Noch einmal: PEGIDA und die AfD

Noch einmal: PEGIDA und die AfD

Derzeit scheint sich wieder ein gewisses Interesse am Zusammenhang und Zusammenwirken zwischen PEGIDA und der AfD zu regen. Sehr viel habe ich in den letzten rund drei Jahren dazu öffentlich gesagt und geschrieben – und zwar stets dasselbe. Es ist mir eine ziemlich große Genugtuung, dass meine damals ohne sonderlich gute Gründe umstrittenen Einschätzungen inzwischen aus gutem Grund Mehrheitskonsens geworden sind. Drei kurze Texte seien in diesem Zusammenhang hier dokumentiert.

Text 1:

Im Oktober 2015 gab ich Alexander Kohlmann das folgende Interview, erschienen unter „Die AfD als politischer Arm von Pegida“ (erschienen am 21. Oktober 2015 in https://web.de/magazine/politik/afd-politischer-arm-pegida-partei-gefaehrlichem-rechtsruck-31009902):

Herr Patzelt, aus Ihrer Perspektive, entwickelte sich die AfD zu einer Art RAfD, also einer rechten Alternative für Deutschland?

Die AfD steht im politischen Spektrum rechts von der CDU. Und klar rechts verorten sich die meisten Pegida-Demonstranten. Wenn man sie nach ihren Wahlabsichten fragt, falls am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre, geben mit Abstand die meisten an, sie wollten die AfD wählen. Das heißt, die AfD könnte sich als jene Partei aufstellen, die den Pegida-Sympathisanten eine politische Heimat gibt. Die CDU will das nicht. Und tut es nicht die AfD, dann dürfte die NPD um die Stimmen von Pegida-Sympathisanten werben. Soll man es wirklich so weit kommen lassen?

Welches Potenzial sehen Sie denn für die AfD?

Die AfD ist die Partei, die jenes politische Niemandsland zu besiedeln angefangen hat, das die CDU mit ihrer Sozialdemokratisierung aufgegeben hat. Der Spielraum der AfD hängt ganz wesentlich davon ab, wie sich die CDU zum rechten Rand hin positioniert. Wenn die CDU weiterhin alle, die sich als konservativ oder deutlich rechts verstehen, in ihrer dritten und vierten Reihe kaltstellt, dann wird das Potential der AfD durchaus in den zweistelligen Bereich ansteigen. Sollte sich die CDU aber so aufstellen wie früher, nämlich mit der Absicht, rechts von ihr ohnehin keinen Spielraum für eine demokratische Partei zu lassen, dann schrumpft der Spielraum der AfD. Die Union wird ihren Kurs aber nicht mehr allzu lange im Ungefähren lassen können, denn die AfD scheint sich zu stabilisieren, ja wieder zu wachsen – sowohl an Mitgliedern als auch an Wählerattraktivität.

Droht also ihrer Meinung nach der CDU und Angela Merkel mit der AfD ein ähnliches Schicksal wie der SPD mit der Links-Partei? Man hat ja damals Gerhard Schröder vorgeworfen, dass er mit der Verabschiedung der AGENDA 2010 agiert wie ein konservativer Kanzler?

Genau so ist es. Der Bundeskanzler Schröder hat jene Politik gemacht, die schon der Bundeskanzler Kohl machen wollte, die damals aber am Widerstand der SPD gescheitert ist. Durch solches Einschwenken auf CDU-Positionen hat Schröder die Machtaussichten der SPD für längere Zeit geschmälert. Die Kanzlerin wiederum macht in der Flüchtlingsfrage jene Politik, die sich SPD und Grüne wünschen, die aber von einem nicht unerheblichen Teil der Bevölkerung und einem sehr großen Teil der CDU abgelehnt wird. Das unterminiert die Vorherrschaft der CDU im politischen Raum rechts der Mitte – und zwar nachhaltig, falls nicht die CDU-Vorsitzende ihren Kurs ändert oder die CDU ihr Führungspersonal erneuert.

Nun genießt ja Frau Merkel für Ihre Flüchtlingspolitik überwältigenden Zuspruch von sehr großen Teilen der Gesellschaft und war sogar für den Friedensnobelpreis im Gespräch – von einer breiten Ablehnung ihrer Politik kann doch gar keine Rede sein, oder?

Angela Merkel wird von denen gefeiert, die sie am Wahltag nicht wählen werden, nämlich von Grünen, SPD, ja auch Linken. Davon hat die CDU am Wahltag nichts. Und deshalb werden sich sehr viele CDU-Mandatsträger überlegen, was sie künftig an ihrer Vorsitzenden und Kanzlerin haben werden: Aufwind – oder ein Bleigewicht.

Wie weit wird ihrer Meinung nach die AfD nach rechts rücken? – Ihr ehemaliger Vorsitzender Bernd Lucke, der ja eher nicht im Verdacht steht ein Linker zu sein, distanziert sich ja mittlerweile sehr offen von seiner einstigen Partei.

Wir wissen nicht, wo ein Endpunkt sein wird. Mir scheint das von drei Faktoren abzuhängen. Erstens: Wieviel Spielraum lässt die CDU der AfD? Wenn die CDU weiter einen sozialdemokratisch-grünen Kurs fährt, dann entsteht für die AfD eine große Spielfläche hin zur politischen Mitte.

Zweitens: Wie geht es mit der Einwanderungspolitik und den damit verbundenen Problemen weiter? Sollten die Kommunen im Verlauf des Winters die Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten nicht mehr vernünftig organisieren können und sollte dann der Staat zu Mitteln wie der Zwangseinweisung von Geflüchteten in Ferien- und Zweitwohnungen greifen müssen, dann kann gerade die einwanderungsskeptische AfD unglaublichen Zulauf bekommen, ja womöglich eine kleine Volkspartei werden.

Und drittens: Wie fängt die AfD jene ein und diszipliniert sie, die womöglich auch bei der NPD sein könnten oder klar rechtsradikale Positionen vertreten? Denn Rechtsradikalismus oder gar Rechtsextremismus werden in Deutschland von jeder politischen Bühne gefegt. Und solche Leute haben bislang schon dem Ansehen der AfD zutiefst geschadet.

 

Text 2:

Es handelt sich um eine von der Süddeutschen Zeitung – wohl redigiert – nachgedruckte dpa-Meldung vom 25. Februar 2016 über meine Aussagen bei jener Pressekonferenz, auf der ich die Ergebnisse meiner PEGIDA-Studie vom Januar 2016 vorstellte (http://www.sueddeutsche.de/news/politik/extremismus-politikwissenschaftler-pegida-und-afd-sind-dasselbe-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-160225-99-977144). Besonders bemerkenswert ist im Übrigen der letzte Satz: Der Autor oder Redakteur wollte wieder einmal an der Legende stricken, ausgerechnet ich, der ich frühzeitig die Wucht hinter PEGIDA erkannte und beschrieb, würde PEGIDA „verharmlosen“ und sympathisierte allein schon deshalb, weil ich von einer Sache etwas verstünde, mit dieser Sache – gerade so, als ob ein die Beweggründe Hitlers verstehender Forscher auch schon ein Hitler-Anhänger sein müsste. Lustig, wie intellektuell untergewichtig so mancher sein kann, der sich besonders klug vorkommt … Hier nun der Text:

Der Dresdner Politikwissenschaftler Werner J. Patzelt hat davor gewarnt, das islamfeindliche Pegida-Bündnis als sächsisches Phänomen abzutun.

Es sei Teil rechtspopulistischer Bestrebungen, die angesichts der Flüchtlingsproblematik bundesweit Zuspruch erführen, sagte er am Donnerstag in Dresden bei der Vorlage einer neuen Pegida-Studie. „Wir sollten begreifen, dass Pegida und AfD dasselbe sind. Fleisch vom gleichen Fleisch.“

Pegida als lokales oder regionales Phänomen zu sehen, hieße, es zu verharmlosen. „Es geht hier um viel gewaltigeres Geschiebe unterhalb der Oberfläche unserer politischen Strukturen. Es ist die Ausbreitung des Rechtspopulismus nach Deutschland“, sagte Patzelt.

In der Entwicklung der vergangenen Monate gebe es vor allem bei jüngeren „Pegidianern“ zwar Radikalisierungstendenzen, was sich auch in den genutzten Internetdiensten zeige. Auch sei die Sprache in den Redebeiträgen rüder geworden und die Bereitschaft der Anhänger gesunken, Bürgerkriegsflüchtlinge und Asylbewerber aufzunehmen. Von einer allgemeinen Entwicklung hin zum Rechtsextremismus könne aber nur bedingt gesprochen werden, sagte Patzelt. Ein „Rechtsruck“ sei nicht festzustellen.

Gleichwohl macht er in einer nicht repräsentativen Erhebung einen Anteil von mindestens 20 Prozent Rechtsradikalen und Rechtsextremisten unter den Pegida-Anhängern aus. Dieser Anteil habe sich über die Monate aber nicht wesentlich verändert.

Viele „Pegidianer“ hätten sich „bis zur inneren Kündigung gegenüber unserem Staatswesen verhärtet“, sagte Patzelt. Mehr als 80 Prozent fühlten sich durch etablierte Parteien und Politiker nicht mehr vertreten.

Auf etwa den gleichen Wert stieg die Zahl der Befragten, die angaben, die AfD wählen zu wollen. „Die AfD ist in jene Repräsentationslücke eingedrungen, welche die etablierten Parteien am rechten Rand des politischen Spektrums haben entstehen lassen“, sagte Patzelt.

„Ausschließeritis und Abgrenzeritis“ vor allem aufseiten der CDU sei für diese Entwicklung verantwortlich zu machen. „Erst seitdem die CDU ihre wichtige staatspolitische Rolle nicht mehr richtig erfüllt hat, ist jener Freiraum entstanden, in dem dann die AfD als rechtspopulistische Partei sich festsetzen konnte, ist jene Lücke entstanden, die dann Pegida unter den besonderen Dresdner Umständen auffüllen konnte.“

Patzelt ist einer der meistgefragten Experten zum Thema Pegida, aber nicht unumstritten. Kritiker werfen ihm eine zu große Nähe zu der Bewegung oder deren Verharmlosung vor.

 

Text 3:

Hier handelt es sich um ein Interview, das ich am 2. Februar 2018 anlässlich des Parteitags der sächsischen AfD dem Lokalradio der Universität Leipzig „„mephisto 97.6“ gab (https://mephisto976.de/news/die-afd-streitet-was-sie-sein-will-64638):

mephisto 97.6: Spielt die Wahl der Führungsbesetzung im Landtag überhaupt eine Rolle für die Zukunft der sächsischen AfD?

Werner J. Patzelt: Sie spielt schon eine Rolle, denn die AfD hat eigentlich keine schlechte Ausgangsposition – stark, wie sie in der Bundestagswahl durch das Protestwählen gegen die große Koalition und auch gegen die sächsische CDU geworden ist. Wenn die AfD jemanden an der Spitze hat, der glaubwürdig, integer und nicht rechtsradikal ist, dann kann sie ihre starke Position ein Stück weit halten. Wenn aber an die Spitze jemand gestellt wird, der politisch verquer tickt, der sich nicht im Zaum hat, dann verspielt die AfD jenes Vertrauenskapital, das der große Proteststurm der Bundestagswahl ihr in die Kassen gespült hat.

mephisto 97.6: Anfang der Woche kündigte Siegbert Droese an, zukünftig enger mit dem Pegida-Bündnis in Dresden zusammenarbeiten zu wollen. Und anscheinend hat für ihn Pegida eine ähnliche vorpolitische Funktion wie die Gewerkschaften für die SPD oder die Kirchen für die CDU. Kann denn Pegida tatsächlich so eine Wirkung für die sächsische AfD entfalten?

Werner J. Patzelt: Zum einen Teil sind Pegida und die AfD gewissermaßen zwei Seiten einer Medaille. Bei Pegida hat sich jener Verdruss über die etablierte Politik sehr stark verdichtet, mit dem auch in Deutschland der europaweite Rechtspopulismus groß geworden ist; und es ist genau diese große Woge des Rechtspopulismus, auf der die AfD surft. Aber Pegida, das ist nur ein periodisches Demonstrationsgeschehen in Dresden. Das hat keine organisationellen Unterstrukturen, wie sie die Gewerkschaften für die SPD bereitstellen. Das ist also ein kindlicher Gedanke, dass die AfD durch ein Bündnis mit Pegida etwas gewinnen könnte. Gewinnen kann die AfD allein damit, dass sie jene Themen behandelt, welche bislang von den etablierten Parteien nicht so recht behandelt worden sind – aber jetzt unter dem Druck der Existenz der AfD immer mehr behandelt werden; etwa Migration und Integration als das zentrale innenpolitische Thema. Und hier ist irgendein Bündnis oder ein Zusammenwirken mit Pegida überhaupt nichts, was der AfD-Sache förderlich sein könnte – ganz im Gegenteil. Denn das schlechte Image, das Pegida hat, kann auf jene Teile der AfD wählervergraulend abstrahlen, die sich manche Bürger als sozusagen die klassische, alte, so nicht mehr existierende CDU vorstellen. Infolgedessen halte ich von solchen Gedanken gar nichts.

mephisto 97.6: Droese sagte aber, die AfD hätte zur letzten Bundestagswahl enorm von Pegida profitiert. Aber Sie sind der Meinung, dass man die gemäßigteren eher verschrecken könnte, durch eine stärkere Zusammenarbeit mit Pegida?

Werner J. Patzelt: Schauen Sie, der Wirkungszusammenhang ist der, dass Pegida massenwirksam jene Diskursschwellen überschritten hat, die man über bestimmte Themen in Deutschland gelegt hat. Solche Themen hat Pegida in die öffentliche Debatte gebracht, und zwar auch durch die starke öffentliche Reaktion auf Pegida. Auf diese Weise ist der deutsche Rechtspopulismus also zum bundesweiten Gesprächsgegenstand und zum Objekt von Wahlhandlungen geworden. Insofern stimmt es schon, dass die AfD von Pegida profitiert hat. Und bei der Bundestagswahl ging es ja auch darum, alle Menge von Protest von Leuten, die sich weder als links noch als mittig verstehen, zu bündeln und zur Wahlunterstützung der AfD zu bringen. Aber damit hat es sich auch schon. Die Thematisierungsleistung von Pegida ist inzwischen vollzogen, und die AfD steht mit einem erheblichen Stimmenanteil ausgestattet da. Jetzt von Pegida sich irgendetwas zu erhoffen, ist lächerlich und kontraproduktiv.

mephisto 97.6: Nochmal zu dem anstehenden Landesparteitag, auf dem nun der neue Vorsitzende der sächsischen AfD bestimmt werden soll. Wie wird man denn nach dem Ausscheiden von Frauke Petry als Landesvorsitzende vorgehen und in welche Richtung wird man sich da politisch vermutlich bewegen?

Werner J. Patzelt: Ja, das weiß die AfD doch selbst noch nicht! Die AfD ist, wie Alexander Gauland es gesagt hat, ein „obergäriger Haufen“. Und der Gärungsprozess besteht im Wesentlichen im Herausfinden, ob man eine rechtspopulistische bis rechtsradikale Sammlungsbewegung sein will – oder ob man eine staatstragende Partei rechts der CDU, aber ohne Zweifel eben eine staatstragende Partei sein will. Hier sind in der AfD die erforderlichen Klarheiten noch nicht da, und sie sind auch noch nicht durch verlässliche und klar konturierte politische Führungsfiguren personalisiert oder verfestigt worden. Infolgedessen werden wir einmal mehr erleben, wie die AfD darüber streitet, was sie sein will.

 

Bildquelle: https://www.google.de/search?q=pegida+afd&rlz=1C1NIKB_deDE570DE570&tbm=isch&source=lnt&tbs=isz:l&sa=X&ved=0ahUKEwjXk5S0q5LZAhUHfFAKHb0YCJwQpwUIHg&biw=1536&bih=735&dpr=1.25#imgrc=Kr3ZBcRu5dTTAM:

 

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