Wie das Elend von CDU und CSU begann

Wie das Elend von CDU und CSU begann

Vor gut neun Jahren, nach dem Einsetzen unserer heutigen, politisch verursachten Zuwanderungsprobleme sowie kurz vor den – ehedem populäre Denkweisen in Frage stellenden – Silvesterereignissen auf der Kölner Domplatte, beschrieb ich in einem Leitartikel auf S. 1 der „Jungen Freiheit“ das aufziehende Elend der CDU. Dieser Artikel merkte auch schon an, dass der Union eine einwanderungspolitische Politikwende wohl nur in einer „ungeliebten Koalition mit der AfD“ möglich wäre – gefolgt vom Nachsatz: „Das wäre freilich die faire Strafe für Fahrlässigkeit am rechten Rand“. 

Ältere Texte eines Autors mit seitherigen Entwicklungen zu vergleichen, stiftet – oder untergräbt – Vertrauen in dessen Analysekraft und in den Wert seiner Ratschläge. Möge sich mit Blick auf die anstehende Bundestagswahl nun jeder selbst ein Bild davon machen, welcher politische Kurs viele heutige Übel am Großwerden hätte hindern können …

Nachstehend folgt der unveränderte Text meines o.a. Artikels, erschienen – unter einer nicht von mir stammenden Überschrift – als „Die böse Stiefmutter. Angela Merkel war der Erfolgsgarant der CDU. Vor dem Parteitag steht sie nicht mehr so unangefochten da“, in: Junge Freiheit 51/15, 11. Dezember 2015, S. 1. Zugänglich ist – samt vielen Kommentaren – der Originalartikel weiterhin unter https://jungefreiheit.de/debatte/kommentar/2015/die-boese-stiefmutter/.

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Jahrzehntelang hatte Deutschland Glück mit der CDU – und die mit manchen Vorsitzenden. Doch jetzt steht vieles auf der Kippe: das Vertrauen in die Kanzlerin, die Rolle von CDU und CSU als einzig wählbaren Parteien rechts der Mitte, der Wohlstand Deutschlands. Vier Ursachen haben dazu beigetragen.

Da ist die „Sozialdemokratisierung“ der CDU. Sie hat die Partei von links her kaum mehr angreifbar gemacht. Das zahlt sich bei Umfragen und Talkshows aus. Doch viele nicht-linke, nicht-mittige, rechte Deutsche fühlen sich von der CDU nicht mehr richtig vertreten. Wer wirklich rechts ist, wird in und von der CDU sogar zurechtgewiesen und ausgegrenzt.

„Auf Sicht fahren“ als Merkmal

Viele zieht es deshalb zur Alternative für Deutschland. Wie die zu mittig gewordene Helmut-Schmidt-SPD einst den Grünen Platz machte, so hält das die Merkel-CDU jetzt mit der AfD. Und hofft, daß deren Mobilisierungsthemen – Eurokrise, Zuwanderung, Integration – kein ebenso langes Leben haben wie einst der grüne Kampf gegen Atomkraftwerke. Sonst droht das sozialdemokratische Schrumpfungsschicksal auch der CDU.

Da ist der Führungsstil der Kanzlerin. Gestern ein wenig liberal, heute ein wenig sozial, morgen ein wenig konservativ: So schaffte sie es, für alle ein wenig attraktiv, für niemanden eine Schreckfigur zu sein. „Auf Sicht fahren“ wurde zur vertrauensweckenden Version von „Ich setze auf Versuch und Irrtum“. Und etwas vom Ende her anzugehen, klang nie nach dem Aufbruch ins Unbekannte und Gewagte.

Allparteienkoalition gegen das Volk

Eben den aber zwang die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin dem Lande auf. Seither regiert sie in Einwanderungsfragen mit einer Art Allparteienkoalition gegen einen Großteil der Bevölkerung. Und muß sich fragen lassen, ob sie wirklich den Nutzen des deutschen Volkes mehre – oder wenigstens Schaden von ihm wende.

Da sind auch die echten Herausforderungen unseres Landes: Unterjüngung als Risiko für die Sozialsysteme, Bürgschaften in der Eurozone als Risiko für den Fiskus, Kriegseinsätze der Bundeswehr als Risiko für Leib und Leben nicht nur der Soldaten, Einwanderung als Risiko für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, deutsches Führungsverhalten als Risiko der EU.

Die hatte schon mit Deutschland als Zwingmacht der Eurozone ihre Probleme – und wird von unserem moralberauschten Verhalten als Hippie-Staat erst recht genervt. Doch auf viele Fragen, wie diese Herausforderungen zu bestehen wären, geben CDU und SPD sehr verschiedene Antworten. Oder nur ganz kurzschrittige, weil man doch gemeinsam weiterregieren muß. Welch eine Pointe der Staatskunst!

Alternativlose Kanzlerin

Da ist obendrein die Alternativlosigkeit der Kanzlerin. Zwar nicht mehr unangefochten an der Spitze der Beliebtheitsskala, gibt es doch keinen allgemein überzeugenden Grund, sie zu stürzen. Geschick zur Wende hat sie ja, weshalb in Einwanderungsfragen so mancher auf eine Art Fukushima-Erlebnis hofft. Auch liegt die CDU in den Umfragen weit vor der SPD. Warum ein Pferd ausspannen, das den Wagen weiterhin so gut zieht? Und wer würde mit wem als ihrem Nachfolger auch koalieren wollen – gerade im Fall eines während der Wahlperiode erzwungenen Rücktritts?

Das sind taktisch schlechte Zeiten für Verschwörer. Und strategisch hat die Kanzlerin ihre Möglichkeiten ohnehin noch nicht ausgereizt. Ließe sich nicht irgendein Streit mit der SPD so weit zuspitzen, daß diese kuschen oder die Koalition aufkündigen müßte? So daß nach der fälligen Vertrauensfrage samt Ansetzung vorzeitiger Neuwahlen die CDU-Vorsitzende ankündigen könnte: Ohne eigene Illoyalität von einer die nötigen Entscheidungen verhindernden SPD befreit, verspreche sie nun eine tiefgreifende Korrektur unserer Einwanderungs- und Integrationspolitik – und zwar nicht leichtfertig; denn niemand könne ihr doch vorwerfen, nicht zunächst einmal alles versucht zu haben, was Linke, Sozialdemokraten und Grüne für richtig hielten.

Vernünftig agierendes Einwanderungsland

Der Wahlkampf brächte die Unionsparteien wieder Seit’ an Seit’, und Merkels Schicksal polarisierte das Land wie 1972 das Schicksal Willy Brandts und 1983 das von Helmut Kohl. Es käme zu einer Art Volksabstimmung über den Wandel unseres Landes zu einem vernünftig agierenden Einwanderungsland, und der Kanzlerin wäre eine Verlängerung ihrer Amtszeit ziemlich sicher – wenn wohl auch in einer ungeliebten Koalition mit der AfD. Das wäre freilich die faire Strafe für Fahrlässigkeit am rechten Rand.

Die Konkurrenz links der Mitte würde schäumen, müßte sich angesichts einer realistischen Einwanderungs- und Integrationspolitik, mit der unser Land die ihm gestellten Herausforderungen tatsächlich schaffte, aber gleichsam auf die Reise nach Godesberg machen. Nichts ist nämlich unwiderstehlicher als politischer Erfolg.

Wandel Deutschlands vorantreiben

Am Ende hätte die Kanzlerin die Dinge doch nicht treiben lassen, sondern vom guten Ende her gestaltet. Noch wissen wir nicht, ob sie zu einem solchen Manöver die Chuzpe, für dessen Durchführung den Mut aufbrächte. Wir wissen nicht einmal, ob ihr stark aufgezehrter innerparteilicher Vertrauensvorschuß für solche Schachzüge noch ausreichte.

Doch wenn Angela Merkel nicht – Karl IV. ähnlich – als Erzmutter Europas, doch Stiefmutter ihrer Partei erinnert werden will, dann wird es Zeit, sich von der CDU nicht nur tragen zu lassen, sondern diese Partei im Kampf um eine gute Sache wieder zu einen: dem Wandel Deutschlands zu einer fest zusammenhaltenden Einwanderungsgesellschaft.

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