Was falsch läuft – und was wir tun sollten

Was falsch läuft – und was wir tun sollten

Am 20. Juni erschien auf „Hallo Meinung“ mein nachstehender Beitrag (https://www.hallo-meinung.de/was-bei-uns-falsch-laeuft-und-was-wir-selber-tun-sollten/). Er listet einige jener Probleme auf, die unser Land lösen sollte, verdeutlicht jene politikkonzeptuellen Fallen, in die unser Land geraten ist, und betont, was jeder selbst zu einer solchen Verbesserung unserer innenpolitischen Diskussionskultur beitragen kann, ohne die wir unsere Probleme wohl nicht lösen werden. Natürlich ist in so wenigen Absätzen keine umfassende Problemanalyse möglich, sondern nur die Betonung ausgewählter Gesichtspunkte. Nicht nur beim Verstehen des Wortes „wir“ zähle ich, wie immer, auf das Mit- und Weiterdenken der Leserinnen und Leser – sowohl der Lesenden als auch der Gelesenhabenden. (Ob die genderpolitisch erwünschten Partizipialformen wohl wirklich der stilistischen Weisheit letzter Schluss sind? …)

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Woran merken viele, dass in unserem Land gar nicht wenig in die falsche Richtung läuft?

  • Wir haben weniger junge Leute, als an Älteren während den kommenden Jahrzehnte in den Ruhestand treten. Doch wir tun nichts, um die Kinderzahl so zu steigern, dass die Altersverteilung in zwei, drei Jahrzehnten wieder stabil sein kann. 
  • Die Dänen lassen Asylverfahren im eigenen Lande nicht mehr zu, und die Griechen schicken schon akzeptierte Asylbewerber weiter nach Deutschland, wo sie ein zweites Mal das Asylverfahren durchlaufen. Doch wir tun so, als sei unsere Zuwanderungspolitik sinnvoll, und als gäbe es mit der Migration nach Deutschland kein Problem. 
  • Wir nennen Antisemitismus eine Saat, deren Frucht der Völkermord ist – und wir schauen weg vom nach Deutschland importierten muslimischen Anti-Judaismus und Anti-Israelismus. 
  • Wir haben die höchsten Strompreise in Europa, kaufen viel Strom bei Flaute teuer ein und bezahlenumgekehrt andere fürs Abnehmen von Strom aus Deutschland, wenn hier die Sonne allzu lange scheint. Doch wir tun so, als wäre unsere Energiepolitik vernünftig. 
  • Wir wünschen uns mehr Elektromobilität, und wir wollen eine umweltfreundliche Wasserstoffwirtschaft aufbauen. Doch wir lehnen die Erzeugung der erforderlichen Energie durch Kernfusion ab. 
  • Wir beklagen Bildungs- und Kompetenzmängel junger Leute, verweigern uns aber allen Maßnahmen, die das Leistungsniveau unserer Schulen und Hochschulen nachhaltig heben könnten. 
  • Wir schimpfen über Politiker, die seit jungen Jahren nichts weiter als das politische Handwerk kennen, und die sich deshalb schwertun, für sachlich Gebotenes eigene Karriererisiken in Kauf zu nehmen. Doch wir ändern nichts daran, welche Leute wir in eine politische Laufbahn locken.
  • Wir erleben, dass europäische Amtsträger und Politiker versuchen, innerstaatlich verbindliche Entscheidungen unseres Bundesverfassungsgerichtes zu überspielen. Doch wir tun so, als führe es in bestmögliche Zukunft der Europäischen Union, wenn wir die im Rahmen von Nationalstaaten funktionierende Demokratie zugunsten der Macht von Amtsträgern der EU immer wirkungsloser machen.
  • Wir beklagen den Aufstieg von Rechtspopulismus und den Anstieg von rechtsradikaler Gewalt. Doch wir bahnen den davon Angezogenen keine Wege zurück zu uns, sondern wir machen die Kennzeichnung unerwünschter Meinungen als „rechts“ zum Mittel im politischen Kampf – und ziehen dann gegenüber all jenen einen dicken Trennstrich, die wir zuvor als „für unseren Geschmack zu rechts“ diffamiert haben.
  • Wir sagen stolz, dass es in Deutschland keine Beschränkung der Freiheit des Meinens und Redens gibt. Doch wir achten sorgsam darauf, das N-Wort oder das Z-Wort nicht vor anderen zu verwenden – und uns ja nicht über inklusiv gemeinte Knacklaute öffentlich lustig zu machen.

