Zum AfD-Buch von Melanie Amann

Zum AfD-Buch von Melanie Amann

Die SPIEGEL-Redakteurin Melanie Amann hat unlängst ein gut 300seitiges Buch über die AfD vorgelegt: Angst für Deutschland. Die Wahrheit über die AfD: Wo sie herkommt, wer sie führt, wohin sie steuert (München: Droemer, 2017, 317 Seiten).

Am Montag führte ich darüber mit „Sputniknews“ das folgende, nachstehend leicht redigierte Interview (https://de.sputniknews.com/…/20170321314971363-angst-deuts…/).

 

SN: Herr Professor Patzelt, in dem Buch Angst für Deutschland schreibt Melanie Amann, dass sie in den bald vier Jahren als AfD-Berichterstatterin mehrmals versagt habe. Immer wieder habe sie Entwicklungen der Partei falsch eingeschätzt. Denken Sie, dass ihr mit diesem Buch also eine Korrektur gelungen ist? Warum sind Amanns Prognosen nun zuverlässiger?

WJP: Mir scheint, dass das eine ziemlich faire und um Sachlichkeit und um das Erkennen tatsächlich vorhandener Züge bemühte Darstellung der AfD und ihrer inneren Dynamik ist. Man sieht dem Buch an, dass Vorurteile, die üblicherweise dieser Partei gegenüber gehegt werden, hier so gut wie völlig fehlen.

SN: Auch wenn das Buch ja versucht, die Phänomen AfD zu verstehen und zu erklären, ist ein genereller Unterton vorhanden, ja, gewissermaßen ein Verständnis, wie man am besten mit der AfD umgehen sollte. AfD-Politiker würden ja nur – wie es auch der Titel schon sagt – Stimmen mit Ängsten einfangen. Ist dieser Ton dem Thema angemessen?

WJP: Natürlich fängt ein AfD-Politiker Stimmen auch mit Ängsten und mit Zukunftssorgen ein! Insofern ist die Beschreibung korrekt; und ab und zu merkt man, dass nicht ein persönlicher Freund dieser Partei den Text verfasst hat. Aber innerhalb einer fraglosen allgemeinen Gegnerschaft der Partei gegenüber ist es ein sehr fairer und die Zustände und Entwicklungen gut abbildender Text – der noch dazu den Vorteil hat, dass er ja an manchen Stellen wie ein Krimi gelesen werden kann.

SN: Man erfährt viele Einzelheiten und Details in dem Buch. Interessant war für mich die Zusammenarbeit zwischen Björn Höcke und dem Publizisten Götz Kubitschek und die Aussage, dass Kubitschek selbst wohl hinter der „Erfurter Resolution“ gesteckt hat, welche er dann anschließend auch kommentiert hat. Gab es für Sie als Experten auch Einblicke oder Geschichten, die Sie interessant fanden, sogar überrascht haben?

WJP: Auf der Faktenebene hat mich nichts sonderlich überrascht. Dass man nun genauer sieht, was denn genau wie abgelaufen ist, wie etwa in der Rekonstruktion der Ereignisse um den Essener Parteitag herum: Das war für mich der große Zugewinn. Und dass Empfindungen, was denn da bei der AfD womit in Spannung sei, dass das nun auch klar beschrieben worden ist und man dafür präzise Worte fand, etwa auch zu den Strömungen innerhalb der AfD: Dass fand ich für mich selbst sehr belehrend.

SN: Amann sieht zwei Lager in der AfD, die Nationalisten um Höcke und Gauland und die Pragmatiker um Petry und Pretzell. Könnte es da zu weiteren Spannungen kommen? Immerhin hat Frauke Petry ja schon ein Parteiausschlussverfahren gegen Björn Höcke angestrengt.

WJP: Ja, die Spannungen und die Auseinandersetzungen um die richtige Linie, die gehen ganz ohne Zweifel weiter. Und das Verfahren zum Ausschluss von Höcke schwebt ja im Grunde, weil die Zustimmung des entsprechenden Thüringer Landesschiedsgerichts nicht so einfach zu bekommen ist. Die AfD ist eben eine Partei im Werden. Sie hat noch nicht ihre endgültige Gestalt und ringt immer noch um den richtigen Kurs; und die Leute, die für bestimmte Ziele eintreten, müssen erst noch ihre Machtstellung abklären. Die AfD ist also nichts Festes – und das versteht die Autorin auf eine ganz vorzügliche Weise dem Leser vor Augen zu führen.

