PEGIDA, AfD und das „Institut für gesellschaftlichen Zusammenhalt“
Einige politisch-akademische Erlebnisse an der TU Dresden
Eigentlich könnten Akademiker, Journalisten und Politiker wissen, dass kritisierte Institutionen es bei ihren Antworten auf Kritik bisweilen mit der Wahrheit vor allem darin genau nehmen, dass sie allein das beschreiben, was zum Wunsch nach perfekter Selbstdarstellung passt. So verhält es sich auch mit der Stellungnahme der TU Dresden zu einigen Umständen meines Eintritts in den Ruhestand (https://tu-dresden.de/tu-dresden/newsportal/news/stellungnahme-zu-den-oeffentlichen-anschuldigungen-von-prof-patzelt-bezueglich-einer-nicht-genehmigten-seniorprofessur). Unredlich ist diese Stellungnahme darin, dass gerade das nicht ausgeführt wird, was als größerer Zusammenhang das tatsächlich Ausgeführte überhaupt erst verständlich macht. Also muss ich die von der TU Dresden nicht erzählte Geschichte mit zwei Jahren Abstand wohl selbst mitteilen. Vieles davon ist längst auf meinem Blog https://wjpatzelt.de dokumentiert oder lässt sich bei Zweifeln am Wahrheitsgehalt des Mitgeteilten anhand von E-Mails nachweisen.
I.
Früh im Jahr 2016 führte ich ein Gespräch mit dem Dekan der Philosophischen Fakultät. Ich bot ihm an, auch nach meiner Pensionierung im Frühjahr 2019 als Seniorprofessor für die TU Dresden in Lehre und Forschung tätig zu sein. Zugleich bat ich um Hinweise auf sinnvolle einschlägige Überlegungen und Verfahrensweisen. Der Dekan – ein Kommunikationswissenschaftler, mit dem ich jahrelang im von mir mitgegründeten „Zentrum für sozialwissenschaftliche Methoden“ bestens zusammengearbeitet hatte – erklärte seine Unterstützung. Rund ein Jahr später hatten wir ein weiteres Gespräch, in dem es um die konkrete Ausstattung der zu beantragenden Seniorprofessur ging. Auch als ich – wohl im Frühjahr 2018 – die Ergebnisse dieses Gesprächs aufschrieb und sie dem Dekan als Grundlage für einen entsprechenden, von der Fakultät beim Rektor zu stellenden Antrag zugesandt hatte, kamen von ihm keinerlei Bedenken oder Einwände.
Als es aber im November oder Dezember 2018 um die konkrete Stellung des Antrags ging, teilte mir der Dekan in einem persönlichen Gespräch mit, der Rektor habe ihn wissen lassen, dass er einen Antrag auf eine Seniorprofessur für mich nicht auf seinem Schreibtisch sehen wolle. Also werde er – der Dekan – einen solchen Antrag auch nicht stellen. Ich entgegnete, es sei das gute Recht des Rektors, einen derartigen Antrag abzulehnen; doch es gäbe keine Pflicht des Dekans, einen solchen Antrag – sozusagen in vorauseilendem Gehorsam – gar nicht erst zu stellen. Einige Tage später teilte mir der Dekan mit, nur nach einem ausdrücklichen befürwortenden Votum des Fakultätsrates werde er einen solchen Antrag auf eine Seniorprofessur für mich vorlegen.
Vorausgegangen waren dieser Lage, die sich im Januar 2019 mit einigem öffentlichen Echo Weise zuspitzte, einige Episoden einer wachsenden Gegnerschaft gegen mich, und zwar im vom mir einst als Gründungsprofessor aufgebauten Institut für Politikwissenschaft, an der Philosophischen Fakultät sowie im Verhältnis zum Rektor der TU Dresden. Ohne Kenntnis dieser Episoden sind die Umstände des Endes meiner Dienstzeit an der TU Dresden nicht zu verstehen, und genau deshalb sei nun knapp von ihnen berichtet.
II.
Begonnen hat jener Entfremdungsprozess spätestens im Januar 2015 anlässlich meiner öffentlichen Kommentare zu den im Spätherbst 2014 einsetzenden Dresdner PEGIDA-Demonstrationen. Ich machte diese Äußerungen in meiner Rolle als schon jahrelang von Fernsehen, Hörfunk und Zeitungen angefragter Gesprächspartner. Da ich im Wintersemester 2014/15 ein Seminar zur Fallstudienmethode durchführte und etliche Studierende die in dessen Rahmen erforderlichen praktischen Übungen am Beispielsfall der gerade neu aufgekommenen Dresdner PEGIDA-Demonstrationen durchführten, war ich aus den wöchentlichen Seminarberichten dieser Studierenden ziemlich gut informiert über das tatsächliche Geschehen auf den – und im Umfeld von – PEGIDA-Demonstrationen. Weil diese inzwischen bundesweit Aufsehen erregten und ich immer öfter um Interviews dazu gebeten wurde, beobachtete ich zwischen Anfang Dezember 2014 und Ende Januar 2015 auch persönlich die Dresdner PEGIDA-Demonstrationen. Anders als viele andere Gesprächspartner, die PEGIDA nur aus der Medienberichterstattung kannten, stützte ich meine Kommentare und Empfehlungen somit auf eine wochenlange empirische Begleitforschung. Diese begann im November 2014 informell-qualitativ und verdichtete sich zwischen dem Januar 2015 und dem Januar 2016 in vier quantitativen Befragungsstudien. Diese gingen methodisch auf eine von keiner anderen PEGIDA-Studie erreichte Repräsentativität der Ergebnisse aus. Die dabei erhaltenen Befunde widersprachen allerdings dem sich rasch verfestigenden Narrativ, bei PEGIDA kämen weitestgehend Nazis und Rassisten zusammen. Mit diesem Widerspruch fingen alle folgenden Probleme an.