Da stimmt vieles einfach nicht zusammen. Da gerät allzu viel in schädliche Wirkungsbereiche, was uns in vernünftiger Dosierung durchaus noch gutgetan hat. Da kennen die einen Politiker nur noch ein „Weiter so!“ – und wissen die anderen Politiker nichts Besseres, als riskante Politiken noch weiter auszubauen und gar zu beschleunigen. Da empört man sich gern im Familien- und Bekanntenkreis – und fügt dann an, leider könne man gegen all diesen Widersinn doch gar nichts machen. Und also glauben dann gar nicht wenige, die Probleme unseres Gemeinwesens wären unlösbar, denn das ganze System sei das Problem. Gewechselt hat da aber nur die politische Seite, von der dieser Ruf erschallt. In den 1960er Jahren, bis hinein in die 1980er Jahre, behauptete das nämlich die radikale Linke. Doch seit die gemäßigte Linke die meisten journalistischen, kulturellen und politisch-administrativen Führungspositionen in Deutschland besetzt hat, behauptet dasselbe die ganz ungemäßigte Rechte.

Falsch liegen beide – die Linke früher, die Rechte jetzt. Man kann nämlich in unserem Land Fehler abstellen, falsche Entwicklungen korrigieren, üble Zustände zum Besseren wenden. Nur muss man Fehler, Falsches und Übles erst einmal tatsachengetreu benennen. Und zwar nicht polternd oder schäumend, denn das wirkt abstoßend auf erst noch zu überzeugende Zuhörer. Sondern sprechen muss man von Missständen mit sanfter Klarheit, mit geduldiger Vernunft, mit durch Ironie abgepufferter Streitlust. Auf diese Weise muss man von den Missständen im Land auch immer wieder sprechen – und zwar vor allem vor Andersdenkenden, die nicht hören und nicht glauben wollen, was man ihnen sagt. Nur ein solches Diskussionsverhalten macht eine freiheitliche Gesellschaft lernfähig. Ohnehin können wir es nur durch Lernen voneinander schaffen, unser sehr bunt gewordenes Land zusammenzuhalten. Rechthaberei samt hemmungsloser Herabsetzung Andersdenkender hat hingegen schon manche Bevölkerung entzweit, manche Kultur ruiniert, manche freiheitliche Ordnung zu Fall gebracht.

Doch auch bei unseren Reaktionen auf Missstände passt vieles in Deutschland nicht zusammen. Gar nicht wenige, die sich der Verteidigung unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung verschrieben haben, finden Selbstbestätigung am Verachten bloßer Gegner. Viele, die gern das Lob einer vielfältigen Gesellschaft singen, ertragen politisch Andersdenkende durchaus nicht. Viele, die gegen Ausgrenzungen auftreten, wie sie sexistisch, rassistisch, klassistisch oder identitätspolitisch vorgenommen werden, haben ein rundum gutes Gefühl, wenn sie selbst ausgrenzen können. Und sie erfinden nötigenfalls sogar Rechtfertigungen für die selbstgefällig von ihnen praktizierte Verleumderei, Cancel Culture und Bestrafung von „Kontaktschuld“. 

Wir kommen aus diesem Wirkungskreislauf, der uns alle nach unten zieht, solange nicht heraus, wie nicht wirklich viele bei sich selbst und in ihrem Bekanntenkreis damit beginnen, derlei ungutes Verhalten zu unterlassen sowie bei anderen auf entsprechende Besserung hinzuwirken. Nur wenn wir endlich wieder zu einer Debattenkultur finden, die unserer pluralistischen Demokratie angemessen ist, erarbeiten wir uns neue Chancen darauf, die beschriebenen Fehlentwicklungen in unserem Land aufzuhalten und die eingerissenen Missstände abzustellen. Dabei bringt es überhaupt nichts, Haltungskorrekturen erst einmal von unseren jeweiligen Gegnern einzufordern. Wir müssen schon selbst das Richtige tun – auch wenn wir nicht immer, oder gar sogleich, darauf hoffen können, dass andere unserem guten Beispiel folgen werden. Es ist nun einmal so, wie Erich Kästner das einst in einen trefflichen Merksatz fasste: „Es gibt nichts Gutes. Außer: man tut es!“.

Deshalb sollten wir es nicht mit wohlfeilem Klagen und mit unverbindlichem Schimpfen darüber bewenden lassen, was alles in Deutschland schlecht ist und falsch läuft. Tun wir lieber das Richtige und Notwendige. Und tun wir es im konkreten Fall auch unter dem stets bestehenden Risiko, dass wir uns täuschen können, dass Andere nicht mitmachen – oder dass einige uns übel mitspielen möchten. Seien wir also zwar gutwillig und zum richtigen Handeln entschlossen, doch niemals naiv. Dann weisen den zu gehenden Weg die klassischen Kardinaltugenden: das Ringen um Klugheit, das Streben nach Mäßigung, das Ausgehen auf Gerechtigkeit – und das Praktizieren von Mut. Fangen wir mit alledem an – und am besten gleich heute!

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