PEGIDA-Politik – oder: Wie können wir Dresden befrieden?

PEGIDA-Politik – oder: Wie können wir Dresden befrieden?

I. Das Problem

Wer für gesellschaftliche Probleme sensibel ist und beim Streit um richtige Ziele oder taugliche Mittel auf guten Willen setzen will, den kann die Lage in Dresden derzeit in die Verzweiflung treiben. Nach Kräften wird dort vermieden, den politischen Streit um PEGIDA politisch zu lösen.

Die einen hoffen, das PEGIDA-Problem durch Symbolik loszuwerden, zumal durch Pro- und Gegendemonstrationen. Pegidianer folgen der Strategie „Beharrungsvermögen gewinnt auch!“. Wieder andere suchen den Sieg im Abnutzungskampf um Straßen und Plätze. Gar nicht wenige nehmen die Stadt selbst zur Geisel: Wo immer sich ein Ansehensverlust Dresdens zeigt, holt man Munition für innerstädtische Durchsetzungsgefechte. Derweil zerstreiten sich viele, die unter anderen Umständen einander auch mögen könnten.

Das ist keine Lage, die man sich und seinem Gemeinwesen wünscht. Es ist müßig, deren Ursachen nachzuzeichnen. Da glaubt ohnehin jeder nur noch fest an das, was er selbst für wahr halten will. Aufklärung ist chancenlos geworden; Ignoranzkichern siegt. Und wenn nicht, dann wird der Diskurs eben abgebrochen. Toll haben wir das hinbekommen, trotz guten Willens.

Vom hohen Ross ist schwer herunterzukommen – vor allem dann, wenn man sich obendrein gewappnet und gepanzert hat. Gerade das taten viele. Wäre es da nicht Zeit, sich im Wortsinn zu ent-rüsten?

Doch entrüsten wird man sich eher über die folgenden Vorschläge. Vielleicht mag der eine oder andere sie dennoch erwägen – auch hoffend, alle möchten eines Tages ihre Rüstungen ablegen, von ihren hohen Rössern steigen und sich dann nichts ins Handgemenge begeben, sondern in den ganz normalen politischen Streit.

 

II. Erwägenswertes

Dresdens heutige Zerstrittenheit fing mit dem Auftreten von PEGIDA an. Deshalb gelten die ersten Gedanken PEGIDA. Doch auch die politisch Verantwortlichen, viele Journalisten, die PEGIDA-Gegner, sowie die sich beobachtend zurückhaltende Bürgerschaft hätten mancherlei zu überdenken.

1. Erwägenswertes für PEGIDA

a. Über Grundhaltungen

Natürlich ist es legitim, zu demonstrieren – gleich wofür, gleich wie. Doch unserer Werte wegen und des inneren Friedens willen müssen sich Demonstrationen im Rahmen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung bewegen. Zu deren grundlegenden Prinzipien gehören, neben etwa dem Rechtsstaats- und dem Demokratieprinzip, die Achtung vor den – im Grundgesetz konkretisierten – Menschenrechten sowie das Recht aufs Dagegensein, vom Bundeserfassungsgericht das Recht auf „verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition“ genannt.

Unbedingt unterlassen muss man Abirrungen von den Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerade bei den Menschenrechten. Dabei hat man sich sorgsam auch vor Rassismus zu hüten.

  • In seiner engen Fassung als „biologischer Rassismus“ meint dieser Begriff die Ansicht, dass Menschen genetisch so unterschiedlich wären, dass es sinnvoll sei, von unterschiedlichen „Menschenrassen“ zu sprechen. Die erkenne man u.a. an Merkmalen wie der Hautfarbe oder dem Körperbau. Verbunden wird mit so „erkannten Menschenrassen“ nicht selten die Vorstellung, derlei Abstammungsgruppen wären nicht nur unterschiedlich, sondern auch unterschiedlich wertvoll. Auf diese Weise wird bei der Einschätzung von einzelnen Menschen weniger wichtig, wer sie konkret sind und wofür sie tatsächlich stehen, sondern vor allem, welche genetischen bedingten Merkmale sie tragen. Es gibt allerdings keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass genetische Unterschiede irgendwelche Wertunterschiede zwischen menschlichen Abstammungsgruppen bewirkten.
  • In seiner weiten Fassung als „kulturalistischer Rassismus“ meint dieser Begriff die Ansicht, dass Menschengruppen nicht einfach nur kulturell unterschiedlich wären, sondern dass deren jeweilige Kultur ein – der genetischen Ausstattung ähnlich – recht unveränderbares Kollektivmerkmal sei. Verbunden wird mit einer solchen kulturellen Abgrenzung von Menschengruppen ebenfalls oft die Vorstellung, Kulturen seien unterschiedlich wertvoll. Auch wird bei der Einschätzung von einzelnen Menschen weniger wichtig, wer sie konkret sind und wofür sie tatsächlich stehen, sondern vor allem, welche kulturell bedingten Merkmale sie tragen, oder auch: welche Merkmale ihnen bloß zugeschrieben Zwar gibt es vielerlei Indizien dafür, dass nicht jede Kultur gleichen Nachdruck etwa auf Nachhaltigkeit oder auf Innovationskraft legt. Das beschert verschiedenen Kulturen unterschiedliche Entwicklungsverläufe und ungleiche Wettbewerbsmöglichkeiten. Doch es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass – selbst angesichts all dessen – eine Kultur an sich wertvoller oder weniger wertvoll als eine andere Kultur wäre.

Werturteile über Kulturen werden nur anhand eines zum Zweck des Urteilens herangezogenen ethischen Maßstabs möglich. In den heutigen westlichen Kulturen ausdrücklich, in vielen anderen Kulturen wenigstens implizit ist ein wichtiger Bewertungsmaßstab das Ausmaß, in dem Menschenrechte und Menschenwürde gewahrt werden. Anhand dieses Maßstabs zeigt sich beiderlei Rassismus als ethisches Problem und als verwerfliche Haltung vor allem deshalb, weil Rassismus konkrete Einzelmenschen bloß als Erscheinungsformen eines allgemeinen biologischen oder kulturellen „Typs“ behandelt, also nicht mehr in ihrer Individualität annimmt. Damit wird es unmöglich, einem anderen persönliche Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Vielmehr führt Rassismus zu schematischen Abgrenzungen zwischen „Wir“ und „die Anderen“. Wenn obendrein die Grenze zwischen „Wir“ und „die Anderen“ als eine Abstufung zwischen „wertvoller“ und „weniger wertvoll“, oder gar als eine Trennung zwischen „Gut“ und „Böse“ ausgestaltet wird, dann zersprengt man den Rahmen gemeinsamen Menschseins.

Obendrein sind beide Rassismen nicht nur ethisch verwerflich, sondern auch politisch töricht. Zwar kann man nachhaltig bestandsfähige Gesellschaften oder Staaten nicht gegen jene menschliche Natur errichten, die ihrerseits die Grundlage aller Kultur und sozialen Ordnung ist. Doch die Spannweite dessen, was an Kultur, sozialer Ordnung und Staatlichkeit im Rahmen unserer Natur liegt, ist sehr groß. Deshalb ist auch die Spannweite dessen wirklich groß, was sich durch Politik hervorbringen und – wenigstens zeitweise – auf Dauer stellen lässt. Biologische und kulturalistische Rassisten stellen sich diese Spannweite aber viel enger vor und verkennen auf diese Weise politische Gestaltungsmöglichkeiten. Deshalb werden, wenn man Rassisten folgt, weniger Chancen genutzt und weniger Lösungen für auftretende Probleme gefunden, als dies alles dann möglich wäre, wenn man keine rassistische Politik betriebe. Durch Rassismus schadet man also auch sich selbst.

Wer diesen Gedanken folgt, der wird erkennen:

  • Jegliche Abweichung von den Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und jeden Anklang von Rassismus ist zumal beim Auftritt als PEGIDA-Redner zu vermeiden, desgleichen bei Sprechchören, auf Plakaten und in Gestalt mitgeführter Symbole. Ebenso gilt das für Äußerungen auf Facebook oder in anderen Medien. Mit der Einhaltung solcher Regeln hapert es bei PEGIDA immer wieder – am meisten im Internet, doch auch bei etlichen Reden, vereinzelt bei Plakaten und Symbolen.
  • Auch Gewalttätigkeit, gleich ob sprachlich oder körperlich, gleich ob angedroht oder praktiziert, darf weder gebilligt noch geduldet werden. Das gilt für Gewalt gegen Gegner ebenso wie für Gewalt gegen Leute, die anders aussehen oder sprechen als man selbst. Natürlich gilt das auch für Gewalt gegen Geflüchtete und deren Unterkünfte. Und selbstverständlich ist Gewalt gegen Sachen sozusagen die Einstiegsdroge in Gewalt gegen Menschen und deshalb ebenfalls weder zu billigen noch zu dulden.

PEGIDA-Anhänger – und freilich auch deren Gegner – nutzten dem eigenen Anliegen sehr, wenn sie bei sich und anderen alle diese Formen von Fehlverhalten niemals durchgehen ließen – und zwar nicht aus unredlichen, taktischen Gründen, sondern aus echter Überzeugung.

b. Über das Demonstrieren

Demonstrationen sind Teil der Meinungsfreiheit und des politischen Streites. Der darf auch heftig sein. Doch Lebenselixier einer Demokratie sind Demonstrationen vor allem dann, wenn sie auf das eine oder andere der folgenden zwei Ziele ausgehen.

  • Einesteils kann man für – oder gegen – einzelne Maßnahmen politischer Verantwortungsträger Das Geforderte muss man dann aber auch konkret benennen. Das Demonstrationsziel besteht darin, dass Politiker Willensbekundungen und Absichtserklärungen vorbringen, die den eigenen Zielen entsprechen. Solche Aussagen muss man dann auch hören und würdigen wollen. Obendrein muss man hinnehmen, dass viele Maßnahmen Zeit brauchen – sowohl bei der Beschlussfassung als auch bei der Umsetzung. Deshalb gehört zum demokratischen Demonstrieren auch Geduld. Die nimmt einem allerdings nicht das Recht, auf zögerliches Verhalten politischer Entscheidungsträger mit weiteren, zielgerichteten Demonstrationen zu reagieren.
  • Andernteils kann man durch Demonstrationen zeigen, dass einem die ganze Richtung nicht passt, in die ein Staatsschiff von seiner diensthabenden Besatzung gelenkt wird. Dann muss man aber auch in einer für den Adressaten des Demonstrationsgeschehens nachvollziehbaren Weise erläutern, warum die eine Richtung falsch zu sein scheint und man eine andere für besser hielte. Obendrein diente es in solchen Fällen der eigenen Sache, auch selbst Vorschläge für die Umsetzung eines richtigen Kurses zu machen. Das Demonstrationsziel besteht darin, von politischen Führern Aussagen wie „Wir haben verstanden!“ zu erlangen. Für derlei Aussagen sollte man dann aber auch besonders feinhörig sein, weil es politisch Verantwortlichen verständlicherweise schwerfällt, falsche politische Weichenstellungen allzu deutlich zuzugeben – zumal dann, wenn man sie einst guten Willens tätigte. Ebenfalls sollte man auf derlei Aussagen weise reagieren, damit es dem Gegner erspart bleibt, das Gesicht zu verlieren. Muss er nämlich das befürchten, so wird er nicht nachgeben, sondern sich zunächst einmal verhärten, was dem Demonstrationsziel doch entgegenwirkt. Also gehört zu dieser Art von demokratischem Demonstrieren auch Nachsicht. Die muss aber nicht an der Entschlossenheit hindern, hartnäckig auf einen Kurswechsel auszugehen.

