Gedanken zu den „Kölner Krawallen“
erschienen am 8. Januar 2015 in der „Huffington Post“ unter folgendem Link: http://www.huffingtonpost.de/werner-j-patzelt/koelner-krawalle-naivitaet_b_8937746.html?utm_hp_ref=germany
Die Kölner Krawalle und das Ende einwanderungspolitischer Naivität
Kein Bürger vermag alles zu wissen, was in seinem Land vorgeht oder für dessen Schicksal belangvoll ist. Deshalb ist es so wichtig, dass man Medien und Politikern vertrauen kann. Bei Journalisten möchte man sich darauf verlassen dürfen, dass sie zeitnah und zutreffend über alles aktuell Beachtenswerte informieren. Bei Politikern will man davon ausgehen können, dass wenigstens sie halbwegs wissen, was sie tun – etwa wenn sie unsere Soldaten in fremde Länder schicken, Milliardenbürgschaften für andere Staaten übernehmen oder die eigenen Grenzen für jedermann öffnen.
Beiderlei Vertrauen leidet seit längerem. Es leidet besonders seit dem Beginn offenen Streits über den Kurs unseres „Einwanderungslandes ohne Einwanderungspolitik“, dem Offenkundigwerden einer volkspädagogischen Parteinahme vieler Journalisten in diesem Streit sowie wiederholten Behauptungen vieler deutscher Politiker, gegen Zuwanderung nach Deutschland könne man ohnehin nichts tun. Die ließe sich allenfalls „ordnen“, müsse ansonsten aber einfach hingenommen werden – und zwar mit Zuversicht, denn „wir schaffen das“!
In dieser Lage erfahren viele aus eigener Anschauung oder aus Berichten sachkundiger Bekannter, dass es sich mit so manchen Einzelheiten und Folgen des Einwanderungsgeschehens durchaus anders verhält, als das viele Medien berichten oder Politiker behaupten. Während etwa von der politisch-medialen Klasse (dabei mitunter den Tatbestand von „politischem Kitsch“ erfüllend) in den Vordergrund gerückt wird, bei den Zuwanderern handele es sich vor allem um „die Schwächsten der Schwachen“, zumal um Frauen und Kinder, fallen im Alltag in erster Linie solche jungen Männer auf, denen – und zwar nicht nur in unserer Kultur – doch das aktive Ringen um den richtigen Weg des eigenen Landes zukäme. Und während vielen Leuten bereits ihr gesunder Menschenverstand sagt, dass junge Männer ohne eigenes Geld und feste Freundin in einer reichen sowie sexuell freizügigen Gesellschaft vielerlei Anreize zum Überschreiten sie demütigender Grenzen finden, erklären solchen Leuten unsere politischen und medialen Eliten, sie bildeten sich böswillig Probleme ein, die in Wirklichkeit gar nicht bestünden.
Wie unter einem Brennglas wird das alles an den Kölner Vorgängen aus der Neujahrsnacht sichtbar. Schon im Informationsverhalten der Polizeiführung und ihrer politischen Vorgesetzten zeigte sich, dass „migrationspolitisch Heikles“ zu umgehen für sie ein viel wichtigeres Motiv war als eine vollständige Berichterstattung über das Geschehene. Und bei der Nachrichtengebung der Medien fragt sich so mancher, ob diese ebenso zeitverzögert gewesen wäre, wenn da hundert deutsche Rechtsradikale übergriffig geworden wären. Über alledem schweben Zweifel, ob es wohl auch dann einen so großen Übereinklang der Empörung einfacher Leute mit der Entrüstung von Politik und Medien gäbe, falls die Übeltäter sich nur ans „selbstermächtigte Anteilhaben am mehrheitsgesellschaftlichen Reichtum“ gemacht hätten (um ein hässliches Wort wie „Diebstahl“ zu vermeiden), sie nicht aber auch noch – oder gar in erster Linie – die Menschenwürde von Frauen missachtet hätten. Denn wenigstens da – oder überhaupt erst da? – hat die so gern als augenzwinkernde Liberalität einherkommende Permissivität unserer Gesellschaft denn doch ihre Grenzen.
