kein ende mit kassandras kommentaren

kein ende mit kassandras kommentaren

Rund sechs Wochen Pause gab es auf diesem Blog beim Kommentieren laufenden Geschehens. Zu früh haben sich jene gefreut, denen meine öffentliche Präsenz ohnehin ein Dorn im Auge ist. Und getäuscht hat sich, wer Resignation und ein ihr folgendes Verstummen befürchtete.

Es waren drei Gründe, die mich zu dieser Auszeit veranlassten. Erstens war mein Terminkalender bis Mitte Dezember so übervoll mit Reise-, Vortrags- und Publikationspflichten, dass ich alles hintanstellte, was irgendwie verzichtbar erschien. Zweitens war nach fast vierzig Jahren Berufstätigkeit so viel an unsystematisch abgelegten Unterlagen zu ordnen und an unerledigten Vorgängen abzuarbeiten, dass ich beschloss, im alten Jahr erst einmal „klar Schiff“ zu machen, bevor ich mich im neuen Jahr wieder an öffentlichen Debatten beteiligte.

Drittens wollte ich niemandem Anlass bieten, mir Störmanöver beim endgültigen Zustandekommen der jetzigen Kenia-Koalition Sachsens zuzuschreiben. Davon riet vor allem ab, dass ich jenen Kurs, der seit vielen Monaten in diese Koalition führte, zwar weiterhin für einen solchen halte, welcher der CDU einen weiteren Machtverlust zugunsten der AfD bescheren wird. Doch aufhalten ließ sich diese Entwicklung nun einmal nicht. Vielmehr erwies sich aufs Neue: Gerade in der Politik müssen viele Fehler erst einmal gemacht werden, bevor die Fehlermacher sie im Nachhinein als Fehler einzusehen bereit sind. Solches Lernen aus für unwahrscheinlich gehaltenen, dann aber doch unabwendbaren Erfahrungen gelingt allerdings besonders schlecht, wenn die Verantwortlichen auf Leute zeigen können, derentwegen dann angeblich doch nicht klappte, was ohne ihre Einmischung vermeintlich hätte funktionieren können. So aber bekam Sachsens CDU ohne sonderliches, da ohnehin aussichtsloses Widerstreben genau das, was ihre Führung wollte. Es würde mich zwar freuen, wenn sich meine Sorgen ob der neuen sächsischen Koalition als unbegründet erwiesen. Doch wahrscheinlich wird es so nicht kommen.

Damit sind wir beim ersten jener Themen angelangt, die das kommende Jahr prägen werden. Hinzu kommt bundespolitisch das anhaltende Missvergnügen in der – und mit der – vorgeblich großen Koalition auf Bundesebene. Als dessen Ergebnis werden SPD und CDU irreparablen Schaden nehmen. Zu besichtigen ist ferner der abnehmende Grenznutzen traditioneller Politiken, etwa unserer EU-, Russland- und NATO-Politik. All das ist verbunden mit den sich umschichtenden globalen Machtverhältnissen sowie mit dem – durchaus auch selbstverschuldeten – Einflussverlust Europas in der Welt. Und innenpolitisch ist das alles eingebettet in eine andauernde, sich wohl gar verschärfende Polarisierung zwischen dem Lager der AfD und dem der selbsternannt „Anständigen“. Nichts von alledem empfinde ich als gut, und selbst das Unausweichliche wünschte ich eher verzögert als vorangetrieben.

Doch der Einfluss eines Analytikers und Kommentators reicht nun einmal nicht weiter als der von Kassandra, als diese die Trojaner davon abzuhalten versuchte, das von den griechischen Belagerern zurückgelassene hölzerne Pferd mit dem Invasionstrupp darin wie eine glücksbringende Trophäe in die Stadt zu holen. Trotz Kassandras wenig ermutigendem Beispiel werde ich aber weiterhin die Aufgaben eines Mahners, Warners und Aufweisers von Alternativen nach besten Kräften und gern erfüllen.

Durchaus hoffe ich, dass im neuen Jahr mehr Leute als in den vergangenen Monaten einsehen werden, dass auch ihnen unwillkommene Wirklichkeitsbeschreibungen und Wirkungsanalysen zutreffend sein können – und dass Systemstörungen durchaus nicht dadurch vergehen, dass man die sie anzeigenden Warnleuchten ignoriert, abdeckt oder ausschaltet. Mich jedenfalls macht es analytisch höchst zufrieden, wenn auch nicht politisch glücklich, dass sich immer mehr von dem als völlig zutreffend herausstellt, was ich seit fünf Jahren auf meinem Blog oder auf Facebook an Einschätzungen von aktuellen Zuständen oder von einsetzenden Entwicklungen vorgetragen habe – und zwar gegen vielerlei emotionalen, mitunter schlicht dummen und allzeit zum Verleumden aufgelegten Widerspruch.

Weil beim Zusammentreffen politischer Voreingenommenheit mit der Wirklichkeit aber sehr oft die erstere blamiert wird, werde ich mich weiterhin mit Zuversicht darum bemühen, so viel sachlich Richtiges und einem rationalen politischen Diskurs Förderliches wie nur möglich zu schreiben. Allen meinen Leserinnen und Lesern wünsche ich im neuen Jahr viel Freude oder immerhin gutes Gelingen beim Vermehren bisheriger Einsichten – und obendrein alles Gute, persönlich wie politisch!

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