Du sollst nicht pöbeln!

Du sollst nicht pöbeln!

Die Pöbelszenen an der Frauenkirche am 3. Oktober waren hässlich und obendrein unnötig. Es ist zwar verständlich, wenn man bei einer Gegendemonstration in Hör- und Sichtweise seiner Gegner auftreten möchte, meist auch lautstark und nicht selten mit Trillerpfeifen. Und natürlich haben dabei für alle die gleichen Spielregeln zu gelten.

Doch es ist unangemessen, sich bei einem staatszeremoniellen Anlass so zu verhalten, als ginge es um eine Gegendemonstration oder Wahlkampfveranstaltung. Das Recht auf freie Meinungsäußerung zu haben und sich in einer gegebenen Situation anständig zu verhalten, ist schlicht zweierlei.

Einzufordern ist für Staatszeremonien nun einmal Respekt gegenüber unserem Staatswesen – und sei es mit zusammengebissenen Zähnen angesichts ungeliebter Repräsentanten des Staates. Obendrein macht es schon einen wichtigen Unterschied, ob man stillschweigend mit Plakaten und Spruchbändern Zorn zum Ausdruck bringt – oder auch noch durch Lärmentfaltung ins Recht anderer eingreift, eine würdig vollzogene Staatszeremonie erleben zu wollen.

Ich habe mich zu diesen Vorfällen an mehreren Stellen geäußert, besonders ausführlich im MDR.

Einesteils lohnt diesbezüglich das Ansehen der Talkshow „Fakt ist!“ vom 10. Oktober, zugänglich unter folgendem Link: https://www.youtube.com/watch?v=IlqrIkALEgg; siehe auch die entsprechende Berichterstattung des MDR selbst: http://www.mdr.de/sachsen/fakt-ist-pfeifen-poebeln-provozieren-100.html.  Außerdem findet sich nachstehend ein Kommentar, der ebenfalls am 10. Oktober vom MDR unter folgendem Link veröffentlicht wurde: http://www.mdr.de/sachsen/dresden/gastkommentar-patzelt-proteste-dresden-100.html.

 

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Du sollst nicht pöbeln!
Bemerkungen zu politischer Stillosigkeit am 3. Oktober in Dresden

Natürlich gehört es sich nicht, bei staatszeremoniellen Anlässen zu pöbeln – gleich ob es sich um öffentliche Gelöbnisse der Bundeswehr handelt, tags nach dem Mauerfall um die Veranstaltung mit Helmut Kohl am Schöneberger Rathaus oder unlängst um den Auftritt unserer Staatsspitze bei den Einheitsfeiern in Dresden.

Lässt sich aber alles gesetzlich verbieten, was sich nicht gehört? Vom Schweißgeruch bei Flugreisen über das Husten an Pianostellen im Konzert bis zum ohrenbetäubenden Lärm bei Demonstrationen politischer Gegner? Wohl nicht.

Auch gibt es Hierarchien von Rechtsnormen mit Vorfahrtsregeln. Gesetzesrecht bricht das Hausrecht. Grundrechte gehen in ihrem Wesensgehalt jedem Gesetz vor. Das gilt auch für jene Grundrechte, deren selbstverständliche Nutzung Demokratie überhaupt erst zum Leben bringt: die Vereinigungs-, Versammlungs- und Meinungsfreiheit.

Bei deren Gebrauch erlebt man auch unmittelbar die Kosten von Demokratie. Die seelischen, wenn politische Gegner diese Rechte zum eigenen Nachteil nutzen; und die staatlichen, wenn die Polizei die Wahrnehmung solcher Rechte gegen Widerstreben Dritter sichert. Hilfreich ist dann die Frage an sich selbst, ob es einem eher um die Steuergelder leidtut – oder darum, dass der politische Gegner von ihnen profitiert.

Aufgabe unserer Polizei ist es, so geartete Demokratie zu schützen. Wichtiges Mittel dafür ist die Gewährleistung öffentlicher Sicherheit. Dabei gilt um der Freiheit willen: Solange man die Sicherheit nicht gefährdet, darf man öffentlich alles tun, was nicht verboten ist. Also auch kulturell Ungehöriges. Nur Recht und Gesetz sind nämlich Maßstab polizeilichen Handelns, nicht aber die guten Sitten. Gewiss kann man das auch anders halten und eine Sitten-, Religions- oder Gesinnungspolizei einführen. Derlei will aber – gottlob – keiner neu aufleben lassen.

Dann muss freilich die Zivilgesellschaft schon selbst für ihre Zivilität sorgen. Ganz ohne Vorstellung von politischer Leitkultur wird das nicht gelingen. Am besten fängt man mit solcher Zivilisierung in den Schulen an, damit Pöbeln nicht zur Fortsetzung des Pubertierens wird. Fortzuführen ist solche Praxis von Zivilität im Internet und bei Wahlveranstaltungen politischer Gegner. Zu denen rechnen manche, wie in Dresden, ja sogar die Staatsspitze. Und es wäre eine gute Idee, nie wieder den Satz zu sagen, mehr als die Einhaltung der Gesetze könne man von keinem verlangen. Doch, man kann – und sollte das um eines polizeifrei-zivilisierten Umgangs willen auch tun!

 

Bildquelle: http://web.de/magazine/politik/gauck-merkel-dresden-erwartet-31937060

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