Nazis und Rassisten muss man wirklich entgegentreten. Der Rektor der TU Dresden stellte sich denn auch von Anfang an als Person sowie als Repräsentant der Universität ausdrücklich auf die Seite derer, die – vielfach Studierende oder wissenschaftliche Mitarbeiter der TU Dresden – wöchentlich gegen PEGIDA demonstrierten. Zumindest an der Philosophischen Fakultät verbreitete sich damals die Überzeugung, man habe den gegen PEGIDA Demonstrierenden zur Seite zu stehen und sich scharf gegen PEGIDAs Positionen und Protestierer auszusprechen. Als fraglos anständig galt, wer sich in diese akademische Front einreihte – und als fragwürdig, wer dies unterließ. Ich aber sah meine vordringliche Aufgabe als Wissenschaftler in der Klärung dessen, wer denn da genau – sowie aus welchen Gründen – bei PEGIDA protestierte. Und meine Rolle als öffentlicher Intellektueller verstand ich dahingehend, ich hätte Beobachtungs- und Befragungsbefunde auch dann mitzuteilen, wenn sie den etablierten Narrativen widersprachen, und es wären sogar unwillkommene Ratschläge zur eindämmenden Handhabung des Protestgeschehens dann zu geben, wenn sie mir als zielführend erschienen.
Mein Befund für die Zeit zwischen dem Herbst 2014 und dem Januar 2016 war nun aber: Bei PEGIDA demonstrieren mehrheitlich keine Nazis und Rassisten, sondern besorgte und ob ihrer herabsetzenden Behandlung empörte Bürger. Daraus leitete ich als politische Handlungsempfehlungen ab: Man solle nach Möglichkeiten einer Rückgewinnung der sich damals bundesweit artikulierenden PEGIDA-Sympathisanten für unsere politische Ordnung suchen; und man solle sich bei der konkreten Auseinandersetzung mit PEGIDA an die bewährten Leitgedanken und Spielregeln pluralistischer Demokratie halten. Wer allerdings in den PEGIDA-Demonstranten nichts weiter als Nazis und Rassisten sah, also gerade keinen legitimen politischen Gegner, dem war meine Position natürlich zuwider. Sie wurde im akademischen, öffentlichen und politischen Diskurs auch rasch zur „politisch unkorrekten“ Minderheitsmeinung. Sie dennoch zu vertreten, brachte mir zwar über Monate viel öffentliche Sichtbarkeit ein. Sie bescherte mir aber auch – nicht zuletzt an der TU Dresden – vielerlei Gegnerschaft.
Dresdner Studierende etwa, ihrerseits eine wichtige Trägergruppe der Gegendemonstrationen zu PEGIDA, verteilten anfangs 2015 unter höchst wirksamer Medienbegleitung ein Flugblatt an der TU Dresden, in dem sie mich als PEGIDA-Verharmloser und Gegner derer darstellten, die unsere freiheitliche demokratische Grundordnung auch auf der Straße gegen PEGIDA verteidigen wollten. In Zeitungen las man umgehend vom „Aufstand“ gegen einen anscheinend nicht ganz koscheren Professor. Bald sah man an der Dresdner Universität sowie in von Studierenden bevorzugten Stadtteilen Aufkleber mit dem Aufdruck FCK PTZLT, ergänzt um das eine oder andere inhaltlich passende Graffito. In dieser Lage wurde von der Leitung des Dresdner Instituts für Politikwissenschaft eine Versammlung der Professoren, Mitarbeiter und dem Institutsrat angehörenden Studierenden einberufen. Auch den damaligen Dekan der Philosophischen Fakultät zog man bei. Diese Sitzung geriet zu einer Art Anklagetribunal, auf dem so mancher eine klare, öffentliche Distanzierung des Instituts von mir forderte.
III.
Der eben geschilderte Teil meiner Erlebnisse als Professor an der TU Dresden ist deshalb wichtig, weil im Zusammenhang damit auch die Geschichte der Verhinderung eines von mir mitgeprägten „Instituts für gesellschaftlichen Zusammenhalt“ beginnt. Gemeinsam mit Dr. Joachim Klose, dem mit mir befreundeten Landesbeauftragten der Konrad-Adenauer-Stiftung in Sachsen, war ich schon im September 2014 in einem persönlichen Gespräch beim Rektor der TU Dresden vorstellig geworden, nämlich mit dem Vorschlag, an dieser Universität ein „Zentrum für gesellschaftlichen Zusammenhalt“ zu gründen. Dieses sollte, ausgestattet mit zunächst minimaler Infrastruktur, als Plattform für die Einwerbung von Drittmitteln zu solchen Forschungen und Gesprächsrunden zwischen Wissenschaftlern, Zivilgesellschaft und politisch-administrativen Praktikern dienen, die sich den unübersehbar gewordenen Fliehkräften beim Wandel Deutschlands in der Absicht widmeten, zentrale Gefährdungen gesellschaftlichen Zusammenhalts zu erkennen und ihnen entgegenzuwirken. Für eine erste Arbeitsphase schlugen wir Forschungen und Tagungen darüber vor, wie – angesichts des Bedeutungsgewinns zumal der islamischen Religion in Deutschland – die wachsenden Spannungen zwischen den (in den neuen Bundesländern sogar mehrheitlich) religionsfrei im Lande Lebenden und der ihre Religion oft sehr ernstnehmenden muslimischen Minderheit gemindert und perspektivisch abgebaut werden könnten. Da ich Mitglied im gerade beendete Dresdner Sonderforschungsbereich „Transzendenz und Gemeinsinn“ gewesen war, lag dieses Thema auch ganz innerhalb meines Interessenhorizonts.
