Die NPD und das „Parteienverbot light“

Die NPD und das „Parteienverbot light“

Zur Verfassungsänderung, wonach politisch unliebsamen Parteien fortan der Geldhahn abgedreht werden kann, habe ich mich auf S. 2 der „Jungen Freiheit“ vom 30. Juni 2017 geäußert; unten findet sich dieser Text.

In dessen Zusammenhang ist auch jene Diskussionsveranstaltung vom 19. Juli 2012 über die Möglichkeit und Sinnhaftigkeit eines NPD-Verbots interessant, zu welcher die Sächsische Landtagsfraktion der Grünen mich damals als Referenten eingeladen hatte. Eine Dokumentation findet sich unter http://www.johannes-lichdi.de/fileadmin/user_upload/Publikationen_ab_7-12/Dokumentation_NPD-Verbot.pdf. Auf S. 28-38 gibt es dort als Wortprotokoll mein Referat nachzulesen, auf S. 38-54 dann die lebhafte Diskussion.

Für mich war die Wiederbegegnung mit dem damals Gesagten höchst lehrreich. Ich verwendete nämlich zum Umgang mit NPD genau die gleichen Argumente, die ich gut vier Jahre später auch zur Begründung meiner Verhaltensempfehlungen gegenüber PEGIDA und der AfD heranzog. Sie alle haben sich als tragfähig erwiesen – sowohl hinsichtlich des weiteren Schicksals der NPD und des PEGIDA/AfD-Komplexes als auch bezüglich dessen, was angesichts solcher Herausforderungen die klügere bzw. weniger klugen Verhaltensweisen sind. Vermutlich hätte man auch damals nicht gegen meine Ratschläge revoltieren, sondern sie befolgen sollen …

Hier nun mein Kommentar für die „Junge Freiheit“, von deren Redaktion übertitelt mit „Ein Verbot ‚light‘. Parteienfinanzierung: Eine Verfassungsänderung hebt die Chancengleichheit auf“.

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„Gut gemacht“ ist anderes als „gut gemeint“. Auch erkennt man Gutgetanes erst im Rückblick. Sorgen darf man sich aber schon früher machen. Etwa über jenes „Parteienverbot light“, das der Bundestag jüngst durch Verfassungs- und Gesetzesänderungen beschlossen hat.

Es dient der finanziellen Strangulierung solcher Parteien, die das Bundesverfassungsgericht – obwohl verfassungswidrig – angesichts ihrer Bedeutungslosigkeit wegen des rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeitsgebots nicht verbieten will. Trotzdem soll ihnen das Gericht den staatlichen Geldhahn zudrehen können, nämlich durch Feststellung ihrer Verfassungsfeindlichkeit. Das schafft für Parteien einen neuen Rechtsstatus zwischen „normal“ und „verboten“. So werden sie selbst dann materiell angreifbar, wenn das Recht an ihnen abgleitet. „Vogelfrei“ hätte man das früher wohl genannt.

Die Zuweisung dieses Status vermögen die etablierten Parteien auszulösen, nämlich über ihre staatlichen oder parlamentarischen Rollen. Also kommt neben der löblichen Sicherung freiheitlicher Demokratie ein weiteres Motiv ins Spiel: Man kann fortan auch gegen bloß unerwünschte Parteien vorgehen, falls das Verfassungsgericht mitspielt. Letzteres vollzöge sich, sobald das Gericht die – seit 1951 in seiner Definition von „freiheitlicher demokratischer Grundordnung“ festgelegten – Kriterien der Verfassungsfeindlichkeit von Parteien ausweitete und nach politischen Gesichtspunkten akzentuierte. Das ließe sich mit Blick auf das Verhältnismäßigkeitsgebot damit begründen, es gehe ja nicht um das schwerwiegende Verbot einer Partei, sondern nur um die Beendigung ihrer staatlichen Finanzierung. Wird die entzogen, ist die bekämpfte Partei allerdings auch erledigt – nur eben leichter und eleganter als mit der Keule eines ausdrücklichen Verbots.

