Würdelose Union

Würdelose Union

Der nachstehend Text erschien als Podcast und in Schriftversion
am 10. Oktober 2021 auf „Hallo Meinung“.

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Würdelos. Das ist das richtige Wort dafür, wie die Politiker der Union mit ihrem Spitzenkandidaten Laschet umgehen, mit ihrer Partei umgehen, mit sich selbst umgehen. 

Da haben die Delegierten der CDU zweimal verhindert, dass ihre Partei einen Alternativkurs zu dem der Kanzlerin einschlug. Dafür wählte man AKK und Armin Laschet. Von denen nämlich versprach man sich eine Fortsetzung der Merkelschen Politik. Doch bald schon wurden beide wie politischer Abfall behandelt, als sie – auf unterschiedliche Weise – die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllten. Dabei sorgten sie wirklich nur für die Kontinuität des Merkel-Kurses, scheiterten allerdings genau deshalb. Doch wieso lädt man die Schuld dafür nur bei den Gewählten ab, nicht aber bei denen, die AKK und Laschet gegen starken innerparteilichen Widerstand, insbesondere des Parteifußvolks, einst durchgesetzt haben? Man kommt wohl kaum am Schluss vorbei, dass es der Wagen namens CDU gar nicht mehr verdient, überhaupt von jemandem gezogen zu werden.

Da hat die CDU ihre Kanzlerin jahrelang eine christdemokratische Position nach der anderen aufgeben lassen, um lieb Kind beim grünen und sozialdemokratischen Zeitgeist zu werden und zu bleiben. Da hat die CDU zugesehen, wie die Kanzlerin angesichts des inhaltlich von ihr verursachten Niedergangs der Union zwar den Parteivorsitz abgab, das Kanzleramt aber behielt – und somit ihren Nachfolgern an der Spitze der CDU jede Chance nahm, mit einem Bonus als Regierungschef in den absehbaren Wahlkampf zu gehen. Und jetzt sieht die CDU kommentarlos der Kanzlerin zu, wie diese dem Untergang der CDU zusieht – gerade so, als ob jene Partei, der sie „nahesteht … äh – angehört“ für Angela Merkel nichts weiter war als jener „Mohr, der seine Schuldigkeit getan hat“ und jetzt gehen kann. Diese Formulierung stammt übrigens von Friedrich Schiller, nicht von mir; und also distanziere ich mich wohl besser von ihm und von seinen Werken.

Und da haben die Delegierten auf CDU-Parteitagen, also die Mandatsträger und Funktionäre der Partei, immer wieder – und immer wieder sehr viele Minuten lang – ihre Kanzlerin beklatscht, haben sie gegen alle Kritik verteidigt, und haben jene beschimpft, die genau vor dem Weg in den jetzigen Niedergang gewarnt sowie Alternativen zu ihm aufgezeigt haben. Und jetzt haben genau die gleichen Leute die Stirn, eine Erneuerung der Union „an Haupt und Gliedern“ zu fordern und zu verkünden, wirklich „kein Stein darf auf dem anderen bleiben“. Es ist mit dieser Partei anscheinend wie mit anderen einst führenden Parteien deutscher Staaten: Niemand ist schuld am Scheitern außer jenen wenigen, denen man selbst einst zujubelte. Wenn aber der Beifall für die Parteispitze schon zu den guten Zeiten der Partei angeblich nicht ernstgemeint war: Welche Urteilskraft soll man solchen Leuten dann in der jetzigen Krise zuschreiben? Waren sie früher töricht, sind jetzt aber klug? Vermutlich waren sie großenteils einfach Karrieristen – die nun, durchs Verdrängen der einst lautesten Jubler, einfach die nächste Karrierestufe erklimmen wollen.

Immerhin ist sich die Union weiterhin darin treu, dass sie prinzipienlos bleibt. Sozusagen södert sie einfach weiter. Vorgestern kümmerte es die Union nicht, dass sie klassische Unionspositionen bei der Verteidigungspolitik, Energiepolitik, Währungspolitik und Migrationspolitik opportunistisch räumte. Gestern kümmerte es sie nicht, dass sie die Verfechter ehemaliger Unionspositionen als Rechtspopulisten und als Steigbügelhalter der AfD verleumdete. Heute kümmert es sie nicht, dass die Gläubigen von gestern nun Alternativen zum ehedem für alternativlos Erklärten fordern. Und morgen wird es die das Elend geschäftig verwaltenden Parteioberen nicht mehr kümmern, dass überhaupt jemand der Niedergang der Union bekümmert hat. Es gibt sie ja immerhin noch, nämlich als einen kleineren Koalitionspartner und als Funktionspartei.

Was also soll man als Nichtlinker in dieser Lage machen? Aus den Unionsparteien austreten? Einer Konkurrenzpartei beitreten? Innerparteilich auf Einsicht und Korrekturen hinwirken? Oder in die innere Emigration gehen und resigniert der einstigen politischen Heimat beim Verrotten oder Selbstverstümmeln zusehen? Soll man überhaupt zur Kenntnis nehmen, wie zufrieden die einstige CDU-Vorsitzende den künftigen SPD-Kanzler als ihren Testamentsvollstrecker beim Amtswechsel willkommen heißt?

Jeder wird da nach eigenem Naturell und nach dem Grad der persönlichen Leidensfähigkeit verfahren. Vielleicht erweist sich als besonders schlau, wer Angela Merkel jene große Weichenstellerin hin zu einer solchen sozialdemokratisch-grünen Regierungsweise nennt, die endlich unser Land modernisiert und von einer Gefahr fürs Weltklima zum Retter des allgemeinen Menschenrechts aufs Aus- und Zuwandern macht. Vielleicht ist klug, wer das Beseitigen von Bestehendem für ein Grundgesetz allen Wandels hält. Womöglich ist sogar weise, wer sich in die Unmöglichkeit schickt, einen solchen Unfug aufzuhalten, dem sich eine Mehrheit gerade fügen will. Und wer obendrein ein weiches Herz hat, mag auch jene bedauern, die alsbald den Schaden haben – und zwar auch dann, wenn sie ihn nicht selbst herbeiführten. 

Nein – diese Bemerkungen beziehen sich nicht auf die kommende Politik der neuen Koalition. Sondern das alles betraf jenes schmerzliche Schicksal der Union, das gutwillige Mahner und Warner leider nicht aufhalten konnten. Möge der Partei deshalb ein berühmtes Wort jener Kanzlerin im Ohr klingen, die den Niedergang der Partei herbeigeführt hat: „Jetzt sind die schlimmen Zeiten nun einmal da; also müssen wir das Geschehen einfach ordnen – und ja, wir schaffen das!“

Als ob eine solche Haltung reichte! Der Krug geht nun einmal so lange zum Brunnen, bis er bricht. Dann aber will niemand der Schuldige gewesen sein. Heinrich von Kleist schrieb dazu immerhin ein Lustspiel – Angela Merkel hingegen ein Trauerspiel. Nun ja, mir als einem Grünen oder einem Sozialdemokraten kann das alles nicht nur egal, sondern auch recht sein – und einem AfDler sowieso. Bravo, Angela Merkel, und bravo, Ihr Spitzenkräfte der Union!

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