Im Januar 2015 sandten Dr. Klose und ich dem Rektor der TU Dresden ein detailliert ausgearbeitetes Konzept für die Zielsetzung, Arbeitsweise und erforderliche Infrastruktur des von uns angeregten Zentrums bzw. Instituts für gesellschaftlichen Zusammenhalt. Diese Initiative hatten wir wochenlang schon vor dem Einsetzen der PEGIDA-Demonstrationen vorbereitet, sahen nun unsere Einschätzungen zur wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Erforderlichkeit einer solchen Einrichtung bestätigt und gingen deshalb davon aus, bald mit dem Rektorat in zur Institutsgründung führende Gespräche eintreten zu können. Doch inzwischen waren die oben umrissenen Verleumdungen gegen mich in die Welt gesetzt worden. Wie weit sie wer aus Überzeugung, aus Opportunismus oder aus Neid ob meiner öffentlichen Präsenz kultivierte oder gar verbreitete, kann ich nicht beurteilen. Jedenfalls ließ sich Rektor der TU Dresden von diesen Verleumdungen entweder hinsichtlich seines Urteils über mich beeinflussen oder empfand zumindest Sorge, es könne ihm und der TU Dresden schaden, wenn er sich fortan mit einem angeblich „faktenfreien PEGIDA-Versteher“ seiner Universität gemein mache.
Tatsächlich blieben seitens des Rektors alle – bis in den Sommer 2015 hinein auch persönlich gestellten – Nachfragen unbeantwortet, wie es nun mit der detailliert konkretisierten Initiative von Dr. Klose und mir weitergehen werde. Dann wurde – nach meiner Erinnerung: im Herbst 2015 – an der TU Dresden bekanntgegeben, es werde alsbald ein „Zentrum für Integrationsstudien“ gegründet, und wer wolle, der könne Interesse an einer Mitarbeit bekunden. Die Möglichkeit seiner Entstehung verdankte dieses Zentrum nach meinem – freilich aus zweiter Hand stammenden – Wissen wohl einer größeren Summe, die von der CDU-geführten Sächsischen Staatskanzlei dem SPD-geleiteten sächsischen Wissenschaftsministerium zur Verfügung gestellt wurde. Dem Vernehmen nach geschah das seitens der Staatskanzlei in der Meinung, damit würde das von Dr. Klose und mir angeregte Projekt verwirklicht, für das wir natürlich auch im wissenschaftspolitischen Raum geworben hatten. Tatsächlich aber wurde diese Summe im engen Zusammenwirken zwischen dem Wissenschaftsministerium und dem Rektor der TU Dresden an den beiden tatsächlichen Initiatoren regelrecht vorbeigeschleust. Jedenfalls wurde deren Idee ohne Einbeziehung ihrer Urheber zur Verwirklichung gebracht. Mich nachträglich um eine Möglichkeit zu bewerben, an einem von mir selbst entworfenen Vorhaben mitwirken zu dürfen, lehnte ich durch – ansonsten stillschweigende – Nichtbeteiligung ab.
Dieser Strang der Geschichte ging anschließend in sehr erhellender Weise weiter. Keineswegs gab es Dr. Klose nämlich auf, nach neuen Mittelgebern für die Verwirklichung unserer Idee zu suchen. Durch die im März 2016 erfolgte Gründung des eingetragenen Vereins „Zentrum für gesellschaftlichen Zusammenhalt und Integration“ schuf er auch eine bezuschussungsfähige Organisation. Weiterhin führte er vielerlei Gespräche im vorpolitischen und politischen Raum. Über sie erreichte er es, dass im November 2016 – auf Veranlassung des damaligen wissenschaftspolitischen Sprechers der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und jetzigen sächsischen Ministerpräsidenten – in den kommenden Bundeshaushalt 37 Mio Euro zur Gründung eines „Instituts für gesellschaftlichen Zusammenhalt“ eingestellt wurden. Ausdrücklich sollte dieses Institut an einer Sächsischen Universität errichtet werden. Gemeinsam erarbeiteten Dr. Klose und ich auch gleich einen Arbeits- und Organisationsplan für dieses Institut und übergaben ihn als No-Paper zur Kenntnisnahme den Zuständigen im Bundesministerium für Bildung und Forschung.
Sobald die erheblichen, nun in Aussicht stehenden Mittel sowie die Widmung des Instituts bekannt wurden, brachten Kolleginnen und Kollegen, Journalistinnen und Journalisten sowie Politikerinnen und Politiker dieses Projekt nicht nur rasch mit Dr. Klose und mir in Verbindung, was aufgrund unserer damaligen Sichtbarkeit in öffentlichen Debatten um Migration und Integration so auch zu erwarten und völlig in Ordnung war. Sondern zugleich begann eine mediale und akademische Kampagne dagegen, dass Dr. Klose und ich uns an die Spitze eines solchen Instituts setzen könnten. Zu lesen war von der Planung eines „PEGIDA-Instituts“ oder von der drohenden Entstehung eines „rechtskonservativen Think-Tanks“, obendrein – angeblich – „ohne jedes wissenschaftliche Konzept“. Als großer Fehler erwies es sich im Nachhinein, dass Dr. Klose und ich – auf Zureden der Adenauer-Stiftung, des Arbeitgebers von Dr. Klose, und von sächsischen CDU-Politikern als den Urhebern des Geldsegens – uns zu keinem Zeitpunkt gegen diese Art übler Nachrede öffentlich zur Wehr setzten. Vielmehr verließen wir uns auf die Überzeugungskraft unseres – nach erfolgter bundesweiter Ausschreibung – jederzeit vorlegbaren Institutskonzepts.
Doch im – gewiss vorhandenen – Wissen um jene (fach-)öffentliche Kampagne, zu der auch hinter meinem Rücken veranstaltete Unterschriftensammlungen gehörten, formulierte man seitens des BMBF die Ausschreibung für einen Wettbewerb um jene Forschungsgelder so: Es solle gerade kein zentrales Forschungsinstitut entstehen, sondern ein Projektverbund; berechtigt zur Bewerbung um ein Teilprojekt seien nicht Personen, etwa Lehrstuhlinhaber, sondern nur Hochschulen; und auch diese bedürften der ausdrücklichen Unterstützung des jeweiligen Wissenschaftsministeriums auf Landesebene. Auf diese Weise war umsichtig sichergestellt, dass Dr. Klose und ich uns keinesfalls am Wettbewerb um die – von uns selbst zum Fließen gebrachten – Forschungsmittel beteiligen könnten. Ein von uns dennoch gefundener Ausweg, nämlich einen entsprechenden Antrag gemeinsam mit der – gerade nicht dem damals SPD-geführten Wissenschaftsministerium unterstellten – Sächsischen Hochschule für Öffentliche Verwaltung zu stellen, erwies sich erwartungsgemäß als nicht zielführend, weil die Forschung damals noch nicht zu den gesetzlich vorgesehenen Aufgaben jener Hochschule gehörte.
Diesem ganzen wissenschaftspolitisch wie wissenschaftssoziologisch höchst aufschlussreichen Vorgang setzte es die Krone auf, dass der Rektor der TU Dresden rasch nach dem Bekanntwerden der beim BMBF erhältlichen Forschungsmittel – und einmal mehr hinter meinem Rücken – Kontakt mit dem Dresdner Lehrstuhlinhaber für Politische Theorie aufnahm. Dieser – und keinesfalls ich – sollte eine Arbeitsgruppe leiten, die einen für die TU Dresden erfolgversprechenden Antrag auf eine Beteiligung am „dezentralen Forschungsinstitut für gesellschaftlichen Zusammenhalt“ auszuarbeiten hätte. Erst wenige Monate vor dem Abgabetermin des Antrags wurde auch ich zu dieser Arbeitsgruppe gebeten. Das Motiv bestand anscheinend darin, dass nicht seitens der TU Dresden gleich zwei Hochschullehrer mit Anträgen an die Öffentlichkeit träten, was die Erfolgschancen der Dresdner Universität natürlich mindern würde. Da Dr. Klose und ich schon einen fertigen – und natürlich bereits auf die neuen Ausschreibungsbedingungen abgestellten – Antrag ausgearbeitet hatten, die vom Rektor eingesetzte Arbeitsgruppe aber davon noch weit entfernt war, bot ich auf einer entsprechenden Sitzung aller Antragsbeteiligten unter Leitung des Rektors an, der TU Dresden den Antrag von Dr. Klose und mir zur Verfügung zu stellen. Sollte das Angebot angenommen werden, so würde ich unverzüglich in diesen die Sichtweisen und Forschungsinteressen aller Mitglieder der Arbeitsgruppe einbeziehen und meinerseits die Leitung der antragstellenden Gruppe sowie des an der TU Dresden anzusiedelnden Teilprojekts übernehmen. Dieser Vorschlag wurde nach kurzer, heftiger Debatte abgelehnt.
So kam es zu zwei Anträgen auf eine Beteiligung am dezentralen Forschungsinstitut für gesellschaftlichen Zusammenhalt, die unter Federführung Dresdner Hochschullehrer erstellt wurden. Den einen Antrag reichte die TU Dresden ein, den anderen die Fachhochschule Meißen. Beide blieben erfolglos. Ebenso wie beim „Zentrum für Integrationsstudien“ waren die zwei Urheber von später verwirklichten Ideen ausgebootet worden, und zwar im umsichtigen Zusammenwirken des Rektorats der TU Dresden mit – zumindest – dem sächsischen Wissenschaftsministerium. Genau dafür kritisierte ich öffentlich den Rektor der TU Dresden sowie das SPD-geführte Wissenschaftsministerium, und zwar mit Fug und Recht. Denn zweifellos hätte die TU Dresden sehr gute Erfolgschancen beim Vorhaben gehabt, sich zu einer zentralen Stätte der vergleichenden Erforschung von Erfolgsbedingungen und Gelingensmöglichkeiten gesellschaftlichen Zusammenhalts zu machen, wenn der Rektor schon 2015 auf das Konzept von Dr. Klose und mir eingegangen wäre und wir alle am selben Strick gezogen hätten.
IV.
Wie aber ging der Hauptstrang der Geschichte weiter? Es wandelte sich seit dem Sommer 2015 die expandierende AfD mehr und mehr zu einer rechtspopulistischen PEGIDA-Partei, und zwar vor allem in den neuen Bundesländern. Erst recht verschaffte es der AfD große Resonanz unter den bundesweit politisch sensibilisierten PEGIDA-Sympathisanten, dass einige Jahre lang so gut wie alle etablierten Parteien das Zuwanderungsgeschehen für unbegrenzbar erklärt und als für Deutschland vor allem vorteilhaft und kaum nachteilig hingestellt hatten. Als Folge dieser öffentlichen Debattenlage setzte Frühjahr 2016 jene Serie von AfD-Wahlerfolgen ein, in deren Verlauf die neue Partei bei der Bundestagswahl von 2017 zur stärksten Oppositionspartei wurde.