Was im Hintergrund all dessen wirkt, geht übrigens aus den vielfach wie ein Mantra vorgebrachten Warnungen von Politikern und Journalisten hervor, doch bitte keinen Zusammenhang herzustellen zwischen der Einwanderung nach Deutschland und den nächtlichen Vorkommnissen in Köln, Hamburg oder Stuttgart. Vielleicht ist es sogar nur der heutigen Omnipräsenz von Handys mit Foto- und Videofunktion zu verdanken, dass die Behauptung gar nicht erst versucht wurde, auf einen möglichen Migrationshintergrund der Angreifer lägen keine Hinweise vor. Doch es dauerte sehr wohl bis zum Öffentlichwerden eines internen Polizeiberichts, dass Sorgen ob möglicherweise erst jüngst eingereister Kriegsflüchtlinge und Asylbewerber unter den – anscheinend wie eine Normalität hinzunehmenden – „nordafrikanischen Bandenmitgliedern“ nicht länger als ein Ausfluss von krankhafter Xenophobie behandelt wurden. Dabei zeigte doch gerade eine Täterschaft von lange schon in Deutschland lebenden Migranten an, in wie große Probleme eine allzu starke Einwanderung in ein Land mit allzu schwacher Integrationspotenz führt.
Das Ausmaß des bei alledem sich erweisenden Schlamassels verkleinern auch Hinweise darauf nicht, Verhaltensweisen wie die am Kölner Hauptbahnhof seien ohnehin verboten und müssten bloß polizeilich unterbunden oder gegebenenfalls bestraft werden. Denn was macht man wohl, wenn sich – durchaus auch mitbedingt durch das zahlenstarke Einwanderungsgeschehen und seine Folgen – solche Verhaltensweisen ausbreiten, auf deren Umfang und Intensität weder unsere Rechtsvorschriften noch die einsetzbaren Polizeikräfte angepasst sind? Was macht man, wenn bei massenhaften Übergriffen die individuelle Schuld angezeigter Täter vor Gericht nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden kann und deshalb junge Männer, die bekanntlich zum Austesten von Hackordnungen neigen, sich schon vorab auf die ohnehin zu erwartende Einstellung ihrer Strafverfahren verlassen, also gar keinen wirklichen Grund haben, die Polizei oder das von ihr durchzusetzende Recht praktisch ernstzunehmen? Was macht man überhaupt mit sich ungebührlich verhaltenden Migranten in einem Land, das zwar alle beherbergen will, die aufnahmesuchend seine Grenzen erreichen, das sich aber nur sehr beschränkte rechtliche Möglichkeiten zuschreibt, sogar solche Migranten wieder abzuschieben, die sich nicht wie Gäste, sondern wie Eindringlinge verhalten?
Es ist unter solchen Umständen kein Wunder, wenn viele redliche Leute – und zwar Eingewanderte nicht minder als lange schon Einheimische – allmählich dessen überdrüssig werden, dass sie beim Bekunden entsprechender Sorgen von nicht wenigen Politikern und Journalisten als unwissend oder für angemessene Einschätzungen zu dumm hingestellt werden. Es empört sie, wenn derlei Herablassung auch noch volkspädagogisch gehandhabt wird („Ihr hört jetzt gefälligst einmal zu!“) oder die Form von Vorwürfen annimmt („Da toben sich wieder einmal Eure Vorurteile aus!“). Und es führt zur sich ausbreitenden inneren Kündigung gegenüber unserer vom Anspruch her doch diskursoffenen und lernwilligen Demokratie, wenn gleich schon als Ausländerfeind oder Rassist an den Pranger gestellt wird, wer – wie unbeholfen auch immer – nur zum Ausdruck bringen will, unser Land treibe in eine falsche Richtung.
Weder eine womöglich falsche Einwanderungspolitik noch eine polemische Polarisierung unseres Landes sollten wir wollen. Und wenn von Ereignissen wie jenen in Köln gerade Rechtspopulisten und Rechtsradikale politisch profitieren, dann wäre die strategisch sinnvolle Reaktion doch in erster Linie die Korrektur einer Politik, die so abträgliche Folgen zeitigt – nämlich einesteils bei der Liberalität unserer Gesellschaft, andernteils in den Köpfen und Seelen so vieler Einheimischer und auch Zuwanderer. Zwar wird auch „Köln“ glücklicherweise nicht der Anfang vom Ende der Bereitschaft unseres Landes sein, in Not geratenen Menschen zu helfen. Doch hoffentlich erleben wir bald das Ende des Anfangs unserer naiven Einwanderungspolitik.
Bildquelle: http://www.express.de/blob/23256282/11dc854ca229ab248c29adb15ea9c1bb/14904c00a2b17e5c-data.jpg