Zum Rückzug von AKK
Das Erfurter Drama hat sein erstes Opfer aus der obersten politischen Liga gefordert. Es ist die CDU-Bundesvorsitzende Kramp-Karrenbauer. Bleibt man an der Oberfläche, so ist klar: AKK scheiterte an ihrem mangelnden politischen Gewicht beim Streit mit der Thüringer CDU um deren landes- und bündnispolitischen Kurs. Geht man analytisch in die Tiefe, so erkennt man überdies: AKK ist daran gescheitert, den notwendigen richtungspolitischen Streit in der CDU einer Entscheidung näherzubringen.
Die einen in der CDU sind nämlich der Ansicht, der Kurs der langjährigen Vorsitzenden und Kanzlerin Merkel sei ein Erfolgskurs oder immerhin alternativlos: Gleichsetzen von Euro-Interessen mit deutschen Interessen, Energiewende, Hinnahme selbstermächtigter Einwanderung, Trennstrich zu allen Nicht-Linken und Nicht-Mittigen. Andere in der CDU meinen, dass eben diese Politik die Entstehung und Machtverfestigung der AfD ermöglicht habe. Also muss sich die CDU entscheiden, den Merkel-Kurs entweder fortzusetzen oder zu verändern. Sich nicht ausdrücklich zu entscheiden, heißt nur: die Dinge treiben zu lassen. Das aber ist die schlechteste Amtsführung, die sich vorstellen lässt.
Natürlich haben Volksparteien die „Beweglichkeit eines Tankers“, weshalb Kurskorrekturen konzeptionell und kommunikativ vorbereitet werden müssen – und anschließend mit taktischer Beweglichkeit um eine klare strategische Linie herum zu vollziehen sind. Hoffnungen darauf hat AKK zwar mit ihrer „Migrationskonferenz“ einst erweckt, doch dann nicht erfüllt. Erst ist sie im Schatten Merkels verkümmert, dann hat sie sich auf ein Himmelfahrtskommando im Verteidigungsministerium eingelassen, und am Ende ist sie an den sackgassenartigen Folgen der Absicht gescheitert, gerade als schrumpfende Partei nur noch mit Grünen, SPD und FDP zusammenwirken zu wollen, niemals aber mit der Linken oder mit der AfD – und obendrein auch nicht auf solche Minderheitsregierungen der CDU auszugehen, in denen die Union ihre eigenen Positionen zumindest hätte klar markieren können. Auf diese Weise entzog AKK ihrer Partei jede eigenständige Machtperspektive.
Derweil verliert die CDU immer größere Stimmenanteile an die AfD. Auch deshalb kann sich die CDU nicht viel länger um die Entscheidung drücken, ob sie die Wiedergewinnung eigener Stärke, wie bisher, durch Abwehrbündnisse gegen die AfD versuchen will – oder umgekehrt durch Rückeroberung jener politischen Räume, in denen jetzt die AfD zu Lasten der CDU dominiert.
AKK ist also nicht einfach nur ein Opfer eigener Überforderung im Amt. Sie ist weitgehend auch ein Opfer der Politik ihrer Vorgängerin als Parteivorsitzende und faktischen Rivalin im Kanzleramt. Was die CDU jetzt braucht, ist deshalb eine Richtungsdebatte – und die Bündelung dieser Debatte um Personen, die – bei aller Fähigkeit zur innerparteilichen Integration – für eine klare Ausrichtung der CDU stehen. Dieser Streit möge offen, redlich und wechselseitig lernbereit geführt werden. Unbedingt muss er in diesem Jahr entschieden werden. Ob die dann mit knapper oder großer Mehrheit eingeschlagene Richtung aber wirklich stimmt, werden erst die kommenden Wahlen zeigen.