Ist die WerteUnion an den Stimmenverlusten der Sachsen-CDU schuld?

Ist die WerteUnion an den Stimmenverlusten der Sachsen-CDU schuld?

Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung hat am 8. September in ihrem Aufmacher Hans-Georg Maaßen – und somit die WerteUnion – als den Schuldigen an den Stimmenverlusten der sächsischen CDU ausgemacht. Die Schlagzeile lautete „Maaßen schadete der CDU. Sächsische Gastgeber verloren ihre Wahlkreise. Abgrenzung zu AfD brachte Gewinne“.

Außerdem brachte es die FAS fertig, mich wie einen Kronzeugen dieser Einschätzung ins Feld zu führen, indem aus der auf meinem Blog publizierten differenzierten Wahlanalyse[1] nur ein einziger von vielen Punkten – seinerseits ohne den Kontext der anderen irreführend – zitiert wurde: Das wider die Erwartungen stärkere Abschneiden der CDU verdanke sich „einer klaren und unbeirrbar durchgehaltenen Absage an eine Koalition mit der AfD“. Allerdings wurde der wichtige Nachsatz weggelassen wurde: „…. weswegen die Linke hier keinerlei Skandalisierungschancen hatte“. Obendrein hatten die mich betreffenden Passagen auch noch den Dreh, mich wie einen Wendehals aussehen zu lassen.

Was wirklich meine Einschätzung ist, habe ich in einer internen Stellungnahme für die Führung der WerteUnion aufgeschrieben. Hier folgt, leicht redigiert, dieser Text:

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Es ist so, „dass der FAS-Text an der Oberfläche bleibt und richtig Beobachtetes in irreführende Kontexte stellt. Vorab müssen wir selbst uns aber eingestehen, dass Maaßens Auftritte zweifach suboptimal waren: Er stellte (falls die Medienberichterstattung zutrifft) eher den objektiv falschen Umgang mit sich selbst in den Mittelpunkt seiner Auftritte als dort zu erklären, warum es – trotz allem – vernünftig sei, die CDU zu wählen;[2] und statt die zu erwartenden unfairen Skandalisierungsversuche zu unterlaufen, bot er ihnen immer wieder neue Ansatzpunkte.

Zu den oberflächlichen Beobachtungen und irreführenden Deutungen ist festzustellen:

a) Anhand der Korrelation von Maaßen-Auftritten und CDU-Wahlkreisniederlagen einen Kausalzusammenhang zu konstruieren, ist ebenso sinnvoll, wie aus der Häufigkeit von Störchen und Geburten im ländlichen Raum sowie der Seltenheit von Störchen und Geburten im städtischen Raum zu schließen, Störche brächten die Kinder. Der Zusammenhang ist vielmehr: Insbesondere von der AfD bedrohte Kandidaten luden Maaßen ein; der stellte sich aber eher in den Dienst der eigenen Sache als in den der sächsischen CDU; das wurde medial sowie von der CDU skandalisiert; und deshalb erhielten die CDU-Kandidaten dort weniger Leihstimmen von SPD, LINKEN und GRÜNEN als in Wahlkreisen, wo die CDU-Kandidaten brav das linke Mantra aufsagten, sie liebten Grünes und Linkes derzeit mehr als jene früheren eigenen Positionen, die nun die AfD einnimmt.

b) Die AfD hat weiterhin viele Stimmen von der CDU gewonnen und wird diese Wähler in der kommenden CDU/Grüne/SPD-Koalition wohl dauerhaft an sich binden, während die CDU-stärkenden Leihstimmen von Grünen und Linken sich nicht der Zuneigung zur CDU verdanken, sondern allein dem Wunsch, die AfD nicht stärkste Partei werden zu lassen. Im Grunde hat sich die CDU in die Falle ihrer Gegner von links  begeben. Derzeit ist sie jedenfalls ein Scheinriese: Das x von „29 % plus x“ verdankt sich Leihstimmen, und die meisten Direktmandate wurden auch nur mit hauchdünnem Vorsprung gewonnen.

c) Klug war die Abgrenzung von der AfD nur aus zwei Gründen. Erstens wurde der AfD so gezeigt, dass ihr bequemer und selbstgefälliger Radikalisierungskurs sie gerade nicht an die Seite der CDU bringt. Zweitens wurde der Linken ihr erhofftes Wahlkampfthema genommen: Schwächt die mit der AfD kooperationswillige CDU so sehr, dass die Linke eine Parlamentsmehrheit bekommt! Ein CDU-Wahlkampferfolg war somit durchaus, dass Linke und Grüne nun ganz im Gegenteil die CDU wählen mussten (!), um auf linke Politik hinwirken zu können.