Meinerseits hatte ich eine solche Entwicklung lange schon befürchtet. Bereits seit den frühen 2000er Jahren hatte ich der CDU in vielen internen und öffentlichen Stellungnahmen geraten, keinesfalls rechts von sich eine „Repräsentationslücke“ entstehen zu lassen, in der sich die NPD weiter verfestigen könne oder in die womöglich eine neue Partei stoßen werde. Das wurde vielfach – auch an der TU Dresden – als Forderung nach einem „Rechtsruck der CDU“ ausgelegt. Gerade hinsichtlich der „besonders rechten“ sächsischen CDU schien eine solche Forderung aber nur jemand erheben zu können, der selbst ein besonders rechter „Erzkonservativer“ war. Als dann PEGIDA 2014/15 so große Resonanz fand, dass mancher eine neue SA aufmarschieren und die Zeit zum unbedingten Gegenhalten gekommen sah, behauptete dieser „Rechtsausleger“ in seinen Kommentaren und Interviews gar noch: Bei PEGIDA stellten Nazis und Rassisten durchaus nicht die Mehrheit; und deshalb solle man zu verhindern versuchen, dass die dort überwiegend demonstrierenden „besorgten Bürger“ sich eines Tages mit den mitprotestierenden Rechtsradikalen solidarisierten. Zu diesem Zweck solle man sie nicht allesamt als Rassisten und Faschisten beschimpfen, sondern die von ihnen vorgebrachten Anliegen anhören, dann Begründetes von rein Eingebildetem trennen, und anschließend müsse man über das erstere ins Gespräch kommen, alles letztere hingegen mit Argumenten zurückweisen. Im oben umrissenen Deutungsrahmen, der inzwischen von vielen wie zweifelsfrei zutreffend behandelt wurde, stellten aber viele – auch an der TU Dresden – diese Ratschläge hin als eine „Verharmlosung von PEGIDA“ samt dreister Zuschaustellung von sympathisierender PEGIDA-Nähe.
Und als dann die AfD rasch an politischer Stärke gewann, wurde – ganz in der Argumentationslinie dieser verbohrten Ausdeutungen meiner tatsächlichen Position – auch die folgende, von mir immer wieder vorgebrachte Argumentationskette grotesk missverstanden und blindlings zurückgewiesen: Wider viele Warnungen habe die CDU der AfD politischen Raum überlassen, dazu durchaus auch getrieben von anderen Parteien und den etablierten Medien; die ohnehin sich schon in ganz Europa ausbreitende rechte Systemablehnung habe in Gestalt und Nachahmung von Dresdens PEGIDA rechtspopulistische Protestbekundungen nun auch in Deutschland zum politischen Alltag gemacht; durch die pauschale Abqualifizierung sämtlicher PEGIDA-Sympathisanten und aller ihrer Anliegen hätten etablierte Parteien und reichweitenstarke Medien der rechtspopulistisch gewordenen AfD alsbald – und entgegen ihrer eigentlichen Absicht – in großem Umfang Anhänger und Wähler zugetrieben; und deshalb gelte es nun der AfD klarzumachen, dass sie aufgrund ihrer enormen Mobilisierungs- und Wahlerfolge fortan erhebliche Mitverantwortung für Deutschlands Demokratie und deren Stabilität trage. Dieser Verantwortung werde die AfD am besten dann gerecht, wenn sie sich von allem Extremismus und Rassismus fernhalte, auf Verbalradikalismus und Demagogie verzichte, sich in unzweifelhafter Verfassungstreue auf die völlig legitime Rolle einer parlamentarischen und außerparlamentarischen Opposition einlasse, und wenn sie mäßigend auf die sich radikalisierende Anhängerschaft der eigenen Partei einwirke.
Um genau das der Führung, den Funktionären und den Anhängern der AfD einzuschärfen, folgte ich zwischen dem Sommer 2015 und dem Herbst 2018 mehrfach Einladungen zu AfD-Veranstaltungen, nämlich als Teilnehmer von Podiumsdiskussionen oder als Referent zu den Themenbereichen direkte Demokratie, richtiges Oppositionsverhalten, Populismus und Extremismus. Ebenfalls schrieb ich in den Jahren 2015 und 2016 auf Bitten von AfD-Mitgliedern, die sich dem innerparteilichen Radikalisierungskurs widersetzen wollten, drei Gutachten: eines, in dem ich dem thüringischen AfD-Politiker Höcke Rassismus nachwies; eines, in dem ich den Antijudaismus des baden-württembergischen AfD-Abgeordneten Gedeon aufzeigte; und eines, in dem ich der neu in den sächsischen Landtag gelangten AfD-Fraktion vor Augen führte, wie sie ihre Rolle als systemloyale Opposition zum Nutzen sowohl für sich selbst als auch des Landes auszugestalten habe.
Das alles, obwohl so gut wie immer zeitnah auf meinem Blog wjpatzelt.de veröffentlicht, wurde mir – ganz wider den für jedermann durch einfaches Nachlesen erkennbaren Sinn meiner einschlägigen Texte – weithin als „AfD-Sympathie“ und als „AfD-Nähe“ ausgelegt. Die unmittelbare Folge waren – fast allesamt auf meinem Blog wjpatzelt.de dokumentierte – Störungen meiner Gastvorträge an anderen Universitäten als der zu Dresden. Im März 2017 folgte dann ein Brandanschlag auf mein Auto. Und weiterhin nahmen viele Studierende, wissenschaftliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, auch Kolleginnen und Kollegen am eigenen Institut, an der eigenen Fakultät und an der eigenen Universität, einfach nicht zur Kenntnis, was ich wirklich sagte, sondern beteiligten sich sogar selbst an jenem Verleumdungsraunen – teils wohl als opportunistische Zugehörigkeitsbekundung, teils ideologisch vernagelt.