Von ihrer antiextremistischen Zwecksetzung her ist diese neue Möglichkeit schon plausibel. Sie wird aber sehr ungute Nebenwirkungen haben. Jetzt ist nämlich ein wertvolles Prinzip freiheitlicher demokratischer Grundordnung um seine bisherige Klarheit gebracht: die Chancengleichheit aller nicht verbotenen politischen Parteien. Gerade mit Verweis darauf ließ sich jahrzehntelang der böswilligen Behauptung entgegentreten, in Deutschland herrsche die „plurale Fassung einer Einheitspartei“. Wenn aber die Chancengleichheit der Parteien beseitigt wird, um ganz ausdrücklich ein weiteres Kampfmittel gegen unliebsame Parteien zu schaffen, dann entsteht genau hier eine Wunde freiheitlichen Verfassungsdenkens. Dieses zielt nämlich auf Gleichbehandlung aller Akteure in der politischen Arena sowie auf liberale Kriterien beim Zugang zu ihr.

Das Fortschwären dieser Wunde wird bald unsere politische Kultur über das jetzt schon schlimme Ausmaß links- und rechtsradikaler Gewaltlust hinaus vergiften. Die Feststellung der Verfassungsfeindlichkeit einer nicht verbotenen Partei öffnet nämlich Tür und Tor für die zivilgesellschaftliche politische Selbstjustiz. Denn welche Argumente soll man künftig dem Druck politischer Gruppen auf Gastwirte oder Kommunalverwaltungen entgegensetzen, einer zwar nicht verbotenen, doch gerichtlich als verfassungsfeindlich ausgewiesenen Partei solche Räume gerade nicht zur Verfügung zu stellen, welche diese Partei für ihre parteien- oder wahlrechtlich vorgeschriebenen Parteitage oder Wahlversammlungen nun einmal braucht? Leicht lässt sich durch solches Verhindern bewirken, dass eine politische Gruppierung bald schon formalrechtlich nicht mehr als Partei auftreten kann. Sie wäre dann, wider eigenen Willen, von der Befolgung zwingender Rechtsregeln abgehalten, also von ihren Gegnern ganz ohne Wählervotum erstickt worden.

Noch weiter geriete man in den Sumpf, würde das Argument populär, für das Erkennen der Verfassungsfeindlichkeit einer Partei brauche man doch nicht Nachhilfe vom Verfassungsgericht. Also wäre jene Partei jetzt schon, im Vorgriff auf das noch nicht geleistete Austrocknen ihrer Geldquellen, um sämtliche Betätigungschancen zu bringen. Wie der Umgang früher mit der NPD, heute mit der AfD zeigt, ist so eine Entwicklung sehr wahrscheinlich. Gerade in diesem Zusammenhang ist es aufschlussreich, dass nur wenige Jahre nach dem Verbot der KPD die Gründung der DKP von sehr vielen begrüßt wurde als Einschwenken der „übertrieben antikommunistischen“ Bundesrepublik auf die Normalität westlicher Demokratien, während weiterhin jede Partei als auch rechtlich auszuschalten gilt, die sich in die Nähe der – 1951 in Gestalt der Sozialistischen Reichspartei ausdrücklich verbotenen – Nazis rücken lässt. Nichts anderes als eine Reaktion auf die Unmöglichkeit, der politisch besonders verhassten NPD durch ein Parteiverbot beizukommen, ist denn auch die jetzt vollzogene Schaffung des Rechtsstatus einer „vogelfreien Partei“.

Sehr ist um unserer Demokratie willen zu hoffen, dass sich bald schon ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht oder vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte herbeiführen lässt, das die so kurzsichtig bewirkten Rechtsprobleme klärt. Es besäße auch noch eine ganz besondere Pointe: Wurde der Verfassungsgesetzgeber zum Versuch, verfassungswidriges Verfassungsrecht zu schaffen, vielleicht vom Verfassungsgericht selbst verleitet?

 

Bildquelle: https://www.google.de/search?q=npd&rlz=1C1NIKB_deDE570DE570&source=lnms&tbm=isch&sa=X&ved=0ahUKEwih1cPHypfVAhXEaFAKHQfSAGIQ_AUICygC&biw=1536&bih=760#tbm=isch&q=npd-verbot&imgrc=eRcwPEz1BYoBVM:

 

 

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