AfD und PEGIDA

AfD und PEGIDA

Gestern Abend fand auf Dresdens Neumarkt eine Demonstration der AfD statt. Deutschlands Flüchtlingspolitik war ihr zentrales Thema, „Merkel muss weg“ ihre Kernbotschaft. Die „Sächsische Zeitung“ schrieb heute von „mehrere(n) hundert Teilnehmer(n)“. Es könnten auch zehn- oder elfhundert, gar etwas mehr gewesen sein …

Weil mich das ZDF zu einem Interview für seine Berichterstattung über diese Demonstration gebeten hatte, war Anlass zur Beobachtung der ganzen Veranstaltung gegeben.

Sie erinnerte stark an PEGIDA-Demonstrationen zu jener Zeit, da deren Teilnehmerzahl längst nicht so groß wie später war. Gleich war – mit Blick auf jetzige Demonstrationen – das Ritual aus Eröffnungsreden, Demonstrationszug und Abschlussrede; gleich waren die Rufe „Merkel muss weg!“ (an Häufigkeit weit an der Spitze), gefolgt von „Widerstand!“, „Wir sind das Volk!“ und – nicht allzu häufig – „Lügenpresse“. Etliche Bundesflaggen sah man, auch eine Wirmer-Fahne. Im Mittelpunkt der Reden stand die Entrüstung über deutsches Laissez-faire in Einwanderungsdingen sowie die Empörung über jenen Verlust des Daheimseins im eigenen Land, der als Folge des so außerordentlich starken Einwanderungsgeschehens befürchtet wird.

Gegendemonstranten gab es nicht, Anzeichen für von den Demonstranten ausgehende Gewalt ebenfalls nicht. Sehr viele Teilnehmer könnten auch schon bei PEGIDA-Demonstrationen gewesen sein; kaum einen hätte man mit guten Gründen als rechtsradikal, gar als rechtsextrem einschätzen können. Und wären die Redner bei PEGIDA nicht die Simons und Pirinçcis oder auch Festerlings, sondern jene von der gestrigen AfD-Demonstration, so fänden bei PEGIDA weniger die radikalen Demonstranten ihre emotionale Befriedigung, sondern vor allem jene, die einen Politikwechsel in Einwanderungsfragen erzwingen wollen.

Diesbezüglich gibt es jedenfalls in großer Breite politische Interessen und Ziele, die von den bislang staatstragenden Parteien nicht vertreten werden. Ausweislich demoskopischer Befunde scheinen diese Interessen und Ziele auch deutlich mehr Anhänger zu haben, als zu PEGIDA gehen wollen oder sich trauen, bei der AfD gesehen zu werden. Die steigenden Herausforderungen, vor die uns die anhaltende Einwanderung nach Deutschland stellt, dürften deren Anhängerschaft sogar weiter wachsen lassen – und zwar nachhaltig, weil kurzfristig nicht behebbare Schwierigkeiten sich gewiss bei der Verwirklichung der Forderung auftun werden, die Einwanderer in unsere Gesellschaft auch zu integrieren.

Es wird also spannend zu beobachten sein, wie sich auf der einen Seite PEGIDA und die AfD, auf der anderen Seite Linke, Grüne und SPD sowie – zwischen beiden Lagern eingeklemmt – die Union im Lauf des Winters weiterentwickeln werden. In knappen Zügen habe ich dieses Problemfeld vor einigen Tagen bei einem Interview mit einem Internet-Magazin umrissen. Es findet sich, mit einigen – wir mir scheint: tendenziösen – Vorbemerkungen eingeleitet, unter folgendem Link: http://web.de/magazine/politik/afd-politischer-arm-pegida-partei-gefaehrlichem-rechtsruck-31009902. Nachstehend gebe ich, leichter Erreichbarkeit wegen, den bloßen Interviewtext wieder:

 

Herr Patzelt, aus Ihrer Perspektive, entwickelte sich die AfD zu einer Art RAfD, also einer rechten Alternative für Deutschland?

Werner J. Patzelt: Die AfD steht im politischen Spektrum rechts von der CDU. Und klar rechts verorten sich die meisten Pegida-Demonstranten. Wenn man sie nach ihren Wahlabsichten fragt, falls am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre, geben mit Abstand die meisten an, sie wollten die AfD wählen. Das heißt, die AfD könnte sich als jene Partei aufstellen, die den Pegida-Sympathisanten eine politische Heimat gibt. Die CDU will das nicht. Und tut es nicht die AfD, dann dürfte die NPD um die Stimmen von Pegida-Sympathisanten werben. Soll man es wirklich so weit kommen lassen?