In beiderlei Hinsicht hat PEGIDA nicht wirklich gut agiert. Zwar gibt es die „19 Punkte“, die „Sechs Punkte“ und die „Dresdner Thesen“. Doch PEGIDA verfährt mit alledem wie eine Partei mit einem vergessenen Wahlprogramm. Wenn aber einst Aufgeschriebenes nicht immer wieder aufs Neue vorgebracht und durch Beifall unterstrichen wird, verliert es seine Glaubwürdigkeit – und seine Bekanntheit erst recht. Hier folgt PEGIDA also einer falschen Kommunikationsstrategie.

Vielfach wird in jenen Texten freilich auch nichts anderes verlangt als die Durchsetzung bestehenden Rechtes oder die Effektivierung inzwischen unternommener Politik. Mit solchen Demonstrationsforderungen können politische Entscheidungsträger wenig anfangen, und zumal dann nicht, wenn derlei auch noch in der systemkritischen Stimmlage von Fundamentalopposition vorgebracht wird. Dann liegt nämlich die Frage nach den verborgenen „eigentlichen“ Absichten nahe – oder die peinliche nach dem Grad politischer Kompetenz auf Seiten der Demonstranten und ihrer Anführer.

PEGIDA täte sich deshalb einen Gefallen, würden seine Redner einesteils klar würdigen, dass Deutschlands politische Entscheidungsträger ohnehin vielfach genau in die Richtung arbeiten, in welche PEGIDAs Programmtexte weisen. Und falls derlei als unzureichend erscheint, dann sollten PEGIDAs Organisatoren unter Einbeziehung des Sachverstands ihrer Anhänger eben neue Forderungen formulieren, die das Angestrebte präzis sichtbar machen, und zu einem stimmigen Gesamtprogramm verdichten. Nur dann lässt sich ergebnisorientiert demonstrieren und politisch konstruktiv auf Demonstrationen reagieren.

Seit langem aber kreist PEGIDA vor allem um sich und kommt selten über Empörung hinaus, wann immer die Auseinandersetzung mit Politikern oder Andersdenkenden gesucht wird. Keinerlei programmatische Weiterentwicklung zeigt sich. Auch die wöchentlichen Demonstrationsreden lassen keine andere Systematik erkennen als die, dass auf wirkliche, aufgeblasene oder erfundene Probleme mit rechten, rechtspopulistischen, nicht selten auch rechtsradikalen Ressentiments reagiert wird. Im Grunde feiern Pegidianer bei ihren montäglichen Zusammenkünften einfach sich selbst. Also handelt es sich bei den „Abendspaziergängen“ eher um ein sich selbst bestätigendes Gemeinschaftserlebnis als um eine politische Demonstration, mit der man in taktisch kluger Weise konkrete politische Handlungen erwirken könnte.

Gewiss ist es legitim, sich solche Gemeinschaftserlebnisse zu verschaffen. Man versteht auch, welche liebgewordenen Erfahrungen Pegidianern fehlten würden, sollte es ihre „Abendspaziergänge“ irgendwann nicht mehr geben. Ferner kann man einsehen, dass sich bei Veranstaltungen unter freiem Himmel nicht so leicht aussuchen lässt, wer jeweils kommt und sich dann auch bemerkbar macht. Doch unter Rechtsradikalen oder gar Rechtsextremisten zur Teilnahme einzuladen, und sei es auch „nur“ als gleichsam „Gegenblock“ zur fallweise erwarteten „Antifa“, muss nicht nur nicht sein, sondern gehört sich auch nicht – es sei denn, man suchte ausdrücklich ein Gemeinschaftserlebnis unter Einschluss von Rechtsradikalen oder Rechtsextremisten.

Vor allem aber gilt: Je weniger konkrete politische Maßnahmen von konkreten politischen Ansprechpartnern bei solchen Demonstrationen verlangt werden, umso unverhältnismäßiger wird es, mit derartigen Gemeinschaftserlebnissen jene zu behelligen, die an ihnen gerade nicht teilnehmen wollen. Tatsächlich werden PEGIDAs Montagsdemonstrationen allmählich lästig. Deshaln wächst der Wunsch, sie möchten – wenn überhaupt – an Orten stattfinden, wo deren Zurkenntnisnahme niemandem mehr regelrecht aufgezwungen wird. Scharf formuliert: Rein selbstzweckhafte Gemeinschaftserlebnisse laufen hinaus auf die Anwendung „struktureller Gewalt“, sobald sie sie das eben auch bestehende Recht anderer beeinträchtigen, von fremden Festen gerade nicht gestört zu werden.

Nur Demonstrationen, die um konkreter oder allgemeiner politischer Anliegen willen durchgeführt werden, rechtfertigen in einer Demokratie regelmäßige Eingriffe in das öffentliche Leben, ja auch in die Arbeits- und Privatsphären anderer, und begründen entsprechende Duldungspflichten. Demonstrationen dieser Art führt PEGIDA aber nicht durch, solange die „Abendspaziergänge“ von keiner klaren politischen Programmatik motiviert werden. Allein für ein „Weihnachtsliedersingen“ im Massenchor oder für kollektives Empörungsgeschehen muss eine Stadt nicht unentgeltlich schöne Plätze bereitstellen.

PEGIDA möge deshalb endlich (wieder) politisch werden. Zumindest wären klare, systematisch erörterbare Forderungen vorzubringen. Noch besser wäre es, mit Parteien zusammenarbeiten. Vielleicht reicht es sogar zum Mut, sich – durch Teilnahme an den nächsten Parlamentswahlen – auch selbst zu einer Partei zu machen. In allen diesen Fällten könnte man sich gemäß den Regeln ganz normalen politischen Streits mit PEGIDA auseinandersetzen und sehen, in welchem realen Machtverhältnis zu unserem Gemeinwesen steht, was sich nun schon über ein Jahr lang auf Dresdner Plätzen tut.

Andernfalls wird PEGIDA über kurz oder lang hinnehmen müssen, dass man seine Aktionen wie Freiluftkonzerte behandelt und dorthin verlegt, wo musikalisch Andersgesonnene sie nicht hören müssen. Dann kann weiterspaziert werden, solange die Füße tragen. Doch ein Beibehalten des bisherigen unentschiedenen Kurses ist für einen ertragreichen demokratischen Streit zu wenig, für die Wiederherstellung von Frieden in unserer Stadt aber zu viel.

2. Erwägenswertes für politische Verantwortungsträger

Zu einfach haben es sich viele politische Verantwortungsträger bislang mit PEGIDA gemacht. Zwar müssen sie sich durchaus nicht um demonstrierendes Volk kümmern, sondern haben in einer repräsentativen Demokratie – wenngleich nur im Rahmen des Rechts – Handlungsvollmacht für jede Politik, die den nötigen Rückhalt in Parlamenten und Parteien findet. Doch so begründete Politikerarroganz entspräche wohl auch in einem Repräsentativsystem nicht wirklich nicht dem Leitgedanken von Demokratie.

Viel wäre einer Befriedung Dresdens, ja auch unseres Landes geholfen, wenn Politiker endlich genau hinsähen, wen sie bei PEGIDA wirklich vor sich haben, und was die Demonstranten tatsächlich bewegt. Noch mehr wäre geholfen, wenn gerade führende Politiker ihre Einsichten dann auch noch in besser mit den Tatsachen übereinstimmende Bezeichnungen für PEGIDA-Demonstranten umsetzten, als sie monatelang zu hören waren.

Am meisten aber wäre geholfen, wenn Politiker …

  • nicht nur, wie sie es derzeit ganz offensichtlich tun, durch konkretes Handeln zeigten, dass die bei PEGIDA-Demonstrationen seit über einem Jahr bekundeten Sorgen nicht einfach aus der Luft gegriffen waren,
  • sondern wenn sie diesen offenkundigen Sachverhalt auch vernehmbar aussprächen, was bislang unterblieb.

Wenig vergiftete nämlich das Verhältnis zwischen Pegidianern und politischer Klasse mehr als Politikerbehauptungen des Inhalts, irgendwelche nennenswerten Probleme mit der Einwanderung nach Deutschland, mit der Integration von Zugewanderten oder mit dem Heimischwerden einer Europa und Deutschland bislang gerade nicht prägenden – und deshalb auch nicht rundum auf unsere Verfassungsordnung angepassten – Religion gäbe es gar nicht. Solche Aussagen ließen nämlich die PEGIDA-Demonstranten wie Dummköpfe mit gestörtem Seelenzustand und unerträglichem Sozialverhalten aussehen. So wurden – und werden – sie bis heute auch gerne massenmedial dargestellt. Dabei hatten viele unter ihnen nur früher als andere öffentlich thematisiert, was inzwischen ein Hauptthema deutscher und europäischer Innenpolitik geworden ist.

Im Übrigen sollten unsere politischen Verantwortungsträger drei immer wieder ins Spiel gebrachte Argumente näher bedenken und aus den gewonnenen Einsichten triftigere Schlüsse als bislang ziehen..

  • Erstens wird oft so getan, als stünden Politiker vor der Alternative, entweder „PEGIDA-Parolen nachzubeten“ bzw. „PEGIDA-Forderungen zu erfüllen“ – oder sich von PEGIDA abzusetzen durch Distanzhalten und Beschweigen. Doch eine solche Alternative besteht gar nicht. Reale Probleme gibt es – oder gibt es nicht – ganz unabhängig davon, ob auch PEGIDA sie thematisiert; also werden sich Politiker einigen Formats an die Bearbeitung dringlicher Problemen auch ganz unabhängig davon machen, wer sonst noch von solchen Problemen spricht. Und Lösungen für reale Probleme werden funktionieren – oder auch nicht funktionieren – ganz unabhängig davon, wer sonst noch solche Lösungen vorschlägt oder ihren Anwendungsversuchen applaudiert. Also werden sich Politiker einigen Formats an die Erörterung von Problemlösungsvorschlägen ganz unabhängig davon machen, ob auch PEGIDA einen in Erwägung gezogenen Vorschlag unterbreitet hat oder nicht. Die maßgeblichen Schwierigkeiten bereitet also weniger PEGIDA als vielmehr das Format unserer jeweils verantwortlichen Politiker.
  • Zweitens wird immer wieder erklärt, mit den PEGIDA-Organisatoren könne man politisch nicht zusammenarbeiten; also lasse sich als Politiker mit PEGIDA auch gar nicht normal umgehen. Doch auch das ist eine rein erfundene Alternative. Denn was Pegidianer und deren Sympathisanten bewegt, sind praktische Herausforderungen für die Problemlösungsfähigkeit unseres Staates sowie Zweifel daran, ob manche Grundausrichtung der deutschen Politik wirklich stimmt. Alle PEGIDA-Aussagen darüber lassen sich aber zur Kenntnis nehmen, ohne dass man auch nur mit einem einzigen PEGIDA-Organisator sprechen müsste; und über das alles kann man in den einander wechselseitig akzeptierenden Kreisen offen und öffentlich diskutieren, ohne dass auch nur ein einziger Pegidianer mit am Tisch sitzen müsste. Entscheidend ist nur, dass über alle jene Themen mit Redlichkeit und Ernst debattiert wird – und dass die Öffentlichkeit, darunter eben auch die Anhänger und Sympathisanten von PEGIDA, das auch mitbekommen. Im Übrigen ist PEGIDA doch keine Partei oder Organisation mit einer zu Verhandlungen legitimierten Führungsspitze. PEGIDA ist nichts weiter als ein periodisches Demonstrationsgeschehen mit weitem Echo, das freilich zu einem großen Zusammengehörigkeitsgefühl der Demonstranten und zu erheblicher Dankbarkeit gegenüber jenen geführt hat, die ihnen allwöchentlich in verlässlicher Weise die Rahmenbedingungen für ihr Gemeinschaftserlebnis schaffen. Das verleiht den PEGIDA-Organisatoren aber keinerlei politisches Mandat. Also gibt es ohnehin keinen sinnvollen Verhandlungsgegenstand und somit auch nicht die mindeste Notwendigkeit, mit PEGIDA-Organisatoren „zu verhandeln“ – bzw. immer wieder zu erklären, derlei komme auch gar nicht in Frage. Im Grunde wird hier nur ein Pseudo-Problem zur Rechtfertigung für politische Fahrlässigkeit aufgebauscht.
  • Drittens wird Mal um Mal ins Feld geführt, PEGIDA selbst habe sich doch mit Parolen wie „Volksverräter“ oder „Merkel muss weg“ gegen die politische Klasse gestellt, entwickle keine inhaltlichen Positionen und könne deshalb auch rein sachlich „kein Gesprächspartner“ sein. Doch es geht ja gar nicht um ein Gespräch mit PEGIDA, sondern einfach um eine öffentliche, auf effektive Lösungen ausgehende Diskussion über politische Probleme, wie sie – markant bei der Einwanderungs- und Integrationspolitik, doch auch auf anderen Politikfeldern wie der Russland- und Nahost-Politik – PEGIDA nur thematisiert, doch nicht verursacht hat. Gerade in solchen Diskussionen könnte unsere politische Klasse gut zeigen, dass – und wie bzw. wo – sie im Interesse von Deutschlands Bevölkerung und Staatsordnung agiert. Nur müsste sie sich dann auch mit Fragen danach auseinandersetzen, wie weit und mit welchen Fehlern sie das wirklich tut. Das aber sind gerade in unübersichtlichen Zeiten höchst legitime Fragen. Deshalb gehört es sich in einer Demokratie nicht, Debatten über mögliche Antworten zu verhindern. Das ist nur für Obrigkeitsstaaten typisch. Doch solcher sind wir nicht – und wollen wir auch nicht wieder werden.

 3. Erwägenswertes für Journalisten

Natürlich verletzt ein Vorwurf wie „Lügenpresse“. Tätlichkeiten gegenüber Journalisten verletzen obendrein nicht nur deren Berufsehre, sondern auch diese selbst – zumindest in jener Unbefangenheit, die zu gutem Journalismus gehört. Dass dies alles auch seinerseits den Journalistenblick auf PEGIDA mitgeprägt hat, versteht sich von selbst. Insgesamt ist es so, dass die Beziehungen zwischen PEGIDA und Journalisten nie auf Wege gefunden haben, an deren Ende für unsere Demokratie wirklich Nützliches stünde.

Hat es aber nicht auch etwas Bockiges an sich, wenn aus der von PEGIDA anfangs – und weitgehend bis heute – praktizierten Gesprächsverweigerung eine Art „bestrafende Berichterstattung“ erwächst? Wäre nicht ferner zu bedenken, dass zumal einige TV-Journalisten – ihres viel längeren Hebels bewusst – mit Pegidianern mitunter karnevalistisch oder bloßstellend verfahren sind, so dass seitens von PEGIDA halbgare Einschätzungen von Journalisten und halbstarke Trotzreaktionen plausibel zu erklären, wenngleich nicht zu billigen sind?

Wäre nicht ebenso in ergebnisoffener Weise die Frage bedenkenswert, warum so viele PEGIDA-Demonstranten sich und ihre montäglichen Erlebnisse in vielen Medien recht unvollkommen oder gar unvollständig beschrieben finden? Und auch, warum wohl so viele – auch professionelle – Beobachter recht erstaunt sind, wenn sie das medial gezeichnete PEGIDA-Bild mit dem vergleichen, was sie im Zug eigener Reporterpflichten, wissenschaftlicher Feldstudien oder neugierigen Demonstrationsbetrachtens dann in Dresden selbst erleben?

Oder gar: Wem wäre eigentlich geschadet, wenn die durch solche Fragen – vermutlich lange schon – angestoßenen Prozesse journalistischer Selbstreflexion der Öffentlichkeit auch nachvollziehbar bekanntgemacht würden? Und wem wäre vielleicht gar genutzt, wenn die Berichterstattung über PEGIDA nicht nur faktisch differenzierter geworden wäre (was durchaus so ist), sondern auch jene Gründe zum Gegenstand öffentlichen Erörterung unter Journalisten würden, warum die Berichterstattung früher mitunter durchaus nicht das heutige Differenzierungsniveau erreichte? Wäre es also nicht eine gute Idee, gerade die mit Recht auf Transparenz so viel Wert legenden Medien hinsichtlich ihrer Rolle beim politischen Umgang mit PEGIDA auch selbst transparent werden zu lassen?

4. Erwägenswertes für PEGIDA-Gegner

In einer pluralistischen Demokratie wie der unseren hat jeder das Recht, gegen die Ansichten, Interessen und Positionen eines anderen zu sein. Das gilt selbstverständlich auch für Ansichten, Interessen und Positionen, die völlig innerhalb der Spannweite einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung liegen. Es braucht Gegnerschaft also keinerlei Rechtfertigung dergestalt, man wehre sich gegen etwas Böses oder gegen schlechte Menschen. Auch wer PEGIDA-Demonstranten für ganz normale Mitbürger hält, kann doch gute Gründe besitzen, ihr politischer Gegner zu sein.

Deshalb wäre es für PEGIDA-Gegner wert zu erwägen, ob sie es denn wirklich nötig haben, PEGIDA-Demonstranten schematisch – oder allesamt – als Rassisten, Nazis oder dergleichen wahrzunehmen. Vielleicht wäre es sogar für gerade sie eine gute Idee, sehr genau hinzusehen, wen sie bei PEGIDA wirklich vor sich haben, und was die Demonstranten tatsächlich bewegt. Dann nämlich sänke das Risiko, dass man auf PEGIDA in einer Weise reagiert, die den Gegner eher stärkt als schwächt. Und sehr wohl mag es sein, dass mancherlei Gegendemonstrationen den Zusammenhalt und das Selbstbewusstsein von Pegidianern durchaus gestärkt haben.

Es lohnte ferner, sich vor und während einer Demonstration klarzumachen, ob man ein Zeichen für unsere freiheitliche demokratische Grundordnung oder gegen PEGIDA setzen will. Beides mag zwar ineinander übergehen oder miteinander verwoben sein. Doch auf das völlig gleiche liefe beiderlei nur dann hinaus, wenn Pegidianer allesamt Feinde der freiheitlichen demokratischen Grundordnung wären. Das aber wäre erst einmal über begründete Zweifel hinaus festzustellen, wofür genaues Hinsehen nötig ist und der Glaube an ein „Wesen“ von PEGIDA durchaus nicht ausreicht.

Ob man für unsere freiheitliche demokratische Grundordnung oder gegen PEGIDA demonstriert, hat nämlich seinerseits wichtige Folgen, über die nachzudenken lohnt:

  • Wer für unsere freiheitliche Demokratie auf die Straße gehen will, der handelt unstimmig, wenn er beim Demonstrieren seinerseits die Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung missachtet. Das kann damit beginnen, dass man Pegidianern das – selbstverständlich auch ihnen zustehende – Recht aufs Dagegensein bestreitet, und kann darin enden, dass man abgelehnte Andersdenkende nicht mehr so behandelt, wie es dem Art. 1 des Grundgesetzes entspräche. Letzteres reicht vom Beleidigen über Gewaltanwendung bis hin zur auf die ganze Gruppe der Pegidianer – und nicht nur auf Einzelne – bezogenen Feindlichkeit.

Stimmig wäre es hingegen, bei Kundgebungen in Unterstützung unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung deren Grundsätze nachgerade demonstrativ zu beachten. Das verlangte danach, strikt zwischen einer abgelehnten Position und jenem Menschen zu unterscheiden, der sie vertritt, und legte – wann immer möglich – den Versuch nahe, mit dem Gegner ins Gespräch zu kommen. Dann ließe sich auch das Trennende vom womöglich Verbindenden unterscheiden und sodann darauf ausgehen, den Gegner von Ansichten abzubringen, die man selbst für falsch hält. Allein auf diese Weise achtete man jene Freiheit des Andersdenkenden, die zu schützen eine freiheitliche Demokratie von einer Diktatur der Wohl- und Richtigmeinenden unterscheidet.

  • Wer hingegen weniger für unsere freiheitliche demokratische Grundordnung, sondern in erster Line gegen PEGIDA demonstrieren will, der sollte sich darüber klarwerden, ob er die Positionen seiner Gegner nicht ertragen will – oder ob er überhaupt deren Präsenz in der Öffentlichkeit unterbinden möchte.
    • Wer die Positionen seiner Gegner nicht ertragen will, der tut gut daran, Demonstrationen in deren Sicht- und Hörweite durchzuführen. Selbst wenn er dadurch die Bekundung gegnerischer Ansichten nicht zu verhindern vermag, kann er doch wirkungsvoll zum Ausdruck bringen, wie sehr er sie für falsch hält. Das ist in einer freiheitlichen Demokratie auch ganz in Ordnung – und zwar vor allem dann, wenn der Gegner selbst sich jenem Diskurs verweigert, den zu führen doch den großen Mehrwert pluralistischer Demokratie darstellt.
    • Wer hingegen die Präsenz seiner Gegner nicht ertragen will, der muss sich entscheiden: Will er sich einfach von ihnen fernhalten – oder möchte er versuchen, die Gegner zu vertreiben.

Falls die Gegner Feinde der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, also Extremisten sind, dann ist es durchaus nicht richtig, sich einfach von ihnen fernzuhalten, ihnen also freien Raum zu geben. Gegen sie ist vielmehr Widerstand zu leisten. Doch ob jemand ein niederzukämpfender Extremist – oder nur ein politischer Gegner – ist, muss erst einmal über plausible Zweifel hinaus erwiesen sein. Und ganz zweifellos setzte es einen selbst ins Unrecht, einfach aufs Geratewohl einen Andersdenkenden als Feind einer freiheitlichen Demokratie zu behandeln – gerade so, als ob das Recht aufs Anders- und Dagegensein nicht seinerseits eine wichtige freiheitliche Errungenschaft wäre..

Wenn aber ein Gegner nichts weiter als politische Gegner ist, dann muss man gemäß den Prinzipien freiheitlicher demokratischer Grundordnung dessen Präsenz ganz einfach ertragen. Natürlich kann man dessen die Positionen bekämpfen, und zwar bis hin Demonstrieren in Hör- und Sichtweite. Doch die meisten werden wohl nachvollziehen können, warum es zu weit ginge, wollte man dem Gegner überhaupt sein Demonstrationsrecht oder gar sein Recht aufs Dasein beschneiden.

Jede Blockade einer Demonstration ist deshalb zu unterlassen, und erst recht das Verhindern einer Demonstration. Dazu hat nur die Polizei das Recht, und zwar auch nur auf einer gesetzlichen Grundlage, die allgemeine Regeln setzt, nicht aber nach politischer Willkür im Einzelfall begünstigt oder benachteiligt.

Das gilt auch für zwei mittlerweile beliebt werdende indirekte Spielarten des Verhinderns gegnerischer Demonstrationen. Die eine besteht darin, für mögliche Versammlungsplätze des Gegners rechtzeitig eigene Demonstrationen anzumelden. Ob und wie teilnehmerstark diese wirklich stattfinden, ist dann viel weniger wichtig als der Effekt, dass man dem Gegner attraktive Orte seiner Selbstdarstellung vorab weggenommen hat. Die andere Spielart des Verhinderns von gegnerischen Demonstrationen läuft darauf hinaus, durch exemplarische Gewaltanwendung die Kosten und Risiken für demonstrationsbegleitende Polizeieinsätze so weit in die Höhe zu treiben, dass – unweigerlich aufgezwungene Straßenschlachten antizipierend – sich der Staat irgendwann außer Stande sieht, das für eine Demokratie unverzichtbare Recht auf Demonstrationsfreiheit zu sichern.

Gelingt letzteres durch vorauseilande Demonstrationsverbote, so hat das Faustrecht durch Vorauswirkung gesiegt. Wird eine Demonstration unterbunden oder vorzeitig abgebrochen, weil es Gegendemonstranten gelungen ist, sich gegenüber Demonstrationswilligen durch Drohung oder Anwendung von Gewalt durchzusetzen, so hat das Faustrecht unmittelbar gesiegt. Siegt derlei Faustrecht allzu oft, so wird der politische Streit seine zivilisierende Einhegung durch für alle geltende Regeln verlieren. Alsbald können Situationen eines Bürgerkrieges zurückzukehren – und später gar Wünsche nach einer Diktatur, die nicht nur andere Meinungen, sondern schon die möglicherweise Andersdenkenden nicht mehr duldet.

Wer alle diese Argumente sorgsam bedacht hat, der möge versuchen, zu einem rationalen – nicht nur gefühlsmäßigen – Urteil über folgenden Aufruf zu gelangen, den ein „Abrisskommando Dresden“ unlängst unter dem folgenden Link veröffentlicht hat: https://linksunten.indymedia.org/de/node/162354

 

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#DD2112: Do it like Leipzig!

Verfasst von: abrisskommando Dresden. Verfasst am: 16.12.2015 – 00:57. Datum: Montag, 21. Dezember 2015 – 0:00. Kommentare: 8

Erst Leipzig, jetzt Dresden! Der Plan von Pegida in der Neustadt aufzumarschieren ist eine reine Provokation, die wir nicht unbeantwortet lassen werden. Nachdem sich in den letzten Wochen der Ton bei PEGIDA weiterhin verschärft hat und die permanenten Übergriffe auf Flüchtlinge, deren Unterkünfte und deren SupporterInnen nicht abreißen, ist es an der Zeit sie in die Schranken zuweisen.

Neustadt verteidigen! Nazis klatschen!

Die HoGeSa-Sympatisantin Festerling sucht die Eskalation, indem sie Nazischläger in unser Viertel holt. Die soll sie haben! Der aktuell wahrscheinlichste Anlaufpunkt Pegidas ist der Schlesische Platz, direkt vorm Bahnhof Neustadt. Viele Pegidas werden mit dem Auto anreisen, für den Heimweg sollten sie sich Alternativen überlegen!

Randalemeister 2015 Leipzig? die Messen sind noch nicht gelesen!

Die Bullen die seit Monaten den rassistischen Übergriffen tatenlos zusehen, werden zwar versuchen die Demonstration zwischenfallslos durchzukriegen, das wird ihnen allerdings nicht gelingen.

Wir glauben kaum dass die Handlager von Nazis und Kapital, das letzte Wochenende in Leipzig schon vergessen haben. Wir rufen alle solidarischen GenossInnen dazu auf uns hier im Herzen der Bestie zu unterstützen und All denen zu zeigen die nicht mit uns sind, was wir von dem Schweinesystem, der rassistischen EU-Politik und von Scheiß-Nazis im Mantel von besorgten BürgerInnen halten. An alle solidarischen AnwohnerInnen, ihr könnt uns helfen, indem ihr euch selbst auf die Straßen begebt, den Sperrmüll schon etwas verfrüht rausbringt oder einfach nur kreativ seid.

Aus der roten Glut wird ein Feuer entstehen!

Lasst den Pegidas die Weihnachtslieder im Halse stecken bleiben!

Autonomes Abrisskommando Dresden

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5. Erwägenswertes für die beobachtende Bürgerschaft

Es lohnt, anhand der folgenden Liste die eigene Haltung zu PEGIDA zu verorten und sich über die Gründe klarzuwerden, warum man zu welcher Gruppe gehört:

  • Bislang haben sich zu PEGIDA viele Dresdner wie Zuschauer eines Sportwettbewerbs verhalten. Der interessiert viele ohnehin nicht; also ärgert man sich zwar über mit ihm zusammenhängende Belästigungen, lässt aber ganz auf sich beruhen, worum es geht.
  • Andere sympathisieren mit der einen oder anderen Seite im Streit um PEGIDA, halten mit ihren Gefühlen aber hinter dem Berg – teils um sich nicht zu exponieren oder zu isolieren, und teils, um der Mühe einer echten Meinungsbildung oder gar Positionsbegründung zu entgehen. Im ersten zeigen sich objektive Schwachpunkte unserer doch auf Pluralismus setzenden Demokratie; im letzteren Fall erweisen sich Bürger selbst als Schwachpunkt unserer Demokratie.
  • Wieder andere haben einen klaren Standpunkt bezogen, nämlich in den Reihen eines der beiden einander bekämpfenden Lager. Oft haben sie genug damit zu tun, ihren Kampf- oder Durchhaltewillen aufrechtzuerhalten. Abseitsstehende betrachten sie gern als Gegner, Feiglinge oder Verräter. Schon gar nicht mögen sie es, wenn jemand zwar eine klare Position bezieht – doch dies oberhalb oder außerhalb der Streitparteien unternimmt, gleich ob als Analytiker oder als Vermittler.
  • Letztere sind die vierte Gruppe. Sie scheint recht klein zu sein. Wissenschaftler und Journalisten sollten eigentlich zur Untergruppe der Analytiker. Pfarrer und die Inhaber kommunaler oder staatlicher Exekutivämter müssten sich hingegen als Vermittler verstehen.

Wer zur vierten Gruppe gehört, sollte sich in seinem Kurs nicht irremachen lassen – selbst wenn man ihn bedrängt, sich der einen oder anderen Einheitsfront einzureihen. Denn ohne Analytiker versteht man nicht, was warum in welcher Weise der Fall ist, gründet also Therapieversuche leicht auf falsche Diagnosen. Ohne Vermittler aber nimmt die Spaltung und Spannung unserer Stadt, ja unseres Landes wohl kein Ende. Und wer immer ihnen helfen kann, sollte Vermittlern bei ihrer Arbeit beistehen.

Wer zur dritten Gruppe gehört, sollte gründlich bedenken, was oben sowohl den Pegidianern als auch deren Gegnern zu bedenken gegeben wurde. Zieht jeder daraus solche Konsequenzen, die ihn im Rahmen und gemäß der Leitideen unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung agieren lassen, so wird sich der Glaubenskrieg um PEGIDA in einen normalen, wenn auch heftigen politischen Streit umwandeln und gemäß den bewährten Grundsätzen unserer politischen Ordnung austragen lassen. Dafür wird es allmählich Zeit.

Wer zur zweiten Gruppe gehört, möge doch von bloßer Sympathie für die ihm nahestehende Seite im PEGIDA-Streit zur ernsthaft betriebenen Meinungsbildung übergehen. Dabei sollte er durchaus – wenngleich umsichtig – das Gespräch mit Andersdenkenden suchen. Vielleicht kann er dann erleben, dass es durchaus bereichern, ja mit dem Gesprächspartner auch verbinden kann, wenn es gelingt, über legitimerweise Umstrittenes fair zu streiten. Solche Erfahrungen sind freilich eher seltene Glücksfälle, für die bereit zu sein aber lohnt. Vermeiden sollte man es allerdings, sich am Arbeitsplatz, im Bekannten- oder Freundeskreis oder in seiner Familie dann politisch zu exponieren, wenn derlei nicht auf fester Vertrauensbasis und ohne Isolationsfurcht geschehen kann. Denn in politischen Normalzeiten, wie wir sie in Dresden trotz allem haben, lohnt es sich durchaus nicht, über politischem Streit seinen Arbeitsplatz zu gefährden, Freundschaften zu riskieren oder eine Familie zu spalten. Nur selten sind nämlich politische Angelegenheiten die wirklich wichtigsten Angelegenheiten, um die man sich zu kümmern hat.

Und wer zur ersten Gruppe gehört, der sollte darüber nachdenken, ob seine Haltung einer freiheitlichen Demokratie wirklich angemessen ist. Sich so gar nicht mit dem öffentlichen Leben in solchen Zeiten zu befassen, in denen es ernsthafte Probleme und leicht fühlbare Konflikte gibt, steht nämlich nur in einer Diktatur einem Untertanen gut an, nicht aber in einer Demokratie einem freien Bürger. Man muss sich ja nicht aufs Geratewohl auf eine Meinung festlegen. Doch die Voraussetzungen sollte man schon schaffen für eine spätere Meinungsbildung zu jener vielleicht heraufziehenden Zeit, da es auf ein begründetes Urteil von jedem ankommen mag.

 

III. Wie weiter?

Es ist sehr zu beklagen, dass bislang alle Versuche gescheitert sind, durch Sachaufklärung im Streit um PEGIDA der Vernunft eine Schneise zu schlagen, oder einen auf wechselseitiges Verständnis und auf plausible Problemlösungen ausgehenden Diskurs zwischen den streitenden Lagern zu organisieren. Es ist müßig, die Gründe für dieses Ärgernis politischer Kultur und für diesen Misserfolg von Politik und Medien zu erörtern. Zwei Faustregeln könnten aber vielleicht helfen, sich in der Praxis eben doch nicht zu vertun: „Wer schreit, hat Unrecht!“, und „Wer Kommunikation verweigert, ist mehr im Unrecht als der, welcher sie sucht!“

Zu loben sind jedenfalls alle, die vom letzten Dezember bis heute zwischen Pegidianern und ihren Gegnern Kommunikation zu ermöglichen versuchten. Leider wird man die von ihnen geschaffenen, doch oft ausgelassenen oder vergebenen Chancen wohl erst dann zu würdigen wissen, wenn sich eine Schneise der Gewalt auch durch Dresden gezogen hat. Dann werden viel mehr Leute als heute darüber erschrocken sein, wie leichtfertig, fahrlässig, übelwollend und auch arrogant in dieser Stadt und in unserem Land mit vielen Zusammenhängen umgegangen wurde, von denen PEGIDA teils ein nur Symptom, teils – mitsamt seiner Gegnerschaft – aber auch ein Entwicklungsbeschleuniger ist. Dann lernt man auf die harte Tour, was gutes Zureden nicht beibringen konnte.

Wollen wir uns aber wirklich am Ende eingestehen müssen, wir hätten zwar viel Gutes gewollt, doch politisch zu wenig gekonnt? Noch ist Zeit, auf falschen Wegen umzukehren – und vielleicht ja schon am kommenden Montagabend.

 

 

Bildquelle: http://www.realvadis.de/images/Schlussstein_Frieden.jpg

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