SN: Ist die AfD tatsächlich wie die Autorin schreibt vor allem ein Produkt äußerer Umstände? Sprich Flüchtlings- und Eurokrise…

WJP: Es ist schon so, dass es auch früher eine Reihe von Versuchen gegeben hat, rechts der Union eine neue Partei entstehen zu lassen. Bei all diesen Parteien waren die Umstände aber nicht so, dass sich der Erfolg halbwegs verlässlich einstellen konnte. Anders war es im Fall der AfD. Hätte es etwa die große Flüchtlingskrise der Jahreswende 2015/16 nicht gegeben, dann würde auch die AfD mit großer Wahrscheinlichkeit nicht dort stehen, wo sie jetzt steht. Es ist also die AfD schon auch ein Ergebnis von äußeren Umständen. Und zu denen gehört ganz wesentlich, dass die Union darauf verzichtet hat, den rechten Rand weiterhin fest einzubinden – beziehungsweise: zwischen sich und dem rechten Rand möglichst keinen politischen Spielraum zu lassen.

SN: „Wie niemand sonst hat aber Angela Merkel der AfD geholfen“. Würden Sie diese These von Melanie Amann auch so sehen?

WJP: Das sehe ich genauso. Und wenn man – wie ich – eine Gleichsetzung von AfD und PEGIDA vollzieht, dann könnte man im Grunde der CDU-Vorsitzenden die Ehrenmitgliedschaft antragen: Sie hat nämlich PEGIDA und der AfD einesteils durch unnötig fehlerhafte Politik, andernteils durch unnötig intransigentes Auftreten großen Zulauf beschert, wo dies vermeidbar gewesen wäre.

SN: Der letzte Teil des Buches „Angst für Deutschland“ ist dem Umgang mit der AfD gewidmet. Ganz kurz zusammengefasst: Gefühle soll man da zeigen und am Ball bleiben. Sind die vorgeschlagenen Strategien zweckdienlich?

WJP: Die Strategie, die im Grunde empfohlen wird, ist: Die AfD nicht sich vor sich hin entwickeln zu lassen, sondern sich mit ihr in inhaltliche Auseinandersetzungen zu begeben – und dabei nicht zu glauben, dass allein rationale Argumente bei einer solchen Auseinandersetzung weiterbringen, sondern dass es auch darauf ankommt, das Gefühl derer anzusprechen, mit denen man – oder um die man – streitet. Das sind vollständig richtige Vorschläge. Das Schlusskapitel habe ich auch deshalb mit besonders großem Vergnügen gelesen, weil es genau das im Umgang mit der AfD und mit rechtspopulistischen Bewegungen vorschlägt, was ich seit langer Zeit selbst vorschlage – und zwar gegen vielerlei Kritik. Mir scheint also, dass dieses Kapitel eine gute praktische Hinweissammlung ist, die sich an eine sachgerechte Analyse anschließt.

SN: Herr Prof. Patzelt, in dem jüngsten ZEIT-Interview mit dem Papst stellte der Journalist eine Frage, die auf einer renommierten Biografie beruhte, der Papst erwiderte allerdings, dass diese Geschichte so gar nicht stimmen würde. Ja, wie sehr kann man denn so einem Buch trauen?

WJP: Nachdem die ganze Schreibhaltung hier nicht die üblicherweise der AfD gegenüber eingenommene ist, nämlich vor Häme triefend, vor Kritik strotzend, auf jeder Seite den Unwillen des Autors über seinen Gegenstand spüren lassend, sondern eine zwar mit einer klaren Position versehene, sich ansonsten aber um ein klares Urteil bemühende, meine ich, dass man sich sehr weitgehend auf die dargestellten Dinge verlassen kann. Dass im Einzelnen auch ein gut recherchierender Journalist manches falsch wahrnimmt und einige Zusammenhänge nicht vollständig richtig rekonstruiert, das kann immer mal vorkommen. Ich hatte aber beim Lesen nie den Eindruck, dass hier absichtlich mit falschen Fakten in „alternativer“ und unredlicher Weise umgegangen würde.

SN: Sie würden also eine Leseempfehlung für „Angst für Deutschland“ abgeben?

WJP: Wer begreifen will, was die AfD ist, und wer sie von innen her verstehen will, der wird an diesem Buch noch längere Zeit nicht vorbeikommen.

 

Bildquelle: https://www.google.de/search?q=amann+afd&rlz=1C1NIKB_deDE570DE570&source=lnms&tbm=isch&sa=X&ved=0ahUKEwiF_bGu2JLUAhWHsxQKHfzFDgAQ_AUICygC&biw=1536&bih=711#tbs=isz:l&tbm=isch&q=afd&imgrc=sVdiwbjXoObKpM:

Diese Website nutzt Cookies. Bei Weiternutzung dieser Seite, erklärenden Sie sich mit der Nutzung von Cookies einverstanden.