken kann, weil nämlich noch jahrelang kein Unionspolitiker es wagen darf, andere als Anti-AfD-Koalitionen zu schmieden – und weil sich viele unbeliebte Politiker von SPD, Grünen und Linken genau in CDU-geführten Anti-AfD-Koalitionen an der Macht halten werden.

Vielleicht sähe in dieser Lage der wirkungsvollste Befreiungsschlag der Ampelparteien so aus: Ihre Bosse erklärten öffentlich, dass eine politische Position nicht allein schon dadurch falsch wird, dass auch die AfD sie vertritt, weshalb man sich fortan auf sachlichen Streit auch um die politischen Einschätzungen und Vorschläge der AfD einlassen werde. Man fügte dem idealerweise hinzu, dass es womöglich besser gewesen wäre, schon eher auf Warnungen vor einer möglichen „Islamisierung des Abendlandes“ zu hören, wie sie vor knapp zehn Jahren lautstark in Dresden erklangen. Auch könnte man betonen, dass gerade die Unionsparteien große Verantwortung für die jetzt so üble Lage trügen – und zwar nicht nur deshalb, weil die von ihnen heftig bejubelte Kanzlerin Politikwenden hinein in Sackgassen unternahm, sondern weil CDU und CSU vor knapp zwanzig Jahren aufhörten, von der rechten Mitte bis zu gerade noch akzeptablen Leuten am rechten Rand wirklich alle ins Gewicht fallenden nicht-linken Kräfte in einer pluralistischen Union zusammenzuführen und allein in deren Reihen auf dann konstruktive Weise wirkkräftig zu machen. Draufsetzen ließe sich noch der Vorwurf, dass die Union zu unser aller Nachteil weiterhin keinerlei Versuche unternimmt, der AfD ebenso Anreize für den Wandel hin zu einer koalitionsfähigen Partei zu setzen, wie das einst die SPD in vorbildlicher Weise hinsichtlich von Grünen und PDS vorgemacht hat.

Gewiss merkt jeder, der diese Vorschläge liest, dass sie bei den Ampelparteien auf die gleiche Zustimmung stoßen werden wie die Bitte einer Ehefrau, ihr Mann möge mit dem Trinken aufhören. Dabei läge es doch in dessen eigenem Interesse, sich einer solchen Bitte nicht zu verschließen. Und tatsächlich passt dieses Beispiel nicht nur zur derzeitigen Lage der Ampelkoalition, sondern auch zu jener der Union. Regelrecht besoffen haben sie sich alle an Deutschlands Wandel zur Multikulturalität und Multiethnizität, die nun doch nicht ganz so doll geworden sind, an unserer weltrettenden Klima- und Energiepolitik, an einer Erziehungs- und Sozialpolitik, die möglichst jedem auch ohne sonderliche Bildungs- und Leistungsanstrengung ein auskömmliches Leben ermöglicht. Immer noch wird jeder Kater mit weiteren Schlucken aus der Pulle politischer Illusionen bekämpft – und immer noch nicht mit Lernwillen, Selbstdisziplin und den Mühen eines Neuanfangs. Aber gerade den wünscht sich ein Großteil derer, die schon länger im Lande leben.

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