Welches Potenzial sehen Sie denn für die AfD?

Die AfD ist die Partei, die jenes politische Niemandsland zu besiedeln angefangen hat, dass die CDU mit ihrer Sozialdemokratisierung aufgegeben hat. Der Spielraum der AfD hängt ganz wesentlich davon ab, wie sich die CDU zum rechten Rand hin positioniert. Wenn die CDU weiterhin alle, die sich als konservativ oder deutlich rechts verstehen, in ihrer dritten und vierten Reihe kaltstellt, dann wird das Potential der AfD durchaus in den zweistelligen Bereich ansteigen. Sollte sich die CDU aber so aufstellen wie früher, nämlich mit der Absicht, rechts von ihr ohnehin keinen Spielraum für eine demokratische Partei zu lassen, dann schrumpft der Spielraum der AfD. Die Union wird ihren Kurs aber nicht mehr allzu lange im Ungefähren lassen können, denn die AfD scheint sich zu stabilisieren, ja wieder zu wachsen – sowohl an Mitgliedern als auch an Wählerattraktivität.

Droht also ihrer Meinung nach der CDU und Angela Merkel mit der AfD ein ähnliches Schicksal wie der SPD mit der Links-Partei? Man hat ja damals Gerhard Schröder vorgeworfen, dass er mit der Verabschiedung der AGENDA 2010 agiert wie ein konservativer Kanzler?

Genau so ist es. Der Bundeskanzler Schröder hat jene Politik gemacht, die eigentlich schon Bundeskanzler Kohl machen wollte, die damals aber am Widerstand der SPD gescheitert ist. Durch solches Einschwenken auf CDU-Positionen hat Schröder die Machtaussichten der SPD für längere Zeit geschmälert. Die Kanzlerin wiederum macht in der Flüchtlingsfrage jene Politik, die sich SPD und Grüne wünschen, die aber von einem nicht unerheblichen Teil der Bevölkerung und einem sehr großen Teil der CDU abgelehnt wird. Das unterminiert die Vorherrschaft der CDU im politischen Raum rechts der Mitte – und zwar nachhaltig, falls nicht die CDU-Vorsitzende ihren Kurs ändert oder die CDU ihr Führungspersonal erneuert.

Nun genießt ja Frau Merkel für Ihre Flüchtlingspolitik überwältigenden Zuspruch von sehr großen Teilen der Gesellschaft und war sogar für den Friedensnobelpreis im Gespräch – von einer breiten Ablehnung ihrer Politik kann doch gar keine Rede sein, oder?

Angela Merkel wird von denen gefeiert, die sie am Wahltag nicht wählen werden, nämlich von Grünen, SPD, ja auch Linken. Davon hat die CDU am Wahltag nichts. Und deshalb werden sich sehr viele CDU-Mandatsträger überlegen, was sie künftig an ihrer Vorsitzenden und Kanzlerin haben werden: Aufwind – oder ein Bleigewicht.

Wie weit wird ihrer Meinung nach die AfD nach rechts rücken? – Ihr ehemaliger Vorsitzender Bernd Lucke, der ja eher nicht im Verdacht steht ein Linker zu sein, distanziert sich ja mittlerweile sehr offen von seiner einstigen Partei.

Wir wissen nicht, wo ein Endpunkt sein wird. Mir scheint das von drei Faktoren abzuhängen. Erstens: Wieviel Spielraum lässt die CDU der AfD? Wenn die CDU weiter einen sozialdemokratisch-grünen Kurs fährt, dann entsteht für die AfD eine große Spielfläche hin zur politischen Mitte.

Zweitens: Wie geht es mit der Einwanderungspolitik und den damit verbundenen Problemen weiter? Sollten die Kommunen im Verlauf des Winters die Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten nicht mehr vernünftig organisieren können und sollte dann der Staat zu Mitteln wie der Zwangseinweisung von Geflüchteten in Ferien- und Zweitwohnungen greifen müssen, dann kann gerade die einwanderungsskeptische AfD unglaublichen Zulauf bekommen, ja womöglich eine kleine Volkspartei werden.

Und drittens: Wie fängt die AfD jene ein und diszipliniert sie, die womöglich auch bei der NPD sein könnten oder klar rechtspopulistische Positionen vertreten? Denn Rechtspopulismus oder gar Rechtsradikalismus werden in Deutschland von jeder politischen Bühne gefegt. Und solche Leute haben bislang schon dem Ansehen der AfD extrem geschadet.

 

 

Bildquelle: http://afdsachsen.de/anlagen_db/info/457.jpg

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