Medienecho auf PEGIDA-Studie

Medienecho auf PEGIDA-Studie

Am Medienecho unserer Studie zu PEGIDA fällt einiges auf.

1) Man hätte die zentrale Aussage so formulieren können: „Zwei Drittel der Demonstranten sind ‚gutwillige Bürger'“. Mitbekommen hat man: „Ein Drittel der Demonstranten sind rechtsnationale Ausländerfeinde“.

2) Man hätte das von mir für diese dritte Gruppe gewählte Wort „Xenophobie“ zutreffender übersetzen können. Xenophobie heißt nämlich nichts anderes als „Fremdenfürchtigkeit“ oder „Furcht vor dem Fremden“. Gewählt aber wurde meist die – mit einem nun wirklich sehr besonderen Akzent versehene – Verdeutschung „Ausländerfeindlichkeit“. (Ich freilich hätte das voraussehen und gleich von „rechtsnationaler Fremdenfürchtigkeit“ schreiben sollen).

3) Als ein zentraler Befund hätte sich vermitteln lassen: „Die meisten Pegida-Demonstranten sind keine Ausländerfeinde, sondern wollen, dass Deutschland weiterhin Bürgerkriegsflüchtlinge und Asylbewerber aufnimmt“.

4) Man hätte herausstellen können, dass in den Augen von Pegida-Demonstanten nicht die Bürgerkriegsflüchtlinge Anlass von Zorn über so manche Politik unseres Landes sind, sondern dass der Kristallisationspunkt von Empörung der Eindruck ist, aus dem Asylrecht sei eine Art Autobahn zum selbstbestimmten Einwandern nach Deutschland geworden.

5) Angesichts der fast regelmäßigen Verbindung des Wortes „Pegida“ mit der Eigenschaftsbezeichnung „islamfeindlich“ (oder wenigstens „islamkritisch“) hätte sich mitteilen lassen, dass zwar über die Hälfte der Befragten nicht einmal einen Islam, welcher so friedlich wie das heutige Christentum wäre, als zu Deutschland passend ansieht, dass fast ein Drittel der Demonstranten das aber sehr wohl tut. Davon ausgehend, hätte sich wiederum erklären lassen, wie unterschiedlich die Pegida-Demonstranten dieses Thema angehen, das für die Zukunft unserer Gesellschaft doch überaus wichtig ist.

6) Nur sehr wenige Berichte kamen ohne den Hinweis aus, unsere Studie sei „nicht repräsentativ“. Oft klang das danach, so richtig dürfe man sich auf ihre Befunde nicht verlassen. Dabei kommt unsere Untersuchung dem anzustrebenden Ideal der Repräsentativität näher als jede der anderen vorliegenden Untersuchungen.

„Repräsentativ“ heißt, dass die Stichprobe ein „verkleinertes Abbild“ der „Grundgesamtheit“ ist, hier also: „aller Pegida-Demonstranten“. Garantieren kann man Repräsentativität dann, wenn ….

erstens: … jedes Element der Grundgesamtheit (hier: jeder Pegida-Demonstrant) die gleiche Chance hat, in die Stichoprobe zu gelangen (d.h.: befragt zu werden), und ALLEIN DER ZUFALL darüber entscheidet, wer tatsächlich ausgewählt (hier: interviewt) wird. „Zufall“ heißt dabei „blinder Zufall“, also durchaus nicht, dass Interviewer nur nach eigenem Ermessen einen Interviewpartner auswählen. So geschieht das etwa bei Straßenumfragen von Journalisten. In der Alltagssprache heißt es dann zwar, sie hätten ihre Gesprächspartner „zufällig“ ausgewählt. In der Fachsprache der empirischen Sozialforschung heißt dieses Auswahlverfahren aber „willkürlich“ und garantiert gerade keine repräsentative Stichprobe. Journalisten sagen deshalb auch immer, dass ihre „zufällig ausgewählten“ Gesprächspartner „nicht repräsentativ“ wären, und so ist es auch ganz in Ordnung.

zweitens: … auszuschließen ist, dass jene, die eine Befragung ablehnen, andere Merkmale aufweisen als die, welche sich befragen lassen. Es geht hier also um die – möglichst zu vermeidende – „Verzerrung“ der Stichprobe.

Die Pegida-Studien von Rucht u.a. und Walter konnten gar keine repräsentativen Stichproben haben, und sie behaupteten das auch gar nicht. Bei diesen Untersuchungen warb man nämlich durch bei der Kundgebung verteilte Zettel Demonstrationsteilnehmer dafür, sich anschließend – meist: zuhause – an einen PC zu setzen und dort an einer online-Befragung teilzunehmen. Ganz gewiss unterscheiden sich jene, die nicht an dieser Befragung teilnahmen, von jenen, die das taten. Das legen Rucht u.a. sowie Walter auch offen und bedenken das bei ihren Deutungen. Das ist gute wissenschaftliche Praxis.