Zum Brandbeschleuniger wurden im Spätsommer 2018 die „Chemnitzer Hetzjagden“. Ich hatte zunächst die Medienlage zu ihnen als völlig den Tatsachen entsprechend behandelt und mich einen Tag lang in sehr vielen Interviews ganz im Hauptstrom kritischer und entsetzter Kommentare geäußert. Tags darauf wollte ich aber jene Hetzjagden, die ich scharf verurteilt hatte, auch selbst sehen. Also recherchierte ich nach entsprechenden Videos. Unzufrieden mit der Belegkraft des Gefundenen, bat ich über meine Facebook-Seite ums Teilen oder Mitteilen von einschlägigem Material. Auch nach dessen Durchsicht blieb mir allerdings unklar, welches denn jene „mehreren Videos“ wären, die – nach damaliger Aussage des Regierungssprechers – der Bundesregierung vorlägen und Hetzjagden zeigten. Und weil das alles damals ein wirklich großes Thema innenpolitischer Debatte war, ging ich auf den mich erreichenden Vorschlag der Verantwortlichen der Internetplattform „Science Files“ ein, eine Online-Petition an die Kanzlerin zu starten. Deren Kern war die Bitte, die Regierung möge der Öffentlichkeit jene Videos benennen, die ihr zu den „Chemnitzer Hetzjagden“ vorlägen, und sie möge obendrein erläutern, was man seitens der Regierung unter einer „Hetzjagd“ verstünde; nur dann nämlich lasse sich jenes Urteil auch allgemein nachvollziehen, zu dem die Regierung anhand der ihr vorliegenden Videos gekommen sei. Wohl wegen ihrer höchst polemischen Präsentation, die allerdings nicht von mir veranlasst war, sondern gleich nach eigener Kenntnisnahme auf mein Verlangen hin abgestellt wurde, legten viele die ganze Petition mit etlicher Öffentlichkeitswirkung dahingehend aus, ich wolle die Tatsächlichkeit der „Chemnitzer Hetzjagden“ bestreiten, die Kanzlerin der Lüge bezichtigen und – sozusagen „wie üblich“ – Rassismus und Rechtsradikalismus verharmlosen.
Etliche Zeit später kam es dann so: Der Regierungssprecher gab bekannt, die Regierung habe ihre Aussagen allein auf die Presseberichterstattung zu den „Chemnitzer Hetzjagden“ sowie auf ein einziges Video gestützt, nämlich auf das rasch bekannt gewordene „Hase-du-bleibst-hier-Video“; und zwar wisse die Bundesregierung um die öffentliche Diskussion über die Angemessenheit des Wortes „Hetzjagd“, erachte es aber nicht als ihre Aufgabe, sich ihrerseits über die Bedeutung dieses Begriffs zu äußern. Anscheinend hatte meine öffentliche Anfrage an die Kanzlerin einen ziemlich wunden Punkt am Verhalten der Bundesregierung getroffen; und angesichts des großen öffentlichen Ansehens der Kanzlerin durfte das natürlich nicht straflos bleiben.
V.
Alle diese Entwicklungsstränge fanden dann im Januar 2019 zusammen und verknoteten sich. Damals gab – nach Rücksprache mit mir – der sächsische Landesverband der CDU bekannt, ich würde gemeinsam mit dem Generalsekretär der Sachsenunion zum Ko-Vorsitzenden jener Kommission bestellt, die das Wahlprogramm der CDU für den Landtagswahlkampf erarbeiten solle. Sofort entstand mediale Berichterstattung und Kommentierung dahingehend, die CDU habe einen Verfasser von „Geheimgutachten“ für die AfD, einen bekennenden PEGIDA- und AfD-Sympathisanten sowie bundesweit übel beleumundeten TUD-Rechtsaußen ins Boot geholt, und zwar offenbar in der Absicht, auf diese Weise einer künftigen Koalition von sächsischer CDU und AfD vorzuarbeiten. Eine solche müsse unbedingt verhindert werden; und in dieser Phase des beginnenden Wahlkampfs geschehe das am besten dadurch, dass sich jeder politisch Vernünftige von jenem Dresdner Pseudo-Wissenschaftler distanziere. Tatsächlich erhob nun sogar der langjährige Direktor der „Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung“ (Frank Richter, jetzt Mitglied der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag), mit dem ich viele Jahre lang bestens und vertrauensvoll als vom Landtag berufenes Mitglied im Kuratorium der Landeszentrale zusammengearbeitet hatte, mit großem Medienecho die Forderung, ich müsse mein Mandat unverzüglich niederlegen, weil ich es offensichtlich nicht überparteilich ausüben könne.
