Sollen wir die Sanktionen gegen Russland beenden?
Nachstehend ein kleines Interview, aus dem Tag24 heute einige mir wichtige Antworten zitierte (siehe https://www.tag24.de/nachrichten/politik/international/politiker-international/wladimir-putin/wir-frieren-putin-macht-weiter-krieg-schaden-die-sanktionen-vor-allem-uns-selbst-2594361).
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Bringen die Sanktionen gegen Russland etwas oder schaden diese uns mehr als sie nützen (Stichwort: Energiekrise, Inflation)?
Wenn man Abkommen außer Kraft setzt, die einst zum wechselseitigen Vorteil geschlossen wurden, dann schadet das natürlich beiden Seiten. Das hätte man sich besser vorher überlegt. Und kostengünstiger als der – „Sanktionen“ genannt – von der EU begonnene Wirtschaftskrieg wäre es jedenfalls gewesen, die Ukraine viel früher mit solchen Waffen auszustatten, die Russland womöglich vor einer Invasion abgeschreckt hätten. Außerdem schmerzten uns die EU-Sanktionen viel weniger, wenn in den letzten Jahren Deutschland eine vernünftigere Energiepolitik und die Europäische Zentralbank keine inflationsfördernde Geldpolitik betrieben hätte. Im Übrigen wird westliche soziale Marktwirtschaft die Folgeschäden der Sanktionspolitik langfristig besser wegstecken als die russische oligarchische Staatswirtschaft.
Sollten wir die Sanktionen gegen Russland beenden? Oder wäre das moralisch verwerflich?
Ohne Folgeschäden für Ansehen und Macht der EU kann man die Sanktionen frühestens schrittweise beenden, wenn Waffenstillstandsverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine beginnen. Das wird aber erst dann sein, wenn der Kriegsverlierer feststeht oder beiden kriegführenden Ländern die Kosten des Krieges zu hoch werden. Vorher die Sanktionen gegen Russland einzustellen, wäre ein Fehler, der die EU als Papiertiger entlarvte. Bei dieser Lagebeurteilung spielt die Moral übrigens nur eine nachgeordnete Rolle – und zwar dahingehend, dass es ein Akt verwerflicher Feigheit wäre, einen aus guten Gründen begonnenen Kampf einfach aufzugeben, nur weil man sich eine blutige Nase geholt hat.
Haben in der Geschichte politische/wirtschaftliche Sanktionen gegen ein Land jemals etwas ausrichten können?
Das chinesische Reich konnten die Europäer im 19. Jh. durch politische und wirtschaftliche Sanktionen erniedrigen – doch nur, weil hinter diesen auch Europas bereitwillig eingesetzte militärische Überlegenheit stand. Napoleons Kontinentalsperre gegen England nutzte allerdings schon mittelfristig nichts, weil der Franzosenkaiser seine militärischen Möglichkeiten überreizte. Man erkennt: Um erfolgreich zu sein, können politische und wirtschaftliche Sanktionen militärische Machtanwendung immer nur flankieren, nie aber ersetzen.
Welchen Weg sollte Deutschland stattdessen bzw. zusätzlich einschlagen?
Wenn Deutschland seine Moral- und Gestaltungsansprüche ernstnehmen und sich nicht osteuropäischer Verachtung aussetzen will, muss unser Land die Sanktionspolitik der EU mittragen – und zugleich die Zeit ihrer uns selbst schädigenden Wirkung dadurch abkürzen, dass wir der weiterhin verteidigungswilligen Ukraine mehr Waffen, Munition und Aufklärungs- bzw. Führungsmittel zur Verfügung stellen, als das unser Land bisher getan hat.