Die Studie von Vorländer behauptet zwar, eine repräsentative Umfrage zu sein, weil „mit einer Zufallsauswahl“ gearbeitet worden sei. Tatsächlich hatten bei dieser Umfrage aber nicht alle Demonstrationsteilnehmer die gleiche Chance, befragt zu werden. Auch entschied nicht allein der Zufall darüber, wer tatsächlich ausgewählt wurde. Das taten Vorländers Interviewer nämlich in etwa so, wie Journalisten bei einer Straßenumfrage Passanten auswählen. Deshalb gibt es auch keinerlei Garantie dafür, dass die Nicht-Befragten die gleichen Merkmale aufweisen wie die Befragen. Das ist sogar höchst unwahrscheinlich. Und somit ist diese Stichprobe auch nicht repräsentativ.

Das wurde von Fachkollegen, die in der Umfrageforschung tätig sind, an dieser Studie aufs deutlichste kritisiert, wie sich durch Ergoogeln der entsprechenden Medienberichterstattung leicht nachprüfen lässt. Dennoch halten halten die Autoren bis heute daran fest, ihre Studie sei repräsentativ, und sie betonen, ihre Befunde beruhten „auf einer Zufallsstichprobe“. Mit tragfähigen Gründen lässt sich das nur dann behaupten, wenn „zufällig“ im Sinn der Alltagsssprache gebraucht wird, also wie von Journalisten. In Wirklichkeit liegt eine „willkürliche“ Auswahl vor – freilich eine solche, bei der man sich um Repräsentativität bemühte.

Dass die Ergebnisse aller drei nicht-repräsentativen Studien trotzdem ziemlich gut zusammenpassen, liegt daran, dass halbwegs einfache Merkmale von Grundgesamtheiten sich in ihren Grundzügen auch gut in willkürlichen Auswahlen abzeichnen, falls diese sich ernsthaft bemühen, einen Querschnitt der zu Befragenden zu erreichen. Das aber taten alle drei Studien.

Unsere Studie unternahm dies erst recht. Sie verringerte die Willkürlichkeit von Interviewerentscheidungen so weit, wie es ging.

Einesteils bekam jeder Interviewer auf der Grundlage bisheriger Befunde Quoten von Männern und Frauen sowie von Personen unterschiedlicher Altersgruppen vorgegeben. Also war sichergestellt, dass zumindest die mit Alter und Geschlecht zusammenhängenden Merkmale der Demonstranten in der Stichprobe möglichst gut abgebildet würden.

Zweitens bekamen die Interviewer auf dem Kundgebungsplatz „Befragungssektoren“ zugewiesen, in denen sie ihre Interviewpartner aufzusuchen hatten. Da anzunehmen ist, dass die interessierenden Merkmale der Demonstranten nicht allzu stark mit jener Stelle zusammenhängen, auf welcher sie bei der Kundgebung auf dem Dresdner Theaterplatz standen, war damit erreicht, dass es eine ziemlich große Chance darauf gab, dass viel reiner Zufall bei der Auswahl der Interviewpartner eine Rolle spielen würde.

Drittens hatten die Interviewer die Anweisung, besonder intensiv auf solche Demonstrationsteilnehmer zuzugehen, die erfahrungsgemäß die Teilnahme an solchen Umfragen eher verweigern – in unserem Fall: junge Männer, die den Interviewern aufgrund ihrer äußerlichen Merkmale wie „sehr weit rechtsstehend“ vorkamen.

Durch dies alles erreichten wir größtmögliche Repräsentativität unserer Stichprobe. Wir konnten sogar abschätzen, inwiefern sie dennoch verzerrt war – und waren außerdem in der Lage, diese Verzerrung bei der Interpretation unserer Befunde auszugleichen. Das alles steht auf den ersten Seiten unserer an mehreren Stellen aus dem Internet herunterladbaren Studie.

Dennoch wird nun oft ganz ausdrücklich mitgeteilt, unsere Studie sei „nicht repräsentativ“. Warum? Ganz einfach: Wir waren – im Unterschied zu anderen – so ehrlich, keine Garantie für Repräsentativität zu geben, sondern legten die Repräsentativitätsprobleme offen!

Frage: Gibt es nun wohl eher eine Prämie für Transparenz und Redlichkeit – oder eher eine dafür, dass man Dinge runder darstellt, als sie sind?

PS: Morgen wird hier die Gerichtsverhandlung im Verfahren „Jungakademiker gegen faktenfreien PEGIDA-Versteher“ stattfinden. Ich bin gespannt, ob sie Medienecho findet – und gar eines in der Art jener Schlagzeilen, welche die Verbreitung der Anklageschrift begleiteten. Die lauteten, etwas zugespitzt, ja so: „Rechtschaffene Studierende und Kolleg_innen distanzieren sich von enttarntem Pegida-Professor“.

 
Bildquelle: http://media07.kanal8.de/MediaFrontend/7/PegidaPatz1.jpg

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