In genau dieser Lage fand gegen Ende Januar 2019 jene Sitzung des Rats der Dresdner Philosophischen Fakultät statt, auf der über die Einrichtung einer Seniorprofessur für mich entschieden wurde. Ich hatte um Gelegenheit gebeten, mich persönlich den erhobenen Vorwürfen stellen zu können. Dem verdanke ich nun Erinnerungen an die bizarrsten Minuten meiner akademischen Laufbahn. Nachdem ich knapp das Wesentliche vom oben Ausgeführten dargestellt hatte, fragte mich ein Neuhistoriker, ob ich denn nicht wisse, dass man auf dem heutigen wissenschaftlichen Reflexionsstand von so etwas wie „Tatsachen“ gar nicht mehr ausgehen könne. Es gäbe nämlich nur „Narrative“, und als ein Narrativ wäre das meine auch nicht besser als jedes andere. Ein Makrosoziologe hatte zuvor in einer anderen Sitzung – wie mir zu Ohren gekommen war – ausdrücklich bezweifelt, dass ich überhaupt noch auf dem Boden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung stünde. Von mir darauf angesprochen, wollte er sich hierzu nicht weiter äußern: Derlei wäre anscheinend aus einer vertraulichen Sitzung kolportiert worden, und also ließe sich ohne Nennung der Quelle nicht seriös weiterreden. (In einer anschließenden E-Mail von mir danach gefragt, ob er wirklich glaube, dass ich ein Gegner der freiheitlichen demokratischen Grundordnung wäre, schrieb er zurück, dass sich eine solche Frage nicht mit einem einfachen Ja oder Nein beantworten lasse). Und eine am Institut für Politikwissenschaft Lehrende fragte mich, wie es denn sein könne, dass ich vor Jahren abends in meinem Büro den Thüringer AfD-Fraktionsvorsitzenden Höcke empfangen hätte. Ich antwortete tatsachengetreu: Höcke habe nach meinem Gutachten, in dem ich ihm Rassismus nachwies, um ein persönliches Gespräch gebeten; ihn in einer Gaststätte öffentlich oder gar privat zu treffen, hätte ich abgelehnt; und weil ich Gespräche im Zusammenhang mit meiner zu einiger öffentlichen Wirksamkeit gelangten Berufsrolle grundsätzlich in meinem Büro führte (einst mit dem entlassenen Finanzminister Milbradt, später mit den CDU-Generalsekretären Kretschmer und Dierks, auch mit dem sächsischen Landtagspräsidenten Rößler, ebenfalls mit den späteren sächsischen AfD-Dissidenten Petry und Muster usw.), habe es auch gar keinen guten Grund gegeben, mit Höcke anders zu verfahren. Die darauf folgende Reaktion der Kolleginnen und Kollegen war im Grunde: Ich hätte das politikwissenschaftliche Institut dadurch sozusagen „entwürdigt“, dass ich dort jenen AfD-Politiker wohl nicht nur vorgelassen, sondern mich vermutlich mit ihm auch gemein gemacht hätte. Also müsse ich verstehen, dass …
Als im Ergebnis des auf dieser Sitzung erwartbar negativen Votums des Fakultätsrats das Rektorat den Medien die Ablehnung einer Seniorprofessur für mich bekanntgab, war das rasche, anfangs der TU Dresden wohl auch willkommene Echo eines, das in vielen Überschriften so klang: „TU Dresden trennt sich endlich vom Rechtsausleger Patzelt!“ Erst als auf Nachfragen, was genau mir denn vorgeworfen würde, sich die „Beweislage“ als beschämend dürftig erwies, wurde umgesteuert auf „Was soll die ganze Aufregung? Der Patzelt geht doch einfach in Pension!“
VI.
Zu klären bleibt abschließend, ob ich wirklich „Politik und Wissenschaft derart vermischt“ hätte, „dass dem Ruf der TUD und der Fakultät dadurch geschadet wurde“. Zunächst einmal wäre zu fragen, wie denn ausgerechnet ein Politikwissenschaftler verhindern könnte, dass er sich gerade als Wissenschaftler mit Politikbeschäftigt. Die Antwort kann nur lauten: Eine Entmischung von politischem Gegenstand und wissenschaftlicher Analyse lässt sich nicht bloß nicht vornehmen, sondern wäre auch völlig sinnlos. Deshalb kann der erhobene Vorwurf nur meinen, dass ich persönliche politische Ansichten als wissenschaftliche Befunde ausgegeben hätte. Dort, wo empirische Daten eine Rolle spielen, etwa bei meinen Aussagen über PEGIDA, die AfD und das Wahlverhalten in Deutschland, habe ich das nachweislich nicht getan. Dort aber, wo es um die Deutung von Befunden und um Handlungsempfehlungen geht, ist zu fragen, wie es sich denn vermeiden ließe, ausgerechnet bei Deutungen und Handlungsempfehlungen nicht auf persönliche – und dann eben auch persönlich zu verantwortende – Urteile zurückzugreifen. Und weshalb sollten von fachlicher Kompetenz getragene persönliche Urteile über Politik ausgerechnet bei einem Politikwissenschaftler unzulässig sein, während Ingenieure und Historiker solche Urteile sehr wohl äußern dürfen, solches an der TU Dresden auch taten und dafür gerade nicht kritisiert wurden? Die Rede von einer unzulässigen „Vermischung“ von Politik und Wissenschaft erweist sich entlang solcher Überlegungen als intellektuell bestenfalls dürftig.
Dann bleibt als Kernvorwurf, dass ich in der Öffentlichkeit über politische Vorgänge – konkret: über PEGIDA, die AfD sowie Deutschlands Migrations- und Integrationspolitik – gerade nicht so gesprochen habe, wie sich das viele Kollegen gewünscht hätten. Selbstverständlich ist es deren gutes Recht, mich für solche Aussagen, die sie für falsch halten, wo auch immer und wann auch immer zu kritisieren. Doch an einer Universität, die ihren (einstigen?) Leitgedanken nach eine Stätte von öffentlicher Rede und Gegenrede ist, wäre es wohl angebracht gewesen, über derlei Dissens – wenn er denn der Fakultät wirklich wichtig war – auch öffentlich zu diskutieren. Doch tatsächlich kam es seit dem Beginn der hier beschriebenen Geschichte zu keiner einzigenDiskussionsveranstaltung an der TU Dresden, an ihrer Philosophischen Fakultät oder am Institut für Politikwissenschaft, auf der die gegen mich erhobenen Vorwürfe in einer öffentlich zugänglichen Debatte in meiner Anwesenheit – oder gar: mit mir – erörtert worden wären. Dabei hatte ich meine Bereitschaft dazu mehrfach erklärt und meine Positionen auch stets öffentlich über meinen Blog und meine Facebook-Seite zur Diskussion gestellt.
Auch jene Stellungnahme der TU Dresden, um die es hier geht, verzichtete ganz darauf, zumindest beispielartig einige jener Aussagen über Politik anzuführen, oder einige meiner Politik und Wissenschaft „unzulässig vermischenden“ Handlungen zu benennen, mit denen ich „dem Ruf der TUD und der Fakultät … geschadet“ hätte. Neben der diesbezüglich bloß dunkel raunenden Wendung „unter anderem“ wusste die TU Dresden tatsächlich nur zweierlei anzuführen. Das eine war, dass ich – wie oben gezeigt: aus wirklich guten Gründen – den Rektor für sein Verhalten im Zusammenhang mit der Gründung eines „Instituts für gesellschaftlichen Zusammenhalt“ kritisiert hatte. Und das andere war, dass ich meinen „privaten politischen Blog unter der Adresse der TU Dresden bzw. des Institutes für Politikwissenschaft firmieren“ ließ. Dies als „rufschädigende Vermischung von Politik und Wissenschaft“ auszugeben, ist freilich eine höchst aparte Mischung aus Dummstellerei und Niedertracht.
Meinen Blog „Patzelts Politik“ (erreichbar unter https://wjpatzelt.de) hatte ich im Januar 2015 eingerichtet, also auf dem Höhepunkt meiner medialen Präsenz als Kommentator und Interviewpartner zu PEGIDA. Natürlich wurde ich in Fernsehen, Hörfunk und Printmedien dabei stets als „Professor für Politikwissenschaft von der TU Dresden“ vorgestellt. War wohl das schon unzulässig, jedenfalls in den Augen des diese Stellungnahme verfassenden Dekans? Immerhin tat ich bei der Einrichtung meines Blogs nichts anderes, als mich ebenfalls im – nur mühsam auffindbaren – Impressum als Professor am Institut für Politikwissenschaft der TU Dresden zu erkennen zu geben. Durchaus hatte ich kurzfristig erwogen, dort meine Privatanschrift zu nennen. Doch meine Familie riet mir davon ab, weil ich in den späten 2000er Jahren im Anschluss an eine Reihe von öffentlichen kritischen Kommentaren zur NPD im häuslichen Briefkasten ein Schreiben des Inhalts vorgefunden hatte, man wisse, auf welche Schule mein Sohn gehe. Tatsächlich sprach seitens der TU Dresden mich niemand je auf das Impressum meines Blogs an, bevor der Dekan nach diesem – sozusagen – Argumentationsstrohhalm griff. Und auch hier lohnt der Blick auf eine kleine Nebengeschichte. Sobald nämlich der Dekan verlangt hatte, ich solle den Verweis auf das Institut für Politikwissenschaft aus dem Impressum entfernen, tat ich das, setzte aber die Postanschrift der TU Dresden ein und erläuterte das dem Dekan mit dem Hinweis, angesichts des knapp zwei Jahre zuvor erfolgten Brandanschlags auf mein Auto wolle ich in dieser politisch aufgeheizten Lage meine Privatanschrift nicht gern öffentlich bekannt machen. Zunächst antwortete der Dekan per E-Mail, das verstehe er; einige Tage später äußerte er sich dann aber dahingehend, seitens der Universität könne auch die Nennung von deren Postanschrift im Impressum meines Blogs nicht geduldet werden. Ob ich also Journalisten künftig wohl untersagen soll, bei meinen Interviews oder Artikeln je wieder meine – auf Lebenszeit fortbestehende – Zugehörigkeit zur TU Dresden zu erwähnen?
VII.
Was habe ich selbst bei alledem falsch gemacht? Mir scheint: nichts als Wissenschaftler, nichts als öffentlicher Intellektueller, nichts als Bürger. Für richtig halte ich es insbesondere, mich niemals – sozusagen „zum Selbstschutz“ – an den jeweils herrschenden Mehrheitsmeinungen ausgerichtet zu haben, sondern stets bei dem geblieben zu sein, was ich meinerseits als zur Kenntnis zu nehmende Tatsachen und als sinnvolle Handlungsvorschläge erkannte. Das stellte ich stets zur öffentlichen Diskussion, und ich veränderte meine Positionen genau dann, wenn ich neue Tatsachen erfuhr oder Gegenargumente kennenlernte, die mich überzeugten.
Doch ganz falsch war es, der TU Dresden überhaupt anzubieten, nach dem Eintritt in den Ruhestand meine Arbeitskraft weiterhin in deren Dienst zu stellen. Nach einem seit 1980 nur an Universitäten verbrachten Berufsleben war mir einfach nicht klar, welchen Zugewinn es nicht nur an Lebensqualität, sondern auch an wissenschaftlichen Schaffensmöglichkeiten mit sich bringt, wenn man aller Pflichten ledig ist und nur noch Rechte hat.
Ohne meine leichtfertig begangene Torheit, eine Fortsetzung meiner Tätigkeit in Lehre und Forschung als Seniorprofessor anzubieten, hätten Kollegen, Kolleginnen und Universitätsleitung niemals eine Gelegenheit gehabt, sich in einer mich betreffenden Entscheidung als universitäre Sachwalter politischer Lauterkeit aufzuspielen oder den öffentlichen Eindruck zu erwecken, man versetze einem wissenschaftlich abgetakelten politischen Aktivisten von Rechtsaußen nun endlich den wohlverdienten Fußtritt. Dass es genau dazu kommen konnte, habe ich mir selbst zuzuschreiben.
Doch ich verachte seither alle jene Leute menschlich und intellektuell, die sich ideologisch oder opportunistisch an jenem üblen Spiel beteiligt haben, bis heute nicht ihren Irrtum einsahen und nie auf mich zukamen, um einen neuen Anfang zu machen. Mit anderen zu brechen, ist zwar nicht schön. Doch dergleichen macht – auf seine Weise – auch wieder „reinen Tisch“. An dem bin ich seither erneut an meiner wissenschaftlichen Arbeit, und zwar mit Erfolg und in heiterer Zufriedenheit.