Patzelt und die AfD
Unlängst schrieb mir eine Dame, die auf meiner Facebook-Seite auch als Kommentatorin tätig war, die folgende – nachstehend leicht redigierte – Anfrage:
„Vor etwa einem Monat, kurz nach ihrem Parteitag, besuchte ich mehrere Informationsveranstaltungen der AfD. Mein Interesse galt dabei den Selbstwahrnehmungsprozessen von Mitgliedern und Sympathisanten dieser Partei sowie den intern geführten Diskursen dieser Partei, um mir die Bildungsprozesse einer politischen Programmatik zu verdeutlichen. Öfters kam ich dabei ins Gespräch mit Herrn XY, und dieser wiederum brachte bei fast jeder sich bietenden Gelegenheit Ihren Namen vor. Hauptgrund war Herrn XYs Missfallen an der ‚zunehmend schwammiger werdenden Ausdrucksweise‘ Ihrerseits. Er betonte zudem, dass Sie besonders in der Anfangsphase ‚maßgebliche Aufbauarbeit‘ für die AfD geleistet hätten. Nun, derlei Äußerungen tat vor allem Herr XZ sehr häufig. … Da mir bekannt ist, dass Aneignungsprozesse ein Standardmittel bei der AfD sind, hätte ich gern Ihren Standpunkt zu diesen Aussagen.“
Gerne komme ich dieser Bitte nach.
Erstens: Als ein Mitglied der größten Konkurrenzpartei der AfD, das seine eigene Partei seit Jahren dazu drängt, rechts neben sich gerade keine „Alternative“ aufkommen zu lassen, habe ich mich natürlich nicht am „Aufbau der AfD“ beteiligt.
Zweitens: Sehr wohl habe ich aber jene in der AfD beraten (teils auf deren Wunsch hin, teils in meinen öffentlichen Aussagen zur AfD), welche diese Neugründung nicht zu einer „NPD light“ oder zu einer Partei von „rechten Spinnern“ abgleiten lassen wollten. Weil ich der Ansicht bin, eine „NPD light“ oder eine „Partei von rechten Spinnern“ sei unserem Gemeinwesen ebenso abträglich wie die „eigentliche“ NPD, sah ich das als eine nicht nur legitime, sondern auch höchst sinnvolle Aufgabe eines Politikwissenschaftlers an. (Bloß in meiner Eigenschaft als CDU-Mitglied hätte ich nämlich wünschen können, die AfD möge schnell zur „NPD light“ werden, denn das würde diese Partei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in die politische Bedeutungslosigkeit führen und der CDU eine ziemlich unangenehme Konkurrenzpartei vom Hals schaffen).
Drittens: Meine diesbezüglichen Aktivitäten für die AfD waren die folgenden:
- Vortrag auf dem Dresdner „Demokratiekongress“ der AfD am 16. Mai 2015, wo ich den Teilnehmern vor Augen führte, welche Arten von Volksabstimmungen es zu vermeiden, welche anderen aber zu nutzen gelte (Redetext samt Videoaufzeichnung der Rede auffindbar unter https://wjpatzelt.de/2015/05/18/wie-laesst-sich-deutschlands-demokratie-verbessern/)
- Vortrag auf einer Klausurtagung der AfD-Landtagsfraktion im Sommer 2015 zu den Aufgaben und angemessenen Verhaltensweisen parlamentarischer Opposition. (Dort trug ich im Wesentlichen jenen Teil meiner Standardvorlesungen zur „Einführung in das Studium der politischen Systeme“ sowie zum „Politischen System der Bundesrepublik Deutschland“, in dem ich von den Funktionen, Strukturen und Praktiken inner- wie außerparlamentarischer Opposition handle.)
- Von AfD-Mitgliedern in Sachsen bzw. Baden-Württemberg erbetene Gutachten zu bundesweit aufsehenerregenden Äußerungen von Björn Höcke (https://wjpatzelt.de/2016/01/03/das-hoecke-gutachten-oder-wie-erkennt-man-rassismus-bzw-extremismus/) und Wolfgang Gedeon (https://wjpatzelt.de/2016/07/05/gedeon-und-der-antisemitismus-gutachten/)
- Vortrag auf dem Berliner „Extremismuskongress“ der AfD vom 19. März 2017 (Redetext samt Videoaufzeichnung auffindbar unter https://wjpatzelt.de/2017/03/19/afd-extremismuskongress-berlin/
Viertens: Meine Einschätzungen zur AfD lassen sich aufs leichteste auf meinem Blog wjpatzelt.de nachlesen. Man muss nur auf jener Seite unten bei „Kategorien“ die Kategorie „AfD“ auswählen und erhält dann nicht weniger als – mit Stand von heute – 40 Beiträge angezeigt. Natürlich fehlen dort viele meiner Interviewaussagen, v.a. in Funk und Fernsehen; doch in denen sagte ich auch nichts anderes als in den auf meinem Blog dokumentierten Texten.
Fünftens: Wer meine Aussagen zur AfD nachliest, wird keineswegs erkennen können, sie wären „zunehmend schwammig geworden“. Vielmehr sind die Kriterien meiner Urteile und die Leitgedanken meiner Ratschläge stets die gleichen geblieben. Nur meine Beschreibungen dessen, „was die AfD ist“, haben sich im gleichen Umfang verändert, wie sich die tatsächliche Beschaffenheit der AfD verändert hat. Das kann für einen an Fakten – und nicht an positivem oder negativem Wunschdenken – orientierten Wissenschaftler auch gar nicht anders sein. Wer nämlich tags sagt, es sei Tag, und nachts, es wäre Nacht, hat ja kein „schwankendes Urteil“, sondern beschreibt völlig korrekt Sachverhalte, die sich eben wandeln – wie die AfD.
Sechstens: Im Übrigen scheint – wie schon im Fall von PEGIDA – die nachstehend beschriebene „sozialoptische Täuschung“ zu wirken. Weil ich mich sowohl bei PEGIDA als auch bei der AfD von vornherein und jederzeit um an den Tatsachen orientierte, faire, in sachlichem Ton vorgebrachte Aussagen bemüht haben, konnte meine Haltung in einer Zeit, da es zum guten Ton gehörte, sich über PEGIDA und AfD nur wutschnaubend und empörungsrot zu äußern, leicht wie die Haltung eines Sympathisanten wirken. Und tatsächlich merkte ich im Lauf der Zeit, dass mich nicht nur PEGIDA- und AfD-Gegner, sondern auch etliche Pegidianer und AfDler wegen meiner neutralen Haltung in auf Parteinahme drängenden Zeiten wie einen Sympathisanten ihrer Sache wahrnahmen. Als aber später eine differenzierte Betrachtung von PEGIDA und AfD einsetzte und meine – immer schon vertretenen – Positionen zu PEGIDA und AfD zu den mehr und mehr vorherrschenden Sichtweisen wurden, wirkte das auf viele Pegidianer und AfDler so, als hätte ich selbst meine Position verändert, weil sie eben nicht mehr eine ziemlich alleinstehende war. Eben das scheint mir hinter der jetzt öfters zu hörenden Aussage zu stehen, ich redete inzwischen „schwammig“ oder scheute mich, „klar Position zu beziehen“. Sobald man sich aber in eine Beobachterrolle außerhalb des politischen Streits bringt, erkennt man ziemlich leicht, welche Position ich ganz unverändert seit Beginn all dieser Diskussionen eingenommen habe.
Siebtens: Es wäre – auch zur Klärung sinnvoller Positionen angesichts aktueller Herausforderungen – sehr anzuraten, den unten erwähnten Text von mir zu lesen, der lange vor dem Aufkommen von AfD und PEGIDA entstand. In ihm findet sich nämlich genau jene Position detailliert entwickelt, die ich nach dem Aufkommen von AfD und PEGIDA zu diesen – wie sich inzwischen zeigt – zwei Seiten derselben Medaille stets und ganz unbeirrt eingenommen habe. Leicht lässt sich jener Text auch unter dem folgenden Link aufrufen: https://wjpatzelt.de/2016/11/05/rechtsradikalismus-in-sachsen-und-darueber-hinaus/. Viele Leute, die einiges an Lebenszeit oder Energie in die Auseinandersetzung mit dem „rechtslastigen Patzelt“ investiert haben, hätten sich jedenfalls derlei Vergeudung ihres „élan vital“ sparen können, wenn sie sich rechtzeitig darüber kundig gemacht hätten, was ich wirklich – und öffentlich zugänglich – über Herausforderungen unserer Demokratie von rechts denke und sage.
Werner J. Patzelt, Rechtsradikalismus in Sachsen und darüber hinaus. Ein Essay über Diagnose und Therapie, in: Antonius Liedhegener / Torsten Oppelland, Hrsg., Parteiendemokratie in der Bewährung. Festschrift für Karl Schmitt (= Jenaer Beiträge zur Politikwissenschaft 14), Baden-Baden (Nomos) 2009, S. 331-345
Nachbemerkung aus gegebenem Anlass: Obwohl es nun erst recht keinerlei Rätselraten mehr über meine tatsächlichen politischen Positionen geben müsste, bin ich ziemlich sicher, dass auch künftig gar nicht wenige über dies alles eine Menge blühenden Unsinns sagen und schreiben werden. Denn wer will sich schon eine aktionsmotivierende Meinung durch zeitverbrauchendes Nachlesen ruinieren lassen!
Oder sollte ich mich da täuschen – gar hinsichtlich von Linken? Vediamo …
Bildquelle: https://www.google.de/search?q=patzelt+afd&rlz=1C1NIKB_deDE570DE570&source=lnms&tbm=isch&sa=X&ved=0ahUKEwiVxcvdmpfUAhUJ6xoKHfW1ClYQ_AUIDCgD&biw=1536&bih=760#q=patzelt+afd&tbm=isch&tbs=isz:l&imgrc=Z2coRr4Va_GbxM: