Zum rechten Umgang mit sehr Rechten

Zum rechten Umgang mit sehr Rechten

„Campusrauschen“, ein zwischen Internetjournal und Blog positioniertes Projekt mit insbesondere Studierenden als Zielkreis, führte neulich mit Albrecht von der Lieth, dem Sprecher des Bündnisses „Dresden Nazifrei“, und mit mir zwei getrennte, doch aufeinander bezogene Interviews. Sie behandelten im Kern den sinnvollen Umgang mit Anhängern oder Mitgliedern der „Neuen Rechten“, nebenbei – im mit mir geführten Interview – auch meine Rolle während der Blütezeit von PEGIDA.

Nachstehend bringe ich diese zwei Interviews zum bequemen Nachlesen (Original unter http://campusrauschen.de/2017/05/12/reden-oder-nicht-reden/). Es könnte nämlich aufschlussreich sein, jene Vorstellungen vom richtigen staatsbürgerschaftlichen Verhalten im Dienst einer freiheitlichen Demokratie miteinander zu vergleichen, die in den Aussagen von Herrn von der Lieth und von mir fassbar werden. Besonders lohnenswert könnte im Übrigen auch das Nachdenken darüber sein, welche der beiden empfohlenen Strategien wohl das meiste dafür leisten kann, dass unser freiheitlicher, auf pluralistische Demokratie und somit auf Streit gegründeter Staat nicht seinen inneren Zusammenhalt verliert.

In diesem Sinn wünsche ich erkenntnisträchtiges Lesen – und freue mich, wie immer, über Kommentare und Diskussionen auf Facebook. Dem angefügt sei mein Bedauern darüber, dass lange schon meine „Gegner von links“ von meiner Facebook-Seite verschwunden sind – und inzwischen anscheinend auch meine „Gegner von rechts“. Ob also meine Positionen inzwischen allenthalben auf Zustimmung treffen? Vermutlich nicht. Oder ob so mancher gemerkt hat, dass hier mit Gegenargumenten zu rechnen ist, die dann auch weh tun können, falls man sich beim eigenen Argumentieren nicht sonderlich angestrengt hat? Wie auch immer: Zwar mag ich Zustimmung durchaus, lerne aber viel mehr aus Widerspruch – und schätze solchen überaus, falls er mit Fakten und Argumenten aufwartet, es also nicht mit Fiktionen und Attacken bewenden lässt!

 

Und hier nun die zwei Interviews aus „Campusrauschen“:

An Aufregerthemen hat es in den vergangenen Monaten in Dresden nicht gemangelt. Zwischen all den Wutbürgern und Gutmenschen, zwischen lautstarkem Protest und wissenschaftlichen Debatten blitzte dabei ein vielschichtiges Thema immer wieder zwischen den anderen hervor: Dialog. Ist Reden immer gut oder macht es Sinn, bestimmte Gruppierungen aus dem Gespräch auszuschließen? Je nachdem, wen man fragt, fällt die Antwort darauf sehr unterschiedlich aus. Werner J. Patzelt, Inhaber der Professur für Politische Systeme und Systemvergleich am Institut für Politikwissenschaft der TU Dresden, ist bekannt dafür, sich öffentlich für Dialog einzusetzen – unter anderem mit Pegida. Ganz anders als die Struktur Dresden Nazifrei, deren Sprecher Albrecht von der Lieth ist: Sie sträubt sich gegen Diskurs mit den neurechten Bewegungen. Wir haben beide Seiten nach ihren Gründen befragt.

 

Herr Patzelt, wie stehen Sie dem Dialog mit politischen Gegnern gegenüber?

Patzelt: Ich mag das Wort „Dialog“ nicht. Es klingt nach Stuhlkreis und „wir haben einander lieb“. Doch mir geht es ums Reden und Streiten: Man muss jenen, die man im Unrecht sieht, auch ins Gesicht widersprechen. Also rede ich am liebsten vom „kommunikativen Nahkampf“.

Welche Folgen hat Ihre Einstellung für Sie?

Patzelt: Ich wurde „Pegida-Versteher“ genannt, was „Pegida-Sympathisant“ meinte. Doch wenn man Andersdenkende nicht vor sich hin gären lassen will, dann muss man versuchen, ihnen mit überlegenen Argumenten zu kommen. Gehör findet freilich nur, wem man vertraut. Und Vertrauen hatten viele Pegidianer zu mir, weil ich mit ihnen stets fair umgegangen bin. Ist Fairness aber kritikwürdig? Ansonsten habe ich es nie als meine Aufgabe gesehen, den „Brückenbauer“ für Pegida zu geben – auch nicht im Winter 2014/15, als ich in wissenschaftlicher Beobachterrolle zu den Pegida-Demonstrationen ging. Das gehörte sich schließlich für jemanden, der von den Medien regelmäßig zu Pegida befragt wurde. Hätte ich da aber wirklich nicht mit Pegidianern reden sollen, wenn ich doch wissen wollte, wie sie denken? Natürlich gibt es Grenzen für Gespräche, etwa wenn das Gegenüber nicht zuhören will und nur polemisiert. Doch ob der andere wirklich nicht mehr kann, muss sich erst zeigen. Und wenn er dann sachlich oder moralisch Inakzeptables vertritt: Wäre es denn nicht „Feigheit vor dem Feind“, der Konfrontation mit ihm auszuweichen?

Welche Gefahr sehen Sie in der Reaktion anderer?

Patzelt: Die weithin empfohlene scharfe Ausgrenzung von Neurechten hilft nicht weiter. Die Ausgegrenzten verschwinden ja nicht! Und wenn manche ihrer Positionen vielen anderen einleuchten, kann deren Anhängerschaft sogar wachsen. Die haust sich dann in Kommunikationsblasen ein und produziert vielleicht eine Radikalisierungsspirale, die sogar anziehend wirkt. Wenn am Ende eine rechte Protestpartei in allen Parlamenten sitzt, haben wir doch politisch zu wenig gekonnt! Und den AfDlern dann wütend mit verbaler oder physischer Gewalt zu kommen, erfüllt schlicht den verwerflichen Tatbestand gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit.

Was erhoffen Sie sich von Ihrer eigenen Einstellung zum gesellschaftlichen Diskurs?

Patzelt: Individuell kann man auch von unliebsamen Gesprächspartnern manches lernen, und Kollektive werden ohnehin nur durch Kommunikation zusammengehalten. Lernen und Zusammenhalt sind aber das, was unsere Gesellschaft braucht.

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Herr von der Lieth, wie stehen Sie dem Dialog mit politischen Gegnern gegenüber?

von der Lieth: Miteinander zu reden ist ja ganz allgemein eine gute Sache. Der Dialog muss nur auch tatsächlich einer sein. Dafür braucht es ein paar grundlegende Dinge: gegenseitigen Respekt zum Beispiel und eine faire Dialogkultur. Aber auch eine gemeinsame Wertebasis und Konsens über die Rahmenbedingungen des Gespräches. Es geht auch darum, wer mit wem redet – und mit welchem Ziel. Strukturen wie Dresden Nazifrei können nicht ins Gespräch kommen mit Einzelpersonen, dazu braucht es andere Einzelpersonen. Und Leute wie ich werden teilweise nicht als Einzelperson wahrgenommen, sondern als Vertreter einer Gruppe. Sowieso: Welches Ziel soll so ein Dialog haben? Für mich gibt es keinen Platz für Kompromisse mit Rassisten.

Welche Folgen hat Ihre Einstellung für Sie persönlich?

von der Lieth: Es gibt eben Gruppierungen, mit denen ich deswegen nicht in den politischen Diskurs trete. Mit Rassisten oder Sexisten zum Beispiel würde ich keine Diskussionen führen – deswegen lehne ich auch Gespräche mit Pegida-Teilnehmern oder AfDlern ab. Meine Gesprächspartner sollen die Menschenrechte wenigstens im Kern achten. Ich sehe es auch einfach nicht als meine Aufgabe, mit Rassisten und potentiellen Verbrechern Diskurs zu halten. Nicht nur, dass ich darauf keine Lust habe – ich denke, es gibt auch einige Leute, die das besser können als ich. Sozialarbeiter zum Beispiel oder Therapeuten.

Welche Gefahr sehen Sie in der Reaktion anderer?

von der Lieht: Alles, was ein Gespräch mit solchen Leuten bringt, ist, dass man Einstellungen legitimiert, die nicht legitimierbar sind. Außerdem – welche Erfolge hat denn beispielsweise der Dialog mit Pegida vorzuweisen? Alleine der vergangene dritte Oktober hat doch gezeigt: Es hilft nicht, den Demonstrierenden zu sagen, dass sie in der Minderheit sind. Denn die denken entweder, sie hätten die schweigende Mehrheit hinter sich, oder sehen sich in der Opferrolle. Deswegen finde ich es falsch oder beinahe schon unredlich, Dialog pauschal als Mittel der Wahl zu nutzen. Ich habe häufig den Eindruck, der Gedankengang der Leute ist: Ach, mit denen kann man ja überhaupt nicht reden … also müssen wir mehr mit ihnen reden! Völlig absurd. Dass so viele Leute sich so intensiv für Dialog einsetzen, entstammt meist ganz einfach ihrer Gedankenlosigkeit.

Was erhoffen Sie sich von Ihrer eigenen Einstellung zum gesellschaftlichen Diskurs?

von der Lieth: Diese rechten Bewegungen verdienen einfach eine radikale gesellschaftliche Ausgrenzung. Wenn keiner mehr mit ihnen redet, verstehen sie vielleicht, dass sie in der Unterzahl sind, und ziehen sich zumindest aus der Öffentlichkeit zurück. Zugegebenermaßen: Ausgrenzung an sich ist auch eher reaktiv, keine positive Aktion oder so. Aber verbunden mit Visionen wie der der sozialen Gerechtigkeit oder internationalen Freizügigkeit können sich vielleicht trotzdem proaktive Bewegungen entwickeln.

Interviews: Alisa Sonntag

Fotos: Amac Garbe

Bildquelle: https://de.dreamstime.com/stockfoto-politische-debatte-image27934770

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