vorsitzender vom eigenen ausschuss abgewählt

vorsitzender vom eigenen ausschuss abgewählt

Heute wurde – wie seit Tagen angekündigt – der AfD-Abgeordnete Stephan Brandner als Vorsitzender des Rechtsausschusses des Bundestags von seinen Kolleginnen und Kollegen abgewählt. Dergleichen gab es in der Geschichte dieses Parlaments noch nicht.

1. Zur Rechtslage

Zum Verständnis des Gesamtvorgangs ist zu wissen hilfreich, dass a) Ausschussvorsitze im Bundestag den einzelnen Fraktionen proportional zur deren Stärke zustehen; b) die Zuweisung der Vorsitze an die Fraktionen ausgehandelt wird; c) jede Fraktion für ihr zustehende Ausschussvorsitze einen Personalvorschlag macht, dem der Ausschuss in der Regel ohne Wahlakt folgt; d) auch Ausschussvorsitzende, wie alle Inhaber parlamentarischer Funktionen, dann abgewählt werden können, wenn eine Mehrheit im entsprechenden Gremium sich wegen ihrer Amtsführung oder ihres außerparlamentarischen Verhaltens dazu entscheidet. Im Fall einer Abwahl übernimmt der jeweilige stellvertretende Vorsitzende bis auf weiteres das Amt. Der für die Besetzung des Ausschussvorsitzes zuständigen Fraktion steht das Recht zu, aus ihren Reihen einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin zu benennen. Ob diesem Vorschlag dann gefolgt oder ein ausdrücklicher Wahlakt verlangt wird, steht im Belieben (der Mehrheit) des Ausschusses. Eine Pflicht zur Wahl des Vorgeschlagenen besteht nicht.

2. Meine persönliche Bewertung

Abgeordnete üben ein herausgehobenes öffentliches Amt aus, parlamentarische Amtsträger erst recht. Sie alle haben sich anschließend amtsangemessen zu verhalten und zu äußern. Die Fortsetzung von Stammtischgerede oder Internet-Geschimpfe gehört dazu nicht.

Einfachen Abgeordneten kann man bei alledem einen größeren Fehlerspielraum zugestehen als Mandatsträgern mit parlamentarischen Führungsfunktionen. Ohnehin kann man einfache Abgeordnete allein durch Fraktionsausschluss oder Nichtwiederaufstellung als Kandidat für unangemessenes Verhalten bestrafen. Hingegen vermag man von Kollegen gewählte Amtsinhaber auch abzuwählen, wenn sie ihrer Rolle nicht gerecht werden oder nicht gerecht zu werden scheinen.

Eben eine so begründete Abwahl hat sich heute im Bundestag hinsichtlich des – nunmehr ehemaligen – Vorsitzenden des Rechtsausschusses vollzogen. Die Begründung für diese Abwahl scheint mir schlüssig zu sein, obwohl jeder nicht-naive Beobachter sie überdies als einen weiteren Zug im – auch ohne Fehlverhalten eines AfD-Ausschussvorsitzenden erwünschten – „Kampf gegen die AfD“ zu erkennen vermag.

Für AfD-Parlamentarier dürften der heutige Akt und die ihm vorangehende Diskussionen eine Lehre sein: Schlagkräftige Opposition und scharfe Reden sind Ordnung, und gewiss selbst dann, wenn sich die Angegriffenen über das alles ärgern; doch auch Oppositionelle oder Empörte haben sich an Benimmregeln für Parlamentarier zu halten – und das gilt selbst dann, wenn diese Regeln entlang unterschiedlicher Maßstäbe für  Freunde oder Gegner oder voller parteiischer Schadenfreude durchgesetzt werden sollten. Außerdem hat gerade eine Partei wie die AfD, welche für sich „Bürgerlichkeit“ in Anspruch nimmt, selbstgesetzten „bürgerlichen“ Maßstäben des Redens, Tuns und Unterlassens auch ihrerseits gerecht zu werden. Also sollten AfD-Politiker in der jetzt gegebenen Lage besser auf öffentliches Klagen verzichten, sehr wohl aber hinzulernen – und dann fraktions- und parteiintern für ein möglichst allzeit angemessenes Verhalten ihrer Parlamentarier oder sonstigen hervorgehobenen Parteimitglieder sorgen.

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