Fazit: Die Schlussfolgerung der FAS hilft der CDU nicht weiter. Nur wenn wir der AfD Wähler abnehmen, werden wir wieder stark. Und leider nahm die CDU ihrerseits die Auftritte von Maaßen zum Anlass, weitere Wähler lieber zur AfD zu komplementieren als ihnen zu sagen: „Eine Wahl der AfD ist fortan unnötig, denn die verlässliche und vernünftige CDU ist wieder da!“

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Im Übrigen hat mein Auftauchen im fraglichen FAS-Aufmacher eine kleine Vorgeschichte, die ebenfalls berichtet sei. Die zuständige Redakteurin fragte per Email, wieso ich mich nicht genug im sächsischen Landtagswahlkampf eingesetzt fühle, und sie bat um Angabe der Anzahl meiner „Auftritte“. Womöglich war also ein Doppelporträt beider „CDU-Schädlinge“ in Erwägung gezogen. Ich antwortete postwendend:

Die Sache ist im Grunde ganz einfach: Ich hatte meine politische Rolle dahingehend verstanden, dass ich jene CDU–Wähler, die zur AfD abzuwandern bereit sind oder schon abgewandert waren, in besonderer Weise ansprechen und nach Möglichkeit doch wieder an die CDU binden sollte. Tatsächlich aber wurde die Wahlkampfstrategie dahingehend festgelegt, dass es vor allem auf das Gewinnen von Wählerstimmen aus dem Bereich von SPD und Grünen ankäme.

Diese Strategie ist dann ja auch in letzter Minute noch aufgegangen, wie man an den Wählerwanderungsanalysen und am im Vergleich zu den Umfragen deutlich besseren realen CDU-Ergebnis ablesen kann. Dem steht freilich gegenüber, dass wir 81.000 Stimmen an die AfD verloren haben und derzeit eben nicht aus eigener Stärke vor der AfD liegen. Doch da die Wahlkampfstrategie ja im Wesentlichen aufgegangen ist, habe ich an dieser Stelle nicht nachzukarten. 

Weiterhin glaube ich allerdings, dass wir mit mehr Anstrengungen gegenüber den AfD-Sympathisanten auch in diesem Bereich unsere Verluste hätten durchaus eindämmen können. Dass ich genau dazu eben doch nicht beitragen konnte, habe ich bedauert – allerdings nicht mit Trompetenschall, sondern nur als Eingangsbemerkung zu einem Beitrag auf meinem Blog, in dem ich erläuterte, warum es in jeder Hinsicht vernünftig wäre, am 1. September die CDU zu wählen.[3] 

Insgesamt habe ich mit fünf Landtagsabgeordneten – allesamt unter AfD-Druck – je eine Wahlveranstaltung gemacht. Der Außeneindruck war: Patzelt wurde von seiner Partei – für die einen „Gott sei Dank“, für die anderen „leider Gottes“ – kaltgestellt. Mein Eindruck hingegen ist: Ich habe meine Pflicht getan, freilich auch nicht mehr.

Und damit, meine ich, darf ich meine persönliche Rückschau auf den Wahlkampf nun auch beenden.


[1] https://wjpatzelt.de/2019/09/03/kurzanalyse-der-landtagswahlen-vom-1-9-2019/

[2] Siehe dazu meinen Blogbeitrag https://wjpatzelt.de/2019/08/26/warum-ist-es-vernuenftig-am-1-september-die-cdu-zu-waehlen/

[3] Siehe die letzte Fußnote.

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