Bemerkungen zu „Kirchen und Rechtspopulismus“

Bemerkungen zu „Kirchen und Rechtspopulismus“

Auch die Kirchen beteiligen sich am „Kampf gegen rechts“ – bis hin zum Ausschalten von Kirchenbeleuchtungen, wenn in der Nähe Rechte demonstrieren. Ist das richtig – oder gar alles, was Kirchen in diesem Zusammenhang tun können? Darüber führte das Kölner Domradio aus Anlass des Erscheinens von „AfD, Pegida und Co.: Angriff auf die Religionen“ (Herder-Verlag 2017) mit mir ein Interview. Leicht redigiert findet es sich nachstehend (Quelle: https://www.domradio.de/themen/kirche-und-politik/2017-01-16/politikwissenschaftler-kritisiert-kirchenumgang-mit-populismus).

Politikwissenschaftler kritisiert Kirchenumgang mit Populismus

Der Politikwissenschaftler Werner J. Patzelt fordert von den Kirchen einen anderen Umgang mit Rechtspopulisten. „Es wäre schon eine Aufgabe von den Kirchen, den verlorenen Schafen nachzugehen“, sagte er gegenüber domradio.de

domradio.de: In dem an diesem Dienstag erscheinenden Buch „AfD, Pegida und Co.: Angriff auf die Religionen“ haben Sie sich mit dem Verhältnis von Kirche und Populismus beschäftigt. Wie müssen die Reaktionen auf den wachsenden Populismus von Seiten der Kirchen aussehen, um effektiv zu sein?

Professor Werner J. Patzelt (Politikwissenschaftler an der TU Dresden): Zunächst einmal müssen wir begreifen, dass Populismus nicht nur aus gesellschaftlich verbreiteten Dummheiten und Vorurteilen entsteht. Wesentlich entwickelt es sich dann, wenn sich sehr viele Menschen in der Bevölkerung in ihren Sichtweisen, Anliegen und Sorgen nicht mehr von der politisch-medialen Elite vertreten fühlen. Dann protestieren die Leute gegen das etablierte politische System.

domradio.de: Politisches System, also die Demokratie?

Patzelt: Viele sind unzufrieden damit, wie unsere Demokratie funktioniert. Viele Leute wünschen sich von der Demokratie, dass sie mehr auf deutlich geäußerte Bürgerwünsche eingeht. Entzündet hat sich das Thema an der Einwanderung insbesondere von Muslimen. Deren Religion findet hier wenig Wertschätzung. In Ostdeutschland hat das hauptsächlich damit zu tun, dass eine sich selbst ernstnehmende Religion auf eine religionsfrei gewordene Gesellschaft stößt.

domradio.de: Das heißt, die Politik hat eine große Mitverantwortung für diesen erstarkenden Rechtspopulismus? Es spielt aber auch eine entscheidende Rolle, dass zum Beispiel die Menschen, die zu uns kommen, anderen Glaubens sind?

Patzelt: So ist es. In Deutschland hat man sich ja an die Vorstellung gewöhnt, dass Glaube und Religion etwas Altmodisches sind und dem modernen, freiheitlichen und zukunftsorientierten Denken widersprechen. Daher soll Religion nach Möglichkeit ein flaches Profil haben und das Denken der Menschen nicht mehr prägen.

Nun kommt aber mit dem Islam eine Religion in unsere Gesellschaft, die sich ernst nimmt. Für die Muslime – insbesondere für diejenigen, die geflüchtet sind – ist die Religion wichtig, weil sie ein Stück Heimat transportiert. Damit wird unsere Gesellschaft nicht fertig.

domradio.de: Die ganze Gesellschaft?

Patzelt: Jene, die am besten intellektuell und emotional damit fertig werden können, sind Menschen, die selbst religiös sind. Religiöse Menschen – zum Beispiel praktizierende Christen – begreifen, dass der Islam für Muslime genauso ihr Dasein erfüllt und Sinn spendet, wie bei praktizierenden Christen ihr Glaube. In Gebieten, wo es wenige bis gar keine aktiven Christen gibt, wird die Islamophobie deshalb besonders aufgebauscht. Das lässt sich zum Beispiel in Ostdeutschland beobachten.

domradio.de: Heißt das, dass das von Ihnen erwähnte flache Profil der christlichen Kirchen einfach versuchen sollte, sich zu schärfen und zu stärken?

Patzelt: Es könnte nicht schaden, wenn Christen wieder das wären, was man biblisch als das „Salz der Erde“ bezeichnet. Stattdessen habe ich den Eindruck, dass viele Kirchen den bequemen institutionellen Kurzschluss suchen.

Das heißt: Kirchenführer verbinden sich mit politischen Führern und machen sich zu spirituellen und transzendentalen Handlangern politischer Gestaltungsarbeit. Das ist nicht nur im evangelischen, sondern auch im katholischen Bereich sichtbar. Das führt dann innerhalb der Glaubensgemeinschaften leicht zu einer Entfremdung zwischen Kirchenvolk und Kirchenführung.

domradio.de: Können Sie dafür ein Beispiel nennen?

Patzelt: Die evangelischen Kirchen haben sich weitestgehend mit der Einwanderungspolitik der Bundesrepublik identifiziert. Das hat innerhalb der evangelischen Kirche Revolten gegen allzu rot-grüne Kirchenleitungen nach sich gezogen hat und pietistischen oder freikirchlichen Tendenzen Aufschwung gegeben. Im katholischen Bereich bleibt abzuwarten, ob sich Ähnliches ergeben wird.

domradio.de: Was muss die katholische Kirche tun, um Kante gegen Rechtspopulisten zu zeigen?

Patzelt: Die katholische Kirche – wie überhaupt jede christliche Kirche – muss Kante gegen Unmenschlichkeit zeigen. Ob sich die Unmenschlichkeit rechtspopulistisch, linkspopulistisch oder sonst wie äußert – das ist zweitrangig. Ansonsten tut die Kirche gut daran zu wissen, dass das Reich Gottes nicht von dieser Welt ist. Politische Aufgaben sind deshalb nicht von der Kirche zu bewältigen, denn die Politik ist für andere Bereiche zuständig als die Religion.

Was konkret politisch Verirrte – derzeit oft Rechtspopulisten – betrifft, schadete es nicht, sich das Beispiel vom guten Hirten und dem verirrten Schaf vor Augen zu führen (Lukas 15, 4-7). Es wäre schon eine Aufgabe von Kirchen, den verirrten Schafen nachzugehen und sie wieder einzufangen, statt zu sagen: Die sind ohnehin weg. Oder gar: Wir geben diesen verirrten Schafen noch einen Fußtritt, damit sie in die Bedeutungslosigkeit oder sonst wohin abstürzen. Hier scheinen mir die christlichen Kirchen nicht immer die richtigen Reaktionsmuster an den Tag gelegt zu haben.

Das Gespräch führte Uta Vorbrodt.

Am Dienstag erscheint das Buch „AfD, Pegida und Co.: Angriff auf die Religionen“ im Herder-Verlag. Es enthält Aufsätze unter anderem vom Kölner Kardinal Wölki und dem Politikwissenschaftler Professor Werner Patzelt von der Technischen Universität Dresden.

 

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