Wasserwerfer gegen PEGIDA!

Wasserwerfer gegen PEGIDA!

Mein Mainzer Kollege Gerd Mielke – viele Jahre tätig in der Mainzer Staatskanzlei unter den SPD-Ministerpräsidenten Scharping und Beck und nun Mainzer Honorarprofessor für Landespolitik – wartete vor wenigen Tagen in einem Interview für das SWR-Fernsehen („Landesschau AKTUELL“, Rheinland-Pfalz) mit einem famosen Vorschlag auf, wie man die Dresdner PEGIDA-Demonstrationen wieder loswerden könnte:

„Wenn sich die Mengen von rechtsaffinen Kleinbürgern in Dresden in einem dreistündigen Polizeikessel erst alle mal in die Hose gepinkelt haben und abschließend mit Wasserwerfern traktiert wurden, dann haben sie für eine geraume Weile genug vom Demonstrieren“.

(Quelle: http://www.swr.de/landesschau-aktuell/rp/interview-mit-manizer-politikwissenschaftler-gerd-mielke-afd-ist-speerspitze-der-pegida-subkultur/-/id=1682/did=16440736/nid=1682/1f3r3i9/index.html)

Die Leute, die er so zu behandeln empfiehlt, schätzt er wie folgt ein:

„Pegida ist eine typisch ostdeutsche Mixtur aus autoritär geprägten Gruppen mit einer völkisch-nationalen Orientierung und einem tief sitzenden anti-libertären Misstrauen. … Pegida ist ‚Pack‘, aber im Wesentlichen ostdeutsches ‚Pack‘.

Seine Ursachendiagnose:

„Latente rechtsextreme und anti-demokratische Einstellungen schlagen unter bestimmten Stresslagen in entsprechendes Verhalten um. Jetzt können diese latenten Einstellungen auf verschiedene Faktoren zurückgehen: Persönlichkeitsfaktoren etwa bei Adornos autoritärer Persönlichkeit, Deprivation etwa bei Gurr und so weiter. Entscheidend ist jedes Mal, dass eine Erhöhung des Stresses im alltäglichen Kontext zum Anwachsen rechtsextremer oder rechtspopulistischer Strömungen führt.“

Grundsätzlich teile ich diese – von der Rechtspopulismusforschung erarbeitete – Ursachendiagnose.

Ausdrücklich hinzufügen müsste man aber drei für PEGIDA typische Stressfaktoren, die mit den Therapievorschlägen des Kollegen („sozialer Wohnungsbau, bessere Pflegeeinrichtungen und -möglichkeiten, Ausbau der städtischen Jugend- und Sozialdienste“) schwerlich abzubauen sind:

  1. der auf Deutschlands Gesellschaft lastende Stress durch die – nach Absicht der Bundesregierung: ohne jede Obergrenze weitergehende – Einwanderung samt den von ihr nachgezogenen Verteilungskonflikten. Das ist der Kristallisationspunkt der PEGIDA-Proteste.
  2. der von vielen befürchtete Stress durch Integrationsprobleme mit Muslimen, die eine Religion ernstnehmen, welche nicht nur für das Privatleben, sondern auch für den öffentlichen Raum Geltungsansprüche erhebt. Das ist für viele – nicht alle – Pegidianer ein höchst emotionaler Kern ihrer Wahrnehmung der vom Einwanderungsgeschehen bewirkten Herausforderungen.
  3. die Frustration, ja Empörung über eine politisch-mediale Klasse, die so tut, als bestünde der Kreis der PEGIDA-Demonstranten vor allem aus Trotteln und Hetzern, die von den tatsächlichen Problemen unseres Landes keine Ahnung hätten, sich einfach in radikalen Wahnvorstellungen ergingen – und deshalb jegliches Recht auf Gehörtwerden verwirkt hätten. Der Unterschied zwischen dieser Fremdzuschreibung von Eigenschaften des „typischen Pegidianers“ und der wohl so gut wie allen Demonstranten bewussten Tatsache, dass das von ihnen von Anfang an kritisierte, ungeregelte Einwanderungsgeschehen nach Deutschland ein wirkliches, kein bloß eingebildetes Problem ist, treibt viele Demonstranten zur Weißglut – und ihnen viele Sympathisanten zu.

Vor diesem Hintergrund wird klar, dass der Mainzer Kollege eine eher verkürzte Wahrnehmung des PEGIDA-Phänomens hat und eine die Tatsachen nicht so ganz treffende Vorstellung von den PEGIDA-Demonstranten hegt.

Eben deshalb kommt er auch zu einem Therapievorschlag, der – wie die Polizeieinsätze gegen die Demonstranten am Dresdner Hauptbahnhof im Oktober 1989 – genau das Gegenteil des Beabsichtigten bewirken dürfte: polizeilich einkesseln, einnässen lassen, mit Wasserwerfern traktieren. Wer so verführe, löste eine weit in die Mitte der Gesellschaft reichende Welle der Solidarisierung aus – zumal der reale Stress unserer sich allmählich ehrlich machenden Einwanderungsgesellschaft durch ein Verscheuchen der PEGIDA-Demonstranten ja nicht beseitigt wäre.

Im Übrigen will ich von einer Antwort auf die Frage absehen, von welcher inneren Haltung zu pluralistischer Demokratie und zur Freiheit politisch Andersdenkender ein solcher Handlungsvorschlag möglicherweise zeugt. Ebenso wenig mag ich eine Antwort auf die Frage suchen, wie man es wohl beurteilte, wenn PEGIDA-Redner vorschlügen, so mit ihren Gegnern zu verfahren.

Eher rate ich, bei der Kommentierung des Vorschlags meines Kollegen Folgendes zu bedenken: Wie soll er wohl, ohne je eine PEGIDA-Demonstration selbst beobachtet zu haben, zu einer tatsachennahen Einschätzung dessen kommen können, wie die Stimmung bei einer solchen Demonstration ist und was für Leute sich dort wirklich versammeln? Vielleicht anhand der Zeitungs-, Hörfunk- und Fernsehberichterstattung?

Seien wir also nicht zu streng; gut gemeint hat der Kollege seinen Vorschlag zweifellos. Ist aber vielleicht gerade das ein unsere öffentliche Diskussion über das PEGIDA-Phänomen immer mehr belastendes Problem: dass nämlich das gute Meinen und Wollen von so vielen auf recht unzulänglicher Tatsachen- und Zusammenhangskenntnis beruht – und gerade deshalb zu Handlungen führt, die meist das Gegenteil des Beabsichtigten bewirken?

 

Bildquelle: http://www.hamburg-zwei.de/var/ezflow_site/storage/images/media/images/hooligans-gegen-salafisten-koeln-wasserwerfer-polizei/46510667-4-ger-DE/Hooligans-gegen-Salafisten-Koeln-Wasserwerfer-Polizei_slider_rs.jpg

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