Was Konservatismus ist – und was nicht
Am 10. November 2017 erschien im Rahmen meiner zweiwöchentlichen Kolumne in der „Sächsischen Zeitung“ der nachstehende Text, und zwar auch unter dem – von der Redaktion gewählten – etwas überpointierten Titel „Wendig wie ein Tanker. Sind Konservative dumm, weil sie erst nachher mögen, was andere schon früher schätzten?“ Man muss sich durch ihn aber nicht von seriösem Lesen abhalten lassen …
Mit „Konservatismus“ verbinden sich oft nebelhafte Gefühle. Die einen empfinden behagliches Verbleiben im Überkommenen, andere wittern ranzige Rückwärtsgewandtheit. Manche denken bei Konservatismus ans Stilllegen von Entwicklung oder an Vorliebe für Abgestandenes und Eingewecktes. Alte Leute – sagt man – werden konservativ, weil sie Neues nicht mehr begreifen und für frische Luft zu gemütlichkeitsversessen sind.
Gebildete kommen mit der Geschichte. Konservatismus entstand aus Abscheu über Nebenwirkungen der Französischen Revolution. Erst richtete er sich gegen Republik und Liberalismus, dann – völlig verbohrt – gegen Parlamentarismus und Sozialdemokratie. Auch liefen Konservative immer wieder den ihnen vorauseilenden Zeiten nach, wurden also Liberalkonservative, sogar aufrichtige Demokraten. Zeigt das nicht, wie dumm Konservative sind, da sie immer nur im Nachhinein mögen, was politisch Klügere schon viel früher schätzen? Somit ist Fortschritt links und gut, Konservatismus hingegen rechts und schlecht. Klar also, was man nicht zu sein hat.
Dann gibt es noch Konservatismus als Arroganz oder Bräsigkeit der Macht. „Das haben wir noch nie gemacht, da könnte ja ein jeder kommen!“ – so klingt, wer sich in Machtstellungen eingehaust hat. Die Beweglichkeit eines Tankers für das Maß sinnvollen Wandels haltend, übersehen solche Leute leicht das Großwerden von Widersprüchen zwischen sozio-ökonomischer Basis und politischem Überbau, zwischen den im Land schon länger Lebenden und ihren Regenten. Oft heucheln sie einander zu, es wäre alles gut; also brauche es weder Umdenken noch Protest gegen das System. Doch solche Filterblasen wechselseitigen Schönredens platzen immer wieder, und das ist auch gut so.
Was aber ist Konservatismus im besten Fall? Ein besonderes Verhältnis zur Wirklichkeit, bei dem sich das behauptet Bessere zu rechtfertigen hat, nicht das bewährte Bestehende. Bei dem aber zugleich gewusst wird, dass es immer wieder Reformen am Hergebrachten braucht, ja auch ganz Neues, falls in einer sich wandelnden Wirklichkeit weiterhin jene Verlässlichkeit bestehen soll, ohne die das Leben ziemlich schwierig wird. Konservatismus ist – so besehen – eine dialektische Haltung, in der man angesichts einer Antithese gleich schon zur Synthese vorausdenkt.
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