kein Rätsel: zum Wahlverhalten im osten

kein Rätsel: zum Wahlverhalten im osten

In den Tagen nach der Landtagswahl in Thüringen gab ich Klaus Rimpel vom „Münchner Merkur“ das nachstehende Interview, das in der letzten Woche dann um die letzten drei Fragen bzw. Antworten gekürzt veröffentlicht wurde. Hier ist der Link; das vollständige Interview findet sich nachstehend: https://www.merkur.de/politik/nach-thueringen-wahl-experte-erklaert-ergebnis-gibt-natuerlich-auch-waehler-13177444.html

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Erklären Sie uns bitte den Osten: Warum wählen die Menschen dort in so großem Ausmaß die Parteien vom Rand, AfD und Linke?

Prof. Werner J. Patzelt, TU Dresden und Mitglied der Werteunion in der CDU: Die Linke ist hier nicht unbedingt eine Partei vom Rand. Keiner im Osten würde sie ernsthaft als linksextrem bezeichnen. Die PDS war nach der Wiedervereinigung sogar eine authentische Volkspartei. In Thüringen hat es Bodo Ramelow zudem verstanden, die Linke zu einer geradezu sozialdemokratischen Partei zu machen – und er konnte sogar ordentlich Stimmen von der CDU gewinnen.

Und die AfD?

Sie schließt jene Lücke, welche die CDU durch ihre Sozialdemokratisierung zum rechten Rand hin hat aufklaffen lassen. Die AfD besteht ja nicht nur aus Rechtsradikalen; wohl ein Drittel ihrer Mitglieder sind ehemalige CDU-Mitglieder. Und Wählerwanderungsanalysen zeigen, dass auch ein Großteil der AfD-Wähler – sofern nicht zuvor Nichtwähler – ehemalige CDU-Wähler sind.

Die Thüringer Höcke-AfD gilt nun aber als besonders extrem rechts – warum schreckt das diese ehemaligen CDU-Wähler nicht ab?

Die politische Strategie hat ja noch nie verfangen, die AfD durch lautstarkes Beschwören ihrer rechtsradikalen Teile als Horrorgespenst auszugeben. Die Leute sagen vielmehr: Nur weil es Höcke gibt, verzichte ich doch nicht darauf, klarzumachen, dass ich eine andere Migrationspolitik oder den Osten nicht länger benachteiligt sehen will! Aber es gibt natürlich auch Wähler, die der AfD nicht trotz, sondern wegen Höcke ihre Stimme geben.

Sie haben ja die CDU im Sachsen-Wahlkampf beraten. Warum haben da Ihre Rezepte auch nicht funktioniert, AfD-Wähler zur CDU zurückzuholen?

Die Rede von der Beratung war immer schon zu hoch gegriffen. Ich war nur Co-Vorsitzender der Programmkommission und habe bloß die Präambel des Wahlprogramms geschrieben. Im Übrigen sind meine Ratschläge nicht auf sonderliche Zustimmung in der sächsischen CDU-Führung gestoßen. Ich hatte nämlich empfohlen, CDU-enttäuschte AfD-Wähler zurückzugewinnen oder weiteres Abwandern zur AfD aufzuhalten. Die Parteiführung hingegen beschloss, in der Mitte zu punkten. Tatsächlich gewann die CDU Stimmen von ihren künftigen Koalitionspartnern SPD und Grüne, verlor aber stark an die AfD.

So geht es ja allen einstigen Volksparteien: Wenn SPD, CSU oder CDU an den Rändern gewinnen wollen, verlieren sie die Wähler in der Mitte. Wie kommen sie aus diesem Dilemma heraus?

Sie müssen sich klar entscheiden, wofür sie zuständig sein wollen. Lange ist die Union gut damit gefahren, von der Mitte bis zum rechten Rand für alle zuständig sein zu wollen. Unter Angela Merkel aber hat sich die CDU ausdrücklich als Partei allein der Mitte erklärt – und hat dadurch der AfD ihre eigenen Wähler zugetrieben.

Wie groß ist die Schuld der Bundes-CDU und namentlich der Vorsitzenden AKK am schlechten CDU-Ergebnis?

Die Verursachungskette beginnt schon bei der Vorgängerin Merkel, zumal mit der Migrationspolitik und der falschen Reaktion auf den mit Pegida im Osten aufbrandenden rechtspopulistischen Protest. Viele, die sich erhofft hatten, unter AKK würde die CDU frühere Politikfehler abstellen, sehen sich nun getäuscht. Hinzu kommen Ungeschicklichkeiten der neuen CDU-Chefin. Auch sie haben das Vertrauen in sie nicht gerade gestärkt.

Warum tun sich FDP und Grüne im Osten so schwer?

Die Grünen florieren in Regionen mit einer wohlhabenden akademischen Schicht. Solch ein großstädtisches, gutsituiertes akademisches Milieu existiert aber im Osten viel weniger als im Westen – und in Thüringen auch nur stellenweise. Was die FDP betrifft: Liberale Wirtschaftspolitik wurde seit langem erfolgreich als übler Neoliberalismus diffamiert.

Warum ist die SPD im Osten noch schwächer als im Westen?

Sie ist die einzige Partei, die im Osten nach der Wende neu gegründet wurde, während die anderen Parteien auf Fundamenten von DDR-Parteien fußen. Zweitens hat sich die SPD nach der Wiedervereinigung geweigert, pragmatische frühere SED-Mitglieder aufzunehmen; die haben dann die PDS und später Linke stark gemacht. Drittens hat Bodo Ramelow es geschafft, die Linke als „die wirkliche SPD“ erscheinen zu lassen. Und viertens ist die SPD bundesweit in einem ruinösen Zustand, eingeklemmt zwischen der sozialdemokratisierten CDU auf der einen und den Grünen sowie der Linken auf der anderen Seite. Die SPD kann sich erst dann wieder erholen, wenn die CDU nach rechts rückt und Platz in der Mitte frei macht.

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