Streit bei PEGIDA, Streit bei der AfD

Streit bei PEGIDA, Streit bei der AfD

Unter dem Titel „Was die Konflikte in der AfD so giftig macht“ (http://www.welt.de/politik/deutschland/article156704683/Was-die-Konflikte-in-der-AfD-so-giftig-macht.html) erschien am 1. Juli 2016 in der „WELT“ das folgende Interview:

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Die Organisatoren der islamfeindlichen Bewegung Pegida in Dresden haben sich überworfen. Tatjana Festerling beschuldigte ihren bisherigen Weggefährten Lutz Bachmann eines „laxen Umgangs“ mit Spenden. Bachmann weist das zurück. Heftige Konflikte gibt es auch bei der AfD zwischen den Gegnern und Anhängern von Parteichefin Frauke Petry. Werner Patzelt, Professor für Politologie an der Technischen Universität Dresden, analysiert, wie es zu solchen öffentlich ausgetragenen Konflikten kommt – und was sie für die Popularität der Rechten bedeuten.

Die Welt: Herr Patzelt, wieder einmal streitet die Führungsmannschaft von Pegida. Was geht da vor?

Werner Patzelt: Lutz Bachmann will niemanden neben sich, der ihn in den Schatten stellen könnte. Also beharkt man sich gegenseitig. Die am vorletzten Montag vor den Demonstranten gestellte Vertrauensfrage wurde für Bachmann positiv beantwortet. Wie weit das trägt, ist allerdings offen.

Die Welt: Mit Bachmann und Festerling treffen zwei Persönlichkeiten aufeinander, die extrem von sich eingenommen sind. Befeuert das den Streit?

Patzelt: Lutz Bachmann weiß, dass er mit Pegida etwas für Deutschland Einzigartiges zustande gebracht hat. Festerling weiß, dass sie mit ihrer demagogischen Rhetorik viele Zuhörer fesseln kann. Und sie ist selbstbewusst genug, kein Zugpferd sein zu wollen, das den Wagen eines anderen zieht. Also kam es zum Bruch – wie im Januar 2015 nach den Spannungen zwischen einem in die öffentliche Kritik geratenen Bachmann und der zu bundesweiter Bekanntheit gelangten Kathrin Oertel.

Die Welt: Die Spaltung ist also bereits vollzogen?

Patzelt: Es sieht danach aus. Denkbar ist aber auch ein koordiniertes Nebeneinander von Pegida in Dresden und Neu-Legida in Leipzig. Festerling scheint zu beabsichtigen, eine Nachfolgebewegung zu Legida aufzubauen und zu einem Teil jenes internationalen Netzwerks zu machen, das den Namen Fortress Europe (Festung Europa, d. Red.) trägt. Was aus ihren Plänen wird, ist derzeit nicht absehbar.

Zeigen wird sich auch, wie lange es Lutz Bachmann gelingt, den harten Kern von Pegida – etwa 1600 Leute – samt rund weiteren 1000 verlässlichen Sympathisanten in Dresden am Demonstrieren zu halten.

Die Welt: War’s das also mit Pegida?

Werner Patzelt: Ob und wann es mit Pegida zu Ende geht, hängt erstens davon ab, ob die AfD zum verlässlichen Sprachrohr für die Anliegen von Pegida-Sympathisanten wird. Zweitens von weiterhin nicht allzu fühlbaren Flüchtlingszahlen sowie dem Ausbleiben islamistischer Anschläge. Und drittens davon, ob die Regierung eine für die Bevölkerung plausible Einwanderungs- und Integrationspolitik betreibt.

Die Welt: Nicht nur die Führung von Pegida zofft sich, sondern auch die der AfD. Ist das typisch für das rechte Spektrum?

Werner Patzelt: Zunächst einmal handelt es sich um ein Problem jeder neuen Partei. In eine solche streben nämlich auch viele Quertreiber und politisch Unbedarfte, um die herum dann Streit entsteht. Ist die neue Partei erfolgreich, so suchen mehr Leute einen Platz an ihrer Spitze, als dort unterzubringen sind.

Das verbindet sich bald mit dem für die Konsolidierung einer Partei ohnehin nötigen Richtungsstreit. Die Piraten sind darüber zerbrochen, und die Grünen litten jahrelang am Streit zwischen Realos und Fundis. Die AfD erlebt also Altbekanntes.

Die Welt: Das heißt also: Die AfD wird noch monate- oder gar jahrelang streiten?

Patzelt: Weil dort viele das Politikmachen erst noch erlernen müssen, ist das gut möglich. Hinzu kommen wechselseitige Abneigungen, etwa zwischen Parteichefin Frauke Petry und Thüringens Landeschef Björn Höcke.

Obendrein wird jetzt um die Spitzenkandidatur zur nächsten Bundestagswahl gerungen, faktisch also darum, wer dort Fraktionsvorsitzender mit bundespolitischem Einfluss wird. Und für rechte Parteien macht die Verbindung aus Streit um Personen mit Konflikten um Positionen das Ringen um Geschlossenheit besonders schwierig.

Die Welt: Können Sie das genauer erläutern?

Patzelt: Eine Partei rechts von der Union muss auf einem geschichtspolitisch verminten Gelände agieren. Leicht skandalisierbar sind unbedachte Formulierungen zum Nationalsozialismus, zum Antisemitismus und Rassismus oder zum Umgang mit Deutschlands Vergangenheit. Also werden sie zu innenpolitischen und innerparteilichen Angriffspunkten.

Das macht die Konflikte um Höcke, Gauland und Gedeon so giftig – zumal dann, wenn sich in sie Leute einmischen, denen politisch-mediale Erfahrung fehlt oder die bereits in anderen rechten Parteien als Nörgler oder wegen Teamunfähigkeit aufgefallen sind.

Die Welt: Doch offenkundig schadet es bisher weder der AfD, dass sie in ihren Reihen Antisemiten duldet, noch Pegida, dass Bachmann als Krimineller vorbestraft ist. Warum ist das so?

Patzelt: Das ist leicht zu erklären. Die Leute gehen zu Pegida ja nicht wegen Herrn Bachmann, und sie wählen in Baden-Württemberg die AfD auch nicht wegen Herrn Gedeon. Vielmehr sehen sie im Demonstrieren mit Pegida oder im Wählen der AfD die beste Möglichkeit, aufs Deutlichste zu signalisieren, dass sie Korrekturen in der deutschen Einwanderungs- und Integrationspolitik wünschen sowie die CDU für zu links halten.

Im Grunde sagen Pegidianer und AfD-Wähler ganz einfach: Ihr etablierten Parteien, entweder macht ihr wieder eine vernünftige Politik – oder wir wählen euch nie wieder! Zumal die CDU die von ihr Enttäuschten nur dadurch wieder zurückgewinnen kann, dass sie ihre Kritiker ernst nimmt, deren Sorgen aufgreift und Lösungen für die bestehenden Probleme anbietet.

Die Welt: Für den Fall, dass Sie recht haben: Es sieht ganz und gar nicht danach aus, dass Angela Merkel das Signal gehört hat …

Patzelt: Stimmt. Ob die CDU-Vorsitzende ihren Kurs verändert, hängt maßgeblich von ihrem Koalitionspartner ab. Erklärt die SPD im Bundestagswahlkampf, auch künftig der Kanzlerin Kuscheltier bleiben zu wollen, wird Merkel weitermachen wie bisher – und allenfalls mit den Grünen liebäugeln.

Geht die SPD aber auf ein Linksbündnis mit Grünen und Linkspartei ein, so wird Merkel ihren Mittekurs nicht mit guten Gründen halten können, sondern den Deutschen eine Wahl zwischen links und rechts ermöglichen müssen. Und tut sie das nicht, so wird die CDU viele Stimmen an die AfD als Gegenmittel zum durchschnittlichen Linksruck der etablierten Parteien verlieren.

Die Welt: Glauben Sie, dass Merkel das auch so sieht?

Patzelt: Nein. Doch vielleicht helfen die Ergebnisse der kommenden Landtagswahlen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern beim Dazulernen.

 

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