AfD und NPD

AfD und NPD

Heute erschien im „Mannheimer Morgen“ und in einer Reihe weiterer Zeitungen im Südwesten des Landes mein nachstehendes Interview über die AfD sowie über Äußerungen von AfD-Politikern über den Umgang mit NPD-Anträgen in deutschen Parlamenten (https://www.morgenweb.de/mannheimer-morgen_artikel,-politik-zum-schaden-seiner-partei-_arid,912001.html), und zwar unter dem Titel „Zum Schaden seiner Partei“. Die Fragen stellte Walter Senf.

Neben dem Inhalt selbst dürfte der redaktionell verantwortete erste Absatz von Interesse sein – nämlich in seiner subtilen Bedeutungsverschiebung zwischen dem, was dort über meine Aussagen mitgeteilt wird, und dem, was ich tatsächlich gesagt habe.

Hier nun der Text:

Mannheim. Gemeinsame Abstimmungen mit der rechtsextremen NPD? Der Dresdner Politikwissenschaftler Werner J. Patzelt bezeichnet die umstrittenen Äußerungen des AfD-Bundeschefs Jörg Meuthen zur NPD als „Torheit“.

Herr Patzelt, AfD-Bundeschef Jörg Meuthen hält eine strenge Abgrenzung seiner Partei von der rechtsextremen NPD in Mecklenburg-Vorpommern nicht für erforderlich. Empört Sie das?

Werner J. Patzelt: Meines Wissens hat er nur in Aussicht gestellt, man werde im Landtag nicht schematisch alle Anträge der NPD ablehnen, sondern das von deren Inhalt abhängig machen. Das ist zwar eine Abkehr von der bisherigen Parlamentspraxis, ändert aber nichts daran, dass die AfD eine Partei mit anderer Programmatik und Mitgliedschaft als die NPD ist, ja sich von dieser auch abgrenzt. Im Übrigen wird die NPD wohl nicht in den Schweriner Landtag gelangen, was der Debatte ihren Gegenstand entzieht.

Ihr Berliner Kollege Hajo Funke sieht das nicht so entspannt, er meint: „Nazis helfen Nazis“.

Patzelt: Er glaubt anscheinend wirklich, dass die AfD aus lauter Nazis bestünde. Doch es dürfte nicht stimmen, dass die vielen zur AfD gewechselten Ex-CDU-Anhänger nun allesamt Nazis geworden wären. Auch verharmlost das die wirklichen Nazis. Jörg Meuthen, Frauke Petry und Alexander Gauland in der gleichen verbrecherischen Preislage wie Joseph Goebbels oder Julius Streicher? Doch wohl eher nicht!

Also alles nicht so schlimm?

Patzelt: Schlimm wäre eine Aufforderung, AfD und NPD sollten sich verbünden. Die hat Meuthen aber nicht erhoben. Er beging nur die Torheit, sich zum Schaden seiner Partei auf ein rein hypothetisches Thema einzulassen. Und verfassungsfeindlich ist es schon gar nicht, mehr auf Inhalte als auf Parteigrenzen achten zu wollen.

Will Meuthen mit seinen Aussagen NPD-Wähler einsammeln?

Patzelt: Das glaube ich nicht, denn in Deutschland weiß ohnehin jeder, dass nunmehr die AfD das Sammelbecken derer ist, die von rechts her gegen die etablierten Parteien protestieren wollen. Also verliert die NPD sowieso Stimmen an die AfD.

Der Aufstieg der AfD erscheint jedenfalls unaufhaltsam. Sie könnte am Sonntag ausgerechnet in Merkels Heimat sogar die CDU als Nummer zwei ablösen. Warum ist die AfD so erfolgreich?

Patzelt: Weil sie eine Repräsentationslücke hin zum rechten Rand des politischen Spektrums schließt, welche die CDU hat aufreißen lassen. Die CDU-Führung hat viele Positionen von SPD und Grünen übernommen, nicht zuletzt bei der Einwanderungs- und Integrationspolitik. So hat sie sich für viele rechts der Mitte unwählbar gemacht. In diese Lücke stößt die AfD, seit sie nach ihrem Rechtsruck auf die Wellenlänge von vielen Systemverdrossenen gegangen ist.

Was kritisieren diese denn?

Patzelt: Dass die politisch-mediale Klasse abgehoben und selbstbezogen ist. Und dass diese einen Großteil des Volks für politisch schief gewickelt, rückständig, unintelligent und deshalb nicht weiter beachtenswert hält.

Anfangs punkteten die Rechtspopulisten mit dem Euro, dann protestierten sie gegen Angela Merkels Flüchtlingspolitik. Aber es kommen jetzt ja immer weniger ins Land. Warum ist die AfD dennoch weiter so erfolgreich?

Patzelt: Allgemeine Politiker- und Parteienverdrossenheit gab es schon in den 1990ern, und im Osten noch viel stärker als im Westen. Sie entzündete sich am Dauerkanzler Kohl, an sozialer Ungerechtigkeit und an der Zuwanderung. Die Auslöserthemen wechselten, der Unmut blieb.

Davon profitiert jetzt die AfD als rechtspopulistische Protestpartei.

Patzelt: Ja, und besonders im Osten. Dort sind Deutschlands Parteien schwächer verankert als im Westen, und dort finden sich seit der Wiedervereinigung bei gleichen Wellen der Systemkritik viel niedrigere Zustimmungs- und Vertrauensraten zu unserer Demokratie. Deshalb gab es im Osten eine größere Resonanz für die Pegida und immer schon mehr Unterstützung für die AfD.

Aber die AfD hat ja keine Lösungsvorschläge, sondern ruft nur „Ausländer raus!“

Patzelt: Ein Teil der Bevölkerung will mit einer Protestpartei die etablierten Eliten aufwecken und aufwirbeln. Dafür reicht es ihnen, dass neue Oppositionspolitiker ins Parlament kommen und dort eine halbwegs passable Figur abgeben.

Und die können dann machen, was sie wollen?

Patzelt: Nein. Spaltung und Streit wollen die Wähler nämlich auch bei einer Protestpartei nicht und vor allem dann nicht, wenn sie, wie die AfD, zumindest mit dem Anspruch auftritt, eine seriöse Partei zu sein. Die sächsische NPD gab da einst ein abschreckendes Beispiel.

Es reicht also, wenn die AfD nur mit Parolen und populistischen Forderungen Politik macht?

Patzelt: Niemand erwartet von ihr, dass sie ihre Positionen in den nächsten Jahren in konkrete Politik umsetzt. Ihr Platz ist zunächst einmal in der Opposition. Und sie spricht vor allem denen aus dem Herzen, die unserer sozial-christlichen und grün-demokratischen Politikelite innerlich gekündigt haben.

© Mannheimer Morgen, Donnerstag, 01.09.2016

 

Bildquelle: http://bilder.augsburger-allgemeine.de/img/politik/crop38465797/4664784438-ctopTeaser-w1200/Joerg-Meuthen-betont-er-trenne-Patriotismus-streng-von-Nationalismus.jpg

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