Interview zum Brandanschlag

Interview zum Brandanschlag

KUSCHEN GEHÖRT SICH NICHT!

Interview im Nachgang des Anschlags auf meinen Wagen, veröffentlicht am 30. März 2017 auf S. 7 der „Sächsischen Zeitung“

(siehe http://www.sz-online.de/sachsen/kuschen-gehoert-sich-nicht-3648221.html)

Sächsische Zeitung: Herr Patzelt, manche werden nach diesem Brandanschlag auf Ihr Auto sagen: „Selber schuld.“

Werner J. Patzelt: Das kann ich durchaus verstehen. Immerhin hat – Vorsicht: Ironie! – jeder in unserem Land das Recht, alle Äußerungen zu unterlassen, an denen ein anderer Anstoß nehmen könnte.

SZ: Was überwiegt bei Ihnen nach dieser Attacke? Wut oder Sorge?

WJP: Wut empfinde nicht. Sorge schon eher – nämlich darum, ob irgendwann auch meine Frau oder mein Sohn zur Zielscheibe von Attacken werden könnten. Doch im Wesentlichen empfinde ich menschliche Enttäuschung – insbesondere über jene, die ein Klima haben entstehen lassen, in dem so ein Anschlag überhaupt wie eine „gerechte Strafe für falsches Verhalten“ erscheinen konnte.

SZ: Wie wollen Sie Ihre Familie und sich selbst gegen solche Angriffe schützen?

WJP: Da ist kein Schutz möglich. Und ein klein wenig Zivilcourage aufbringen zu müssen, ist ja auch nicht zu viel verlangt von jemandem, der sich gern an öffentlichen Debatten beteiligt. Doch es ist unfair, nicht nur mich, sondern auch meine Familie zu behelligen.

SZ: Sehen Sie Ihr Engagement in Bezug auf Pegida, Ihr Bemühen um Verständnis der Beweggründe und Dialog, als Grund für die Tat?

WJP: Wenigstens ein Teil der gestrigen Medienberichterstattung hatte kenntlich zum Subtext, dass da ein „PEGIDA-Versteher“ von den Folgen seiner Übeltaten eingeholt würde. Und natürlich ignoriere ich weiterhin nicht, dass auch auf Indymedia sowie in den Begründungen derer, die mehrfach meine Gastvorträge anderswo störten, immer wieder der Hinweis auftauchte, es hätten sich sogar die anderen Wissenschaftler und Studierenden am Dresdener Institut für Politikwissenschaft gezwungen gesehen, sich von einem „PEGIDA-Freund“ und „Gegendemonstrantenfeind“ wir mir zu distanzieren. Dass dabei die wirklichen Zusammenhänge und Ereignisse unrichtig wiedergegeben werden, interessiert anscheinend nicht.

SZ: Sind Sie zu „pegida-freundlich“?

WJP: Nein. Ich beschrieb von Anfang an einfach das, was – wie inzwischen auch die meisten zugeben – der Fall war. Auch gab ich Ratschläge, was man in der durch die PEGIDA-Demonstrationen und den Aufstieg der AfD geprägten Lage gemäß den Leitgedanken unserer pluralistischen Demokratie wohl tun solle. Doch im Winter 2014/15 galten allein politisch parteinehmende Positionen zu PEGIDA als angemessen, während die Rolle des sozusagen „das Spiel analysierenden Fußballreporters“ einfach nicht vorgesehen war. Deshalb – um im Bild zu bleiben – nahmen es mir die Bayern-Fans übel, dass ich Dortmund nicht herunterschrieb, und viele Dortmund-Fans nahmen meine sachlichen Analysen, mit denen ich mich von ihren erklärten Gegnern unterschied, zum Anlass für das Missverständnis, ich sympathisierte mit ihnen. Doch meine politische Sympathie gilt allein unserer freiheitliche Demokratie und jenen, die sie durch ihre Haltung beim pluralistischen Streit verteidigen, also nicht nur durch symbolische Handlungen.

SZ: Es fällt eine zunehmende Radikalisierung auf beiden Seiten auf – bei den Pegida-Sympathisanten und Ihren Gegnern. Fehlen die Grautöne? Zwischen den beiden Lagern scheint es nichts zu geben… Die Gesellschaft driftet weiter auseinander?

WJP: Ja, und vor alledem warne ich seit dem Populärwerden von PEGIDA und AfD. Ich selbst habe zu jeder Zeit durch praktizierte Gesprächsbereitschaft nach allen Seiten das meine getan, um solchem Auseinanderdriften zu wehren und auch Grautöne sichtbar zu machen. Dankenswerterweise gibt mir Ihre Zeitung regelmäßig die Gelegenheit, in der wechselnden Kolumne mit Michael Bittner wichtige Grundsätze für ein tragfähiges Miteinander vor Augen zu führen.

SZ: Werden Sie künftig vorsichtiger sein – mit dem, was Sie tun und sagen?

WJP: Nein, weil sich vorauseilendes oder eingeschüchtertes Kuschen für einen kritischen Intellektuellen nicht gehört. Auch macht mir Kritik an herrschenden Zuständen seit Studentenzeiten viel Spaß. Ferner wüsste ich nicht, was ich wirklich Falsches getan oder gesagt hätte, abgesehen von zweimal verfrühten Nachrichten vom Ende PEGIDAs. Im Übrigen erfahre ich immer wieder, dass gar nicht wenige darauf zählen, meine Stimme als die eines unabhängigen, ganz auf Fakten, auf Vernunft und auf guten Willen setzenden Intellektuellen weiterhin zu hören. Diese Leute aber werde ich gewiss nicht enttäuschen.

 

Bildquelle: http://www.sz-online.de/sachsen/kuschen-gehoert-sich-nicht-